Julian Assange und seine fragwürdigen Unterstützer

Schwedische Verschwörungen

Julian Assange bestreitet weiterhin die Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn. Dabei wird er von zwei höchst fragwürdigen schwedischen Journalisten unterstützt. Sie sollen die Theorie des »geplatzten Kondoms« im Umlauf gebracht haben und sind in Schweden für ihre antisemitischen Ar­tikel bekannt.

Die Beine habe er ihr auseinandergepresst, um in sie einzudringen, hatte Anna A. bei der polizeilichen Vernehmung gesagt, gleichzeitig habe Julian Assange ihr die Arme festgehalten, um zu verhindern, dass sie nach den neben dem Bett bereitliegenden Kondomen greife. Das könne wirklich übel enden, habe sie gedacht.
Nach einvernehmlichem Geschlechtsverkehr klingen auch die weiteren Schilderungen von Anna A. nicht. Das war kein Grund für den Anwalt von Assange, auf einen Witz zu verzichten: Dass sein Mandant mit seinem Körpergewicht auf ihr gelegen habe, sei nicht ungewöhnlich, das werde »landläufig als Missionarsstellung bezeichnet«.
In der Anhörung über den Antrag der schwedischen Staatsanwaltschaft, Assange auszuliefern, wurden viele bestenfalls geschmackslose Bemerkungen über das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer Anna A. gemacht. Dem Gründer von Wikileaks dürften sie ob ihrer Frauenfeindlichkeit allesamt gut gefallen haben, schließlich bezeichnete er Schweden vor einigen Wochen als »das Saudi-Arabien des Feminismus«.

Assange hatte allerdings Pech. Vor rund 14 Tagen sorgte ausgerechnet ein Leak dafür, dass die kompletten Verhörprotokolle der schwedischen Polizei öffentlich zugänglich wurden – und die Zahl seiner Anhänger rapide abnahm.
Die Dokumente wurden auf cryptome.org veröffentlicht und belegen, dass es in der Sache um weit mehr geht als nur ein geplatztes Kondom, wie viele Unterstützer von Wikileaks und Assange monatelang behauptet hatten.
Diese falsche Information bezog sich auf die Aussagen zweier schwedischer Journalisten, Donald Boström und Johannes Wahlström, die nach den mutmaßlichen sexuellen Übergriffen Kontakt zu Assange und mindestens einer der beiden Frauen gehabt haben wollen. In zahlreichen Interviews hatten Boström und Wahlström betont, dass Anna A. sich vollkommen normal benommen und sogar glücklich gewirkt habe. Sie hatten darüber hinaus Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Frau geschürt. Boström hatte zuletzt vor einigen Wochen in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP behauptet, Anna A. habe ihm gegenüber zugegeben, dass sie gelogen und dass keinerlei sexuelle Belästigung stattgefunden habe. Auch Wahlström hatte immer wieder anhand angeblich von ihm erlebter Episoden berichtet, wie unglaubwürdig Anna A. ihm vorgekommen sei.
Die beiden Journalisten verbindet allerdings weit mehr als nur ein gemeinsames Essen mit Assange. Wahlström ist Assanges Vertrauensmann in Skandinavien, Boström sorgte während Assanges Besuch in Schweden dafür, dass die Presse stets über das Programm des Whistleblowers informiert wurde.
In ihren öffentlichen Aussagen über Anna A. verschwiegen sie diese Verbindung zu Wikileaks gezielt. Boström und Wahlström haben aber noch mehr gemeinsam. In der Vergangenheit traten sie immer wieder mit antisemitischen Artikel en in Erscheinung.

Donald Boström löste zuletzt im Jahr 2009 weltweit Empörung aus. Die schwedische Zeitung Aftonbladet hatte einen Bericht von ihm gedruckt, in dem es hieß, israelische Ärzte würden tote Palästinenser gezielt ausschlachten und ihre Organe benutzen, um ausschließlich jüdische Patienten zu retten.
Wahlström schmückt sich dagegen gern damit, im linken schwedischen Magazin Ordfront (Wortfront) publiziert zu haben. In einem Artikel stellte er im Jahr 2005 die These auf, die schwedischen Medien würden von »jüdischen Interessen« manipuliert. Was Wahlström dabei verschweigt: Drei der Journalisten, die er für die krude Story interviewte, beschwerten sich umgehend beim Herausgeber und wiesen nach, dass ihre Zitate grob verfälscht wurden. Heléne Löw, Doktorin der Philosopie und führende schwedische Faschismus-Forscherin, sagte, der von Wahlström verfasste Artikel enthalte »alle Elemente, die man in einer klassischen antisemitischen Verschwörungstheorie finden kann«. Die Beschwerden hatten Erfolg. Die Geschichte wurde umgehend zurückgezogen, Ordfront entschuldigte sich. Boström, den Wahlström für seinen Artikel ebenfalls interviewt hatte, hat übrigens keinerlei Einwände bezüglich des antisemitischen Inhalts erhoben – denn zitiert worden war er mit seinem Lieblings­thema, nämlich Behauptungen über angebliche gezielte Organentnahmen an toten Palästinensern durch jüdische Ärzte.
Vor diesem Hintergrund erscheint Assanges Reise nach Schweden in einem anderen Licht. Der Whistleblower war von der Broderskapsrörelsen (Bruderschaftsbewegung) eingeladen worden, einer protestantischen Gruppierung innerhalb der schwedischen Sozialdemokraten, der auch Anna A. angehört und die in Deutschland als »christliche Plattform« bezeichnet wurde. Bei der Bruderschaft handelt es sich jedoch um eine Vereinigung mit antisemitischen Tendenzen. Die angebotenen Vorträge lauten beispielsweise: »Irak, Palästina, Afghanistan – die gleiche Besatzung?«, als Redner verpflichtet man gern international bekannte Judenhasser wie den Islamisten Azzam al-Tamimi, der in Interviews immer wieder palästinensische Selbstmordattentate rechtfertigte und zur Auslöschung Israels aufrief.
Seit Uppdrag granskning, das Investigativmagazin des staatlichen schwedischen Fernsehens SVT, sich im Jahr 2006 mit der Broderskapsrörelsen beschäftigt und deren enge Verbindungen unter anderem zu islamistischen Gruppen aufgedeckt hatte, ist die Feindseligkeit der Bruderschaft gegenüber Israel zumindest in Schweden kein Geheimnis mehr.

Dass Assange sich in Skandinavien mit ausgewiesenen Antisemiten umgibt, wird dort aber auch aus einem anderen Grund schon seit langem thematisiert. Denn Johannes Wahlström ist derjenige, der frei darüber entscheiden kann, welche Zeitungen welche Leaks veröffentlichen dürfen. Die Zeitungen des Schibsted-Konzerns arbeiten dabei nach eigenem Bekunden gern mit ihm ­zusammen, weil sie seine journalistische Kompetenz schätzen. Im Gegensatz zum norwegischen Boulevardblatt VG sowie den schwedischen Tageszeitungen Aftonbladet und Svenska Dagbladet bleiben die Medien der Verlagsgruppe Bonnier AB bei der Veröffentlichung der Dokumente außen vor. Nach welchen Kriterien Wahlström die Whistle­blower-Leaks verteilt, hat er selber indirekt im Herbst 2010 in einer zweiteiligen Artikelserie für Aftonbladet erklärt.
Den Auftrag hatte er von der Feuilleton-Chefin der Zeitung, Åsa Linderborg, erhalten. Sie hatte in der Vergangenheit mehrfach Reportagen von Boström über den angeblichen Organraub an Palästinensern gedruckt und steht im Ruf, dem Kulturressort ihrer Zeitung einen israelfeindlichen Kurs verpasst zu haben. Linderborg war auch eine der wenigen Journalistinnen, die Wahlström nach dem Skandal um die verfälschten Zitate im Ordfront-Artikel vehement verteidigt hat.
Thema des von ihr bestellten und im Herbst 2010 erschienenen Artikels war der Verlagskonzern Bonnier AB, der Konkurrent der Schibsted-Gruppe. In seinem Artikel griff Wahlström die Bonnier AB-Gruppe scharf an. Der Konzern beeinflusse durch regelrechte Kampagnen die Machtverhältnisse in Schweden, wurde darin behauptet, während das Unternehmen von der Politik geschützt werde. Wahlström verwendete im Text auch gezielt antisemitische Klischees, und das nicht ohne Grund: Der Konzern gilt Wahlström schließlich als Beleg für den von ihm immer wieder beklagten angeblichen »jüdischen Einfluss« auf die schwedischen Medien und die schwedische Politik. Gründer des Unternehmens war nämlich Gutkind Hirschel, ein in Dresden geborener Jude, der 1801 zunächst nach Kopenhagen und später nach Stockholm ausgewandert war. Seinen Namen hatte er vermutlich als Reminiszenz an den 1799 unter bis heute nicht vollständig geklärten Umständen beim preußisch-österreichisch-französischen Friedenskongress von Rastatt ermordeten französischen Gesandten Antoine Bonnier d’Alco in Gerhard Bonnier geändert.
Wie viele seiner heute lebenden Nachfahren überhaupt Juden sind, ist nicht bekannt, was Wahlström selbstverständlich nicht daran hindert, Bonnier als jüdischen Konzern zu bezeichnen. Dass beispielsweise Åke Bonnier, einer der Haupteigner des Familienunternehmens Bonnier AB, die Stellung des Stockholmer Dompropstes bekleidet, müsste der Journalist eigentlich wissen, schließlich leitete der Pfarrer 2010 die Hochzeit der schwedischen Thronfolgerin Victoria.
Dass Assange und Wahlström in ihren Vernehmungen durch die schwedische Polizei die Boulevardzeitung Expressen erwähnen, obwohl die Verhaftung gleichzeitig von allen Medien gemeldet wurde, hat ebenfalls mit Bonnier AB zu tun. Wahlström sieht in dieser Verlagsgruppe den Hauptgegner Assanges in Schweden. Der Konzern versuche über Expressen, den Wikileaks-Gründer fertigzumachen – und werde dabei nach Kräften von den schwedischen Feministinnen unterstützt.
Darin ist er sich mit seinem Vater einig, dem bekannten russischstämmigen Antisemiten Israel Shamir, der ebenfalls für Wikileaks arbeitet. Von Assange wurde der Mann, der den Holocaust leugnet und an die Echtheit der »Protokolle der Weisen von Zion« glaubt, als Vertrauensperson für Russland eingesetzt, wo er nach Gutdünken Dokumente an ihm genehme Medien verteilen kann.
Shamir, dessen antisemitische Bücher 2004 von Evert Svensson, dem damaligen Vorsitzenden der Broderskaps, vehement empfohlen worden waren, mischte ebenfalls bei der Kampagne gegen Anna A. mit. Die Unterstützer von Wikileaks, die nach dem Bekanntwerden der Belästigungsvorwürfe massenhaft Behauptungen verbreiteten, denen zufolge die Schwedin eine verbitterte Feministin und strikte Antikommunistin sei sowie als Agentin für die CIA arbeite und vom Geheimdienst angeheuert worden sei, um Assange gezielt zu schaden, stammen nachweislich von ihm. Auch die kurz kursierende Falschmeldung, dass Anna A. Jüdin sei und sich nach Israel abgesetzt habe, dürfte von Shamir in die Welt gesetzt worden sein.