Harmony Korine im Gespräch über seinen neuen Film »Trash Humpers« 

»So muss es sich anfühlen, ein religiöser Mensch zu sein«

Der US-amerikanische Regisseur Harmony Korine schrieb die Drehbücher zu Larry Clarks Filmen »Kids« und »Ken Park«. Außerdem dreht er Experimentalfilme, hauptsächlich mit Laiendarstellern, darunter »Gummo«, worin es um eine von einem Tornado verwüstete Kleinstadt in Ohio geht. Sein Buch »Wunschliste eines Bastards« ist eine Art Lexikon geklauter und gefundener Wörter. Hanno Stecher sprach mit ihm über seinen neuen Film »Trash Humpers«.

Die zentralen Figuren von »Trash Humpers« sind drei bizarre Gestalten, die Jogginganzüge und Masken mit den Gesichtern von alten Männern tragen und auf den Straßen Nashvilles herumhängen. Ihre Zeit verbringen sie mit dem Ficken von Mülltonnen und dem Zerstören von Dingen, die sie auf der Straße finden. Was sind das für Figuren, wofür stehen sie? Eine davon hast du ja auch selbst gespielt.
Ganz genau weiß ich das ehrlich gesagt auch nicht. Erst habe ich eine Zeit lang meinem Assistenten diese fiesen Masken aufgesetzt, die ein wenig an Brandopfer erinnern. Wir sind dann hier in Nashville, wo ich lebe, an Orte jenseits der ausgetretenen Pfade gegangen, und ich habe mit der miserabelsten Kamera, die ich auftreiben konnte, Fotos von ihm gemacht, wie er sich an Müll vergeht. Diese Figuren, als die ich ihn verkleidet habe, basieren auf Menschen, die in derselben Nachbarschaft wie ich aufgewachsen sind, als ich ein Kind war. Das waren ältere Leute, die meist besoffen in Hinterhöfen und unter Bahnübergängen herumhingen. Als ich die entwickelten Fotos dann gesehen habe, hat es mich sehr gereizt, daraus einen ganzen Film zu machen.
Für mich wirkt es, als wolltest du Menschen zeigen, denen eigentlich nicht viel mehr im Leben bleibt als herumzuhängen, die keinerlei andere Hoffnungen mehr in ihrem Leben haben.
Naja, sie stehen eben einfach darauf, Zeug kaputtzuschlagen. Das ist ihr Hobby, fast so etwas wie eine Kunstform. Sie versuchen, ein eigentlich völlig infantiles Verhalten in etwas Transzendentes zu verwandeln, sie sind so etwas wie Künstler des Missbrauchens von Dingen. Sie leben unter umgekehrten Vorzeichen.
Aber geht es nicht auch einfach um Armut?
Mag sein, aber darüber denke ich nicht nach – so arbeite ich nicht, wenn ich Ideen entwickle. Es geht um ein bestimmtes Gefühl, um etwas Intuitives. Der Grund, warum ich diesen Film gemacht habe, ist, weil er etwas zeigt, was ich nicht wirklich in Worte fassen kann. Wenn es so wäre, dass ich alles erklären könnte, würde ich so etwas gar nicht erst machen. Deshalb ist es mir im Prinzip auch egal, wer meine Filme wie auffasst, denn es gibt da für mich kein Richtig oder Falsch, keine übergeordnete Botschaft. Wenn ich jetzt auch noch anfangen würde, mir auf das alles einen Reim zu machen, würde ich mich wahrscheinlich von einer Brücke stürzen.
Ein typisches Merkmal fast aller deiner Filme, das auch in »Trash Humpers« wieder auftaucht, ist die Beschäftigung mit der Teenagerzeit, mit der Zeit des Heranwachsens. Diese Figuren machen ja letztlich nichts anderes als das, was gelangweilte Teenies machen – Scheiße bauen eben, Zeug kaputtmachen, über versaute Witze lachen. Was inter­essiert dich so an diesem Lebensabschnitt?
Ich glaube, ich bin einfach nicht besonders schlau. Ich glaube, ich habe aufgehört, mich weiterzuentwickeln, als ich in meiner Teenagerzeit war. Mich interessieren heute immer noch die Dinge, für die ich mich mit 16 interessiert habe. Neulich bin ich zum Beispiel in einen Stripclub gegangen und habe da diese Frau mit diesem unglaublich großen Arsch gesehen, den sie eine halbe Stunde lang geschüttelt hat. Ich habe da draufgestarrt und könnte schwören, dass ich eine Reflexion von Gottes Gesicht in ihrem Arschloch gesehen habe. Ich hatte das Gefühl, dass es sich so anfühlen muss, ein religiöser Mensch zu sein. Ziemlich genau so hat es sich für mich auch als Teenager angefühlt, einfach irgendwie aufrichtig. Ich weiß nicht, was mit mir los ist, aber irgendwie habe ich diese Zeit des Heranwachsens nie wirklich hinter mir gelassen.
Dann müssen die Dreharbeiten ja ziemlich viel Spaß gemacht haben.
Es war beides. Einerseits hatten wir wirklich viel Spaß, gleichzeitig hatte es natürlich auch alles etwas sehr Verstörendes, wir haben diese Figuren ja wochenlang wirklich gelebt, fast ohne Unterbrechungen, nur wir und die Kamera. Wir haben auf der Straße, im Wald und hinter Malls geschlafen, Sachen angezündet und gefickt, was wir finden konnten. Das war toll. Aber dann kam der Punkt, wo wir alles in die Luft gejagt haben und es nichts mehr zum Kaputtmachen gab. Da fing es dann an, wirklich Spuren in meiner Psyche zu hinterlassen. Daher war ich ganz froh, als ich damit aufhören konnte. Ich meine, kannst du dir vorstellen, wie es ist, eine Kuh bei lebendigem Leibe zu essen?
Nein.
Das war wirklich unglaublich, einer meiner Freunde hat die Kuh festgehalten und ich habe versucht, mit meinen Zähnen ein Stück von ­ihrem Hinterteil abzubeißen.
Wer sind eigentlich überhaupt diese ganzen anderen Personen, die im Film vorkommen? Man hat das Gefühl, es seien wirklich alles Laiendarsteller.
Viele von diesen Leuten sind einfach Menschen, die ich kennengelernt habe, als ich hier aufgewachsen bin – Prostituierte hier aus der Nachbarschaft, Kriminelle, Drogenabhängige, Dealer, Lesben, Comedians, einfach interessante Leute, von denen ich mit vielen befreundet bin. Einige von ihnen waren sogar meine Babysitter, als ich ein Kind war, und ich habe den Kontakt mit ihnen aufrechterhalten.
War es schwierig, ihnen zu erklären, was diese ganze Geschichte soll? Gerade diese zum Teil ziemlich verrückten älteren Herren geben ja einiges von sich preis.
Nein, eigentlich musste ich nichts erklären. Es fanden eigentlich alle ziemlich aufregend, bei der Sache mitzumachen. Man konnte an den Gesichtern von diesen alten Knackern ablesen, dass da etwas Tolles passiert. Es hat wirklich großen Spaß gemacht, mit ihnen zu drehen.
Könntest du dir vorstellen, noch einmal einen Film mit einem ähnlichen Konzept zu machen? Es ist ja so eine Art extremer Dogma-Film.
Also, ehrlich gesagt weiß ich nicht mal, ob »Trash Humpers« überhaupt ein Film ist, es fühlt sich eigentlich für mich so an, als sei es ­etwas völlig anderes. Es ging eher darum, etwas wiederzuerwecken, etwas, das man sich so vorstellen muss, als sei es irgendwo in einem Straßengraben verbuddelt gewesen. Es ist etwas ganz Spezifisches, eine Art Artefakt, etwas mit einer eigenen Logik. Insofern war die Art und Weise, wie wir diesen Film gemacht haben, so speziell, dass ich jetzt nicht wüsste, was ich damit in Zukunft anstellen sollte. Mein nächster Film soll außerdem ein Blockbuster werden, eine richtig große, aufwändige Produktion.
Hast du denn die Reaktionen auf den Film gerade in den USA verfolgt?
Nein, das interessiert mich wirklich nicht. Wie gesagt, wenn ich anfangen würde, über solches Zeug nachzudenken, könnte ich mir auch gleich die Kugel geben. Ich meine die Frage, ob das jetzt gut ist oder schlecht – wer will das überhaupt beurteilen? Es gibt einfach Momente im Leben, wo alles passt, wo alles perfekt ist. Und die Tatsache, dass dieser Film existiert, ist einfach perfekt. Alles andere ist nur Bonuskram.

»Trash Humpers« ist seit 17. Februar in einigen deutschen Kinos zu sehen und als DVD für 18,90 Euro bei Rapid Eye Movies erhältlich.