Wer braucht schon Emire?

Die Geschäftsreise zu den Golfmonarchen war lange geplant, da wollte Bundespräsident Christian Wulff nicht wegen der arabischen Revolte absagen. Wulff begleitete Ende Februar Repräsentanten der Deutschen Bahn, des VW-Konzerns und der Baufirma Hochtief zu den Emiren Kuwaits und Katars. Der Besuch in Bahrain wurde allerdings gestrichen, dem Bundespräsidialamt war nämlich aufgefallen, dass dort Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vorgehen, überdies seien Versammlungs- und Meinungsfreiheit nicht garantiert. Um diese Freiheiten ist es auch in Katar und Kuwait nicht gut bestellt, aber dort wird derzeit noch nicht protestiert. Mutig erhob Wulff seine Stimme: »Gaddafi ist aggressiv, gewissenlos, leidet an Realitätsverlust, hat keine Empathie – das alles fasst das Wort ›Psychopath‹ zusammen.« Das hören auch die Emire am Golf gerne, sie mögen den Emporkömmling Gaddafi, der ihnen so wenig Achtung entgegengebracht hat, auch nicht. Da ist Wulff ganz anders. Die Gespräche stünden im »Zeichen des Respekts«, sagte der Bundespräsident, er wolle sich bei »erfahrenen Politikern« über die Lage in der arabischen Welt informieren. Warum mit dem protestierenden Pöbel reden, wenn Emir Hamid bin Khaifa al-Thani, mit dem Wulff nach Angaben der Bild-Zeitung »gut befreundet« ist, Auskunft geben kann? Mit dem Herrscher von Katar hatte Wulff bereits als niedersächsischer Ministerpräsident zu tun, al-Thani kaufte 17 Prozent der VW-Aktien. Auch an der Firma Hochtief ist Katar beteiligt, und die Deutsche Bahn kann darauf hoffen, für 17 Milliarden Euro ein Schienenverkehrsnetz zu errichten.
»Ich bin davon überzeugt, dass wir gerade jetzt mehr deutsches Engagement in der arabischen Welt brauchen, nicht weniger«, resümierte Wulff. »Wir müssen jetzt schnell und beherzt sein. Stabilität in der arabischen Welt ist wichtig und gut für uns alle.« Schnell und beherzt hat man bereits anderthalb Wochen nach dem Beginn der Massaker in Libyen erkannt, dass es ratsam sein könnte, Gaddafi keine Waffen mehr zu liefern. Denn womöglich wird er die Rechnung nicht mehr bezahlen können. Die Börse von Tripolis ist zwar noch online, aber der Kurs fällt stündlich. Als Aktionär der Deutschland AG und bislang noch nicht bedrohter Autokrat kann al-Thani hingegen weiterhin damit rechnen, hofiert zu werden. Er dürfte allerdings erkannt haben, dass man ihm zwar alles für die Unterdrückung von Protesten notwendige Kriegsgerät liefern wird, es aber allein sein Job ist, für »Stabilität« zu sorgen. Wenn er versagt, wird er auch in Wulff keinen Freund mehr haben. Der arabischen Demokratiebewegung hat der Bundespräsident noch einmal klar gemacht, dass sie keine Unterstützung erwarten kann. Siegt sie trotzdem, wird Wulff allerdings so tun, als habe er sich das schon immer gewünscht.