Die Ästhetik der Repression

Hamburg ist Wasserwerfereinsatzhauptstadt. Keine Demonstration, keine Kundgebung, bei der die Polizei nicht ihren wasserspritzenden Fuhrpark auffahren ließe. Da ist es nur konsequent, dass das brandneue Modell »Wawe 10 000« der Wasserwerferindustrie in Hamburg seine bundesweite Premiere hat. Bisher mussten die Beamten mit Technologie aus dem Jahre 1983 Landfriedensbrecher, Dauerdemonstranten und Reisechaoten in Schach halten. Doch nun ist ein neues Zeitalter angebrochen. Statt kantigem Polizeigrün im Stil des vorigen Jahrhunderts dominieren dunkles Blau, getönte Scheiben und weiße LED-Technologie das Einsatzfahrzeug. Diese Ästhetik der Repression verbindet funktionale Erfordernisse mit modernem Design. Die Formgebung des Wawe 10 000 soll verhindern, dass allzu forsche Straßenkämpfer das Fahrzeug kletternd entern, überdies prallen Wurfgeschosse ab, ohne Rückstände zu hinterlassen. Im Ergebnis ist das Erscheinungsbild das Produkt einer Kreuzung der Star-Wars-Edition von Lego mit einem tiefergelegten Müllauto. Trotz allem dürfte das Modell der, nun ja, feuchte Traum aller deutschen Polizisten sein. Wo bisher robuste Einfachheit dominierte, bestimmen nun phallisch anmutende Joysticks, kamerageführte Zielhilfen und Touchscreenfelder den Arbeitsplatz. Sozusagen Ego­shooting im dienstlichen Auftrag. Möglich macht dies auch eine umfangreiche computergesteuerte Software, die man sich als großmaßstäbliches Duschkopfprogramm vorstellen muss. So können Wasserwände kreiert werden, hinter denen sich Polizeieinheiten den Blicken fieser Steinewerfer entziehen. Im Zweifelfall verschießt das Ding sein Wasser über 60 Meter weit und kann sich mit einer Extrakanone sogar nach hinten verteidigen. Für den Fall, dass er mit brennenden Wurfkörpern attackiert wird, hat der Wawe 10 000 ein Selbstlöschprogramm. Dann steht er wie ein begossener Pudel da und man denkt, auch Wawe 10 000 möchte doch nur ein wenig gemocht werden.