Über den NS-Nostalgiker aus NRW, Axel Reitz

Immer Ärger mit dem Nachwuchs

Mit aggressiven Demonstrationen wie zuletzt in Soest versucht der NS-Nostalgiker Axel Reitz, in Nordrhein-Westfalen junge Anhänger zu rekrutieren. Sein Auftreten gefällt nicht allen Nazis in dem Bundesland.

Soest in Nordrhein-Westfalen, Ende Januar: Auf einer Schülerparty kommt es zu einem Streit. Ein 17jähriger zückt ein Messer und sticht den 20jährigen Tim K. nieder, der im Krankenhaus später seinen Verletzungen erliegt. Der Täter wird noch in der Nacht festgenommen. Wie die Lokalpresse kurz darauf berichtet, handelt es sich bei dem 17jährigen um einen Deutschen türkischer Abstammung.

14 Tage später – am vergangenen Samstag – sind die Nazis in der Stadt. Sascha Krolzig von der »Kameradschaft Hamm« hat eine Demonstration angemeldet unter dem Motto: »Tim K. – Opfer eurer Ignoranz«. 150 Nazis vor allem aus dem Ruhrgebiet und dem Rheinland sind nach Soest gekommen. Etwa 20 Jugendliche aus der Region gesellen sich dazu. Nur weil er Deutscher gewesen sei, habe Tim K. sterben müssen, befindet der Kölner Nazi Paul Breuer während der Auftaktkundgebung. Ein Kamerad aus Hamm schimpft auf das »widerliche multikulturelle BRD-Regime«. Vom Band dröhnt Musik: »Einst kommt der Tag der Rache!«
Man möge der »Exekutive« keinen Anlass zum Einschreiten wegen rechtswidriger Parolen bieten, warnen die Veranstalter. Doch die Teilnehmer der Demonstration stört das nicht. »Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!« rufen sie, während sie durch die Straßen ziehen, zudem ertönt die Forderung, Ausländer »plattzumachen«. Nach einer Ermahnung durch die Polizei variieren die Nazis ihre Parolen. Nun rufen sie zum »Straßenkampf« auf und schreien: »Linkes Gezeter – neun Millimeter!«
Mit weiteren Funktionären läuft Axel Reitz vorneweg. Der Nazi aus Pulheim bei Köln ist erst 28 Jahre alt, betätigt sich aber schon seit über einem Jahrzehnt politisch. Drei Reden gehen im Lärm der Gegendemonstranten unter, doch Reitz brüllt so ins Mikrofon, dass er auch außerhalb des Kreises, den die Nazis gebildet haben, noch zu vernehmen ist: »Wer als Fremder in diesem Lande einem der unseren, einem Teil unserer großen Familie, einem aus unserer Gemeinschaft ein Leid zufügt, der muss den Tod verdienen!«

Für solche Auftritte schätzen viele Nazis Reitz, der sich als »politischer Soldat« und »Berufsdemonstrant« versteht. Seit ihm eine antisemitische Tirade im Jahr 2005 eine Haftstrafe einbrachte, versucht er, sich nicht strafbar zu machen. Ansonsten bekennt er sich freimütig zu seiner Gesinnung. »Ich bin nationaler Sozialist. Wenn Sie mich Nazi nennen, habe ich damit kein Problem«, sagte er Ende Januar einem Kamerateam auf einer Demonstration in Wuppertal. Unter dem Motto »Gegen Antifaschismus und linke Gewalt!« waren mehr als 200 Nazis zusammengekommen. Mit Veranstaltungen wie in Soest oder Wuppertal wollen Reitz und seine Anhänger Jugendliche gewinnen.
Der Anteil an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die auf dem Parkplatz neben einem S-Bahnhof in Wuppertal stundenlang in der Kälte ausharrten, bis ihre »Kameraden« eintrafen, war tatsächlich beachtlich. Die Gruppe blieb dank einiger Blockaden von Gegendemonstranten anfangs überschaubar: Nur 40 Nazis standen einer deutlich größeren Gruppe von Antifaschisten gegenüber. Am Nachmittag änderte sich das Bild: Mit vierstündiger Verspätung trafen wei­tere 160 Nazis ein. Die Zurückhaltung wich aggressiver Stimmungsmache.
»Dem Terror von links kann nur mit noch härterem Terror von rechts begegnet werden«, rief etwa Paul Breuer in einer Rede. Das hatte die Wuppertaler Nazi-Szene, zu der nach Polizeiangaben 15 Personen im Alter von 16 bis 22 Jahren zählen, bereits vorexerziert: Rechtsextreme Jugendliche und junge Erwachsene hatten eine Familie wegen ihrer antifaschistischen Gesinnung über Monate hinweg bedroht, sogar an deren eigener Haustür. Die Familie hatte Nazi-Aufkleber entfernt. Inzwischen ist sie umgezogen.
Während die Nazis nun durch die Straßen zogen, grölten sie laut: »Haut den Linken die Schädeldecke ein!« Später stimmten sie das HJ-Lied »Ein junges Volk steht auf« an – das Singen und Abspielen dieses Liedes wurde in der Vergangenheit in manchen Bundesländern als Straftat gewertet. Schließlich jubelten die Nazis dem ehemaligen NPD-Mitglied Ingo Haller zu, das mit sich überschlagender Stimme von der Wiederkehr alter Zeiten fantasierte: »Es kommt die Zeit, wo wir wieder Tag für Tag durch jede deutsche Stadt marschieren werden!«
Unumstritten ist das Treiben von Reitz und seinen Anhängern in der Szene in Nordrhein-Westfalen nicht. Einige »freie Kameraden« und die Mehrheit der NPD-Mitglieder im Land stören sich an seinem Hang zur Selbstdarstellung und der allzu offenen NS-Nostalgie. Im vorigen Jahr wollte Reitz Mitglied der Partei werden. Doch die NPD lehnte ab, obwohl sie ihn 2009 noch als Kandidaten bei den Kommunalwahlen aufgestellt hatte. Unter anderem wegen dieser Ab­sage geriet der unverhohlen nationalsozialistische Teil der nordrhein-westfälischen NPD, dem wenig an einem bürgerlichen Auftreten in der Öffentlichkeit liegt, in Streit mit dem Landesvorstand. Die Auseinandersetzung gipfelte in einem Parteiausschlussverfahren und in der Amtsenthebung des Dürener Kreisvorsitzenden Ingo Haller.

Dieser Konflikt ist aber noch nicht vorüber. Insbesondere der NPD-Kreisverband Düsseldorf/Mettmann hält Reitz die Treue. Der stellvertretende Vorsitzende Manfred Breidbach nahm an von Reitz organisierten Kundgebungen als Redner teil und fiel mit rassistischen und antisemitischen Äußerungen auf. Bei dem Teil der Partei, der sich um ein möglichst bürgerliches Auftreten bemüht, stoßen solche Demonstrationen hingegen auf große Kritik.
So wollte sich der regional zuständige NPD-Kreisverband sogar offiziell von der Veranstaltung in Wuppertal distanzieren. Ein ortsansässiges NPD-Mitglied titulierte den Anhang von Reitz und Breuer anschließend als »zahn- und haarlose Gossengestalten«, die »nicht nur von den Linken was auf die Ohren« bekämen, wenn sie noch einmal durch die Stadt liefen. Dass Reitz und seine Gefolgschaft sich wegen dieser Drohung künftig zurückhalten werden, ist freilich nicht zu erwarten.