In Hamburg wird eine Studie gegen Linksextremismus erstellt

Sie wollen nur forschen

An der evangelischen Hochschule »Das Rauhe Haus« in Hamburg wird eine »Ex­tremismusstudie« erstellt. Mit ihr soll erforscht werden, ob Streetworker und Sozialarbeiter »linksex­treme« Jugendliche beeinflussen können.

Im Kampf gegen den »Linksextremismus« ist Familienministerin Kristina Schröder (CDU) eifrig. Sie hat nicht nur die »Demokratieerklärung« eingeführt, die Projekte und Initiativen unterschreiben sollen, um Fördergeld zu erhalten. Das Geld soll auch dazu verwendet werden, Programme gegen »linksextreme« Umtriebe zu unterstützen. SPD und Grüne setzen sich für die Streichung der »Extremismusklausel« ein, auch die Zentralräte der Juden und der Muslime haben sich kürzlich gegen die Regelung ausgesprochen.
Doch die staatliche Förderung hat bereits einige Empfänger erreicht. Durch eine kleine Anfrage von Ulla Jelpke (Linkspartei) wurde bekannt, dass sich mehrere Studien mit »linksextremen« Jugendlichen beschäftigen, eine davon läuft seit etwa einem halben Jahr an der kleinen evangelischen Hochschule »Das Rauhe Haus« in Hamburg. Auf der Homepage der Einrichtung sucht man vergeblich nach Informationen über die mit 43 400 Euro dotierte Untersuchung. »Von der Studie haben wir nur durch die Anfrage von Frau Jelp­ke erfahren«, sagt Alexej Steinberg vom Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta).

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf Jelpkes Anfrage hervorgeht, soll die Studie herausfinden, »inwieweit linksextremistische Jugendliche und solche, die gefährdet sind, von den Angeboten der offenen Jugendarbeit in den Stadtteilen Hamburgs oder von Streetworker/innen in ihren Szenen erreicht werden können«. Ziel sei es zudem, »die Einschätzungen der Polizei, des Verfassungsschutzes und der Justiz um spezifische (sozial)pädagogische und sozialräumliche Perspektiven sowie die Perspektiven der Zielgruppe selbst und deren Umfeld zu ergänzen«.
Im Zuge der Studie wurden Fragebögen an Jugendhilfeträger, linke Anwaltskanzleien und Projekte sowie Jugendliche verschickt. Die Adressen der Angeschriebenen hatte das Rauhe Haus anscheinend aus gut informierter Quelle. Der bekannte linke Anwalt Andreas Beuth erhielt nach Informationen des Asta einen Anruf einer Studienmitarbeiterin. Auf Nachfrage, wie sie auf ihn gekommen sei, erhielt er zur Antwort, dass dem Rauhen Haus eine Liste des Hamburger Staatsschutzes vorläge. Diese habe sie abtelefoniert.
Für den Asta ist das ein Skandal. »Wir haben sofort eine Vollversammlung einberufen, die sich mehrheitlich für den Abbruch der Studie ausgesprochen hat«, sagt Steinberg. Mit einer Diskussionsveranstaltung machte der Asta Anfang Februar öffentlich auf die Studie aufmerksam. Seine Botschaft war eindeutig: Linke Jugendliche sollten nicht zum Ziel von Sozialarbeit werden, die Gesellschaft brauche radikale Kritik.

Das sahen die anwesenden Verantwortlichen für die Studie anders. »Der Leiter Thomas Möbius argumentiert, dass es besser sei, wenn eine eher linke Hochschule die Linke erforsche. Man arbeite in keiner Weise der Polizei oder dem Verfassungsschutz zu«, fasst Steinberg die Aussagen zusammen. Möbius selbst war nicht bereit, telefonisch zu der Sache Stellung zu beziehen. Der Rektor der Hochschule, Michael Lindenberg, veröffentlichte eine schriftliche Stellungnahme. Ziel der Studie sei es nicht, »politische Gesinnungen« auszuhorchen. »Wir arbeiten nicht für den Verfassungsschutz und stehen nicht im Dienste rechtsgerichteter Politik«, schrieb der Rektor.
Für die Studierenden ist es keineswegs klar, dass die Ergebnisse nicht die Strafverfolgungsbehörden erreichen. Die Untersuchung soll nämlich dem Bundesfamilienministerium vorgelegt werden. Und dieses entwickele in Kooperation mit der Polizei und dem Verfassungsschutz sozialpädagogische Konzepte – so die Befürchtung. Ob die Studie überhaupt zu aussagekräftigen Ergebnissen kommen wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Der Asta hat alle angeschriebenen Einrichtungen und Personen aufgefordert, die Fragebögen umgehend in den Papierkorb zu befördern. Den Rückmeldungen nach zu urteilen, gehen die Studenten davon aus, dass viele Träger der Jugendhilfe den Ratschlag befolgen.