Die Mobilisierungen der Antifa in Dresden

Das böse Ende kam am Schluss

Das Bündnis »Dresden Nazifrei« hätte eigentlich zufrieden sein können. Am vergangenen Samstag fanden die Neonazis vor lauter Blockaden ihre Kundgebungen nicht. Aber dann stürmte ein Sondereinsatzkommando das Büro der Veranstalter.

Kämpferisch und entschlossen hatten sich die Neonazis diesmal vor dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens gegeben. Nachdem die Großdemonstration 2010 gescheitert war, wollten sie um jeden Preis marschieren. Dahinter traten sogar die üblichen Querelen innerhalb der Szene zurück. Ein sogenannter Vorbereitungskreis, ­bestehend aus der »Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland« (JLO), den »Jungen Nationaldemokraten« (JN), der NPD und Vertretern der »freien Kräfte«, wollte mit einem neuen Konzept den drohenden Blockaden von Antifaschisten entgegentreten.

Da der 13. Februar als »Gedenktag für die deutschen Opfer des Krieges« dieses Jahr auf einen Sonntag fiel, wollten die Neonazis gleich an zwei Wochenenden das Geschehen in Dresden bestimmen. Beide Male dürfte die Zahl der Teilnehmer deutlich hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben sein. Vor zwei Wochen war für den späten Sonntagnachmittag ein »Gedenkmarsch« angemeldet. Weil die geplante Demonstrationsroute in der Nähe des Hauptbahnhofs von mehreren Tausend Menschen blockiert wurde, setzte die Polizei den Aufmarsch nur mit halbierter Demonstrationsroute durch. Die angereisten Neonazis werteten schon das als Erfolg. Sie waren vor allem aus Sachsen und den angrenzenden Bundesländern gekommen. Einzelne Delegationen stammten aus dem europäischen Ausland. Entsprechend dem Bündnisgedanken des neonazistischen »Vorbereitungskreises« trat als Hauptredner der NPD-Funktionär Olaf Rose auf. Daneben sprachen Maik Müller, ein »freier Aktivist« aus Dresden, und ein »litauischer Kamerad«. Im vorigen Jahr standen Tausende Neonazis stundenlang herum, von Polizei und Gegendemonstranten eingekesselt, am Samstag voriger Woche wollten sie unbedingt marschieren. Der »Vorbereitungskreis« hatte zunächst sechs und später drei Kundgebungen und Demonstrationen für diesen Tag angemeldet. Offenbar war man davon ausgegangen, dass es nicht gelingen würde, mehrere Neonazi-Veranstaltungen gleichzeitig zu blockieren. Kurzfristig legte die Stadt Dresden die drei Veranstaltungen zu einer zusammen, die im fernab der Innenstadt gelegenen Stadtteil Cotta stattfinden sollte. Das Verwaltungsgericht gab jedoch einem Antrag des Vorbereitungskreises statt und hob die Entscheidung der Stadt wieder auf.
Am 19. Februar waren bis zu 3 000 Neonazis nach Dresden gereist. NPD-Kader waren darunter nur vereinzelt zu finden. Überwiegend handelte es sich um militante Neonazis und »Autonome Nationalisten«. Etwa 800 von ihnen trafen sich am Hauptbahnhof, um von dort zu ihrer Kundgebung zu laufen. Die Blockaden der Gegendemonstranten und die Polizei versperrten ihnen jedoch den Weg. Etwa 500 Neonazis fuhren später entnervt für eine Spontandemonstration nach Leipzig, die ihnen aber untersagt wurde. Einen Teil der Neonazis leitete die Polizei in die etwa zehn Kilometer von Dresden entfernte Stadt Freital, von dort machten sich etwa 1 000 Neonazis auf den Weg nach Dresden-Plauen. In den angrenzenden Stadtteilen trafen sich hunderte weitere Neonazis, so dass sich am späten Nachmittag bis zu 2 000 Neonazis im Gebiet aufhielten.
Von Anfang an traten die Neonazis extrem gewaltbereit und aggressiv auf. Ein Mob von etwa 600 Personen zog, von einzelnen Polizisten begleitet, durch Dresden-Löbtau, wo über 200 Neonazis ein linksalternatives Hausprojekt angriffen; sie zerstörten mit Steinen und Holzlatten meh­rere Fenster und demolierten parkende Autos. Ein Youtube-Video zeigt, dass Polizisten dabei zuschauten, ohne einzuschreiten. Als sich am späten Nachmittag abzeichnete, dass keine der ursprünglich geplanten Neonazi-Kundgebungen mehr stattfinden würde, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Neonazis und der Polizei in Dresden-Plauen, während Tausende Antifas die umliegenden Straßen blockierten. Für die Nazis war der Tag ein Desaster, einige twitterten später: »Wie weiter? Schluss mit den alten ausgelatschten Wegen! Verlassen wir endlich die Spielwiese der Demokraten, leisten wir echten Widerstand!«

Die Veranstalter von »Dresden Nazifrei« schätzen die Zahl der Gegendemonstranten, die im Stadtgebiet unterwegs waren, auf 20 000. Pressesprecherin Judith Förster sagte der Jungle World, sie sei überrascht gewesen, wie flexibel man an den zahlreichen Blockadepunkten gewesen sei. Sie wertete es als besonderen Erfolg, dass die Anti­faschisten schnell reagierten und immer wieder neue Blockaden aufbauten.
Die rund 4 500 Polizisten, die im Einsatz waren, wirkten den ganzen Tag lang überfordert. Immer wieder kam es zu aggressiven Einsätzen, trotz eisiger Temperaturen wurden schon am Vormittag Wasserwerfer eingesetzt. Auf dem Dresdener Universitätsgelände schlugen Polizisten einer Berliner Einheit zu, und vor dem Hörsaalzentrum der Technischen Universität griffen Polizisten ohne Kennzeichnung zum Holzknüppel. Auf weglaufende Blockadeteilnehmer wurde mit Pepperballs geschossen. Die Gegendemonstranten bauten brennende Barrikaden und warfen mit Flaschen und Steinen in Richtung der Polizei.
Am Abend stürmte ein Sondereinsatzkommando das Presse- und Informationsbüro des Bündnisses »Dresden Nazifrei«. Vermummte Polizisten traten alle Türen der Geschäftsstelle der Partei »Die Linke«, eines im Haus befindlichen Rechtsanwaltsbüros und eines dort ebenfalls angesiedelten Jugendprojekts ein. Die anwesenden Personen mussten sich zum Teil bis auf die Unterwäsche ausziehen. Die Betroffenen gaben an, sie seien stundenlang mit Kabelbindern gefesselt gewesen, während die Polizei alle Computer und Telefone im Haus beschlagnahmte. Der Stadtverband der Linkspartei sprach nach dem Einsatz von einem Bild der Verwüstung. Der Vorwurf des Sächsischen Landeskriminalamtes soll sich auf den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung und schweren Landesfriedensbruch beziehen. Ein Sprecher des Bündnisses »Dresden Nazifrei« bezeichnete die Hausdurchsuchung als »Racheaktion«, mit der die Polizei ihren unkoordinierten Einsatz habe kompensieren wollen. Die Fraktionen von Bündnis 90/Grüne, der »Linken« und der SPD kündigten an, gegen das brutale Vorgehen der Polizei parlamentarische und juristische Schritte einzuleiten.