Der letzte linke Student ist arg verwirrt. Ja: er steckt sogar in einem Dilemma. Das Dilemma: ist sein Verhältnis zum Staat. Bekanntlich: ist er als Linker gegen den Staat. Denn: Linke werden vom Staat verfolgt. Immer und überall. Also muss der letzte linke Student gegen den Staat sein. Wie wir wissen, lautet die wichtigste linke Maxime: Either you are with us or against us. Das heißt: dem Staat nicht meine Knochen.
Nun gilt aber: Der Staat garantiert die billigen Preise. Denn: wo die Eisenbahn, das Wasser oder das Brot nicht vom Staat kommen, dort herrschen Chaos und Not. Wie aber kann der Staat, wenn er Schutz vor dem Chaos garantiert, ein böser Staat sein? An dieser Stelle kommt der letzte linke Student schwer ins Grübeln. Doch grübelt er nicht lang. Bekanntlich: kennt er eine Denkabkürzung. Der letzte linke Student nämlich beherrscht die Technik der Dialektik. Derzufolge: alles richtig sein kann, auch das Gegenteil. Folglich findet der letzte linke Student schon bald eine Lösung für sein Problem. Die Lösung lautet: »Der Staat ist böse. Das wissen wir autonomen Linken. Aber wir wissen auch, dass der Staat nur so lange böse ist, wie er ein vorrevolutionärer Staat ist. Nach der Revolution ist der Staat immer gut. Denn dann gehört er den Revolutionären. Siehe UdSSR.« Diese Sätze schreibt der letzte linke Student in sein besonderes Notizbuch.
Und siehe: jedes Dilemma ist einfach zu lösen. Wenn man nur ein ordentlicher Dialektiker ist. Und was ist der letzte linke Student? Er ist ein ordentlicher Dialektiker. Weswegen: Probleme ihn nur ganz kurz beschäftigen. Und auch wir sollten lernen: Nicht nur Solidarität, auch die Dialektik kann eine Waffe sein – und sogar eine ganz gewaltfreie!
