Die Debatte um die Frauenquote

Wir brauchen eure Quote nicht!

Die Quote als Wirtschaftsfaktor zu begreifen, bringt nichts. Warum sollen Frauen dazu gebracht werden, ausgerechnet in den Schlangengruben der Chefetagen mitzumischen?

Nachdem lange Zeit so getan wurde, als sei in Bezug auf die Gleichberechtigung von Frauen alles gesagt und vor allem getan, was in unserem Land zu tun und zu sagen wäre, weht auf einmal eine neu aufgelegte Feminismusdebatte durch die Köpfe. Eigentlich durfte das Wort »Feministin« kaum mehr in den Mund genommen werden, zumindest nicht ohne ein »Ich bin natürlich keine. Wozu auch?« dranzuhängen. Gut, daran hat sich eigentlich nicht viel geändert, wer sagt »Ich bin Feministin«, steht schnell auf einer Stufe mit Menschen, die zugeben: Mein Hobby sind Modelleisenbahnen. Mit solchen möchte man nicht mehr reden, die sind langweilig und vielleicht auch ansteckend, und dann hat man den Mist selber am Hals. Dabei ist »Feminismus« schon der Ausdruck, mit dem »Emanzipation« abgelöst wurde. In den siebziger Jahren waren Frauen Emanzen. Und da muss ich gestehen: Das möchte ich auch nicht sein. Eine Emanze. Vielleicht ist das so, weil ich Autorin bin, mir der Wohlklang von Worten wichtig ist und ich »Emanze« als hässlich empfinde. Vielleicht auch, weil man sich immer von der Generation, die vor einem lebt, abgrenzen muss, um die Welt selber noch einmal ganz neu zu erfinden, und Emanzen waren nun mal die älteren Frauen. »Feminismus« hingegen ist für mich ein schönes Wort, und es wird auch noch hin und wieder benutzt, aber ich werde über jüngere Frauen, die lieber von »Frauenförderung« sprechen, sicher nicht den Stab brechen. Ich bin froh, wenn überhaupt mal wieder öffentlich über Frauen gesprochen wird. Nur das Thema der Gespräche, nämlich die Frauenquote, geht mir persönlich ganz gewaltig auf die Nerven. Die Frauenquote in deutschen Unternehmen, um genau zu sein, ist ein so ungefährliches und unerhebliches Thema, dass sich sogar Frau Merkel dazu äußern konnte. Und die sagt eigentlich nie etwas zu wirklich brisanten Themen.
Aber gut, wenn alle darüber sprechen, tue ich es auch. Vor vielen Jahren wurde ich im Spiegel in einem Artikel über die Berliner Lesebühnen von Henryk M. Broder als »Alibifrau« bezeichnet. Das habe ich als Beleidigung aufgefasst, und sicher war es auch so gemeint. Seitdem taucht dieses Wort immer wieder in Besprechungen und Artikeln auf. Manchmal wird mir dabei eine merkwürdige Art Entwicklung zugeschrieben. Sarah Schmidt, blablabla, die einstige Quotenfrau, mittlerweile Grand Dame der Lesebühne, so in etwa steht es dann da. Und immer liest es sich – zumindest für mich – so, als wäre der Begriff »Lesebühnenautorin« nicht ausreichend. Da braucht es dann immer noch diesen Zusatz. So anerkennend: Hey, die hat sich durchgesetzt in dieser Männerdomäne. Ich denke, auch wenn ich mal gestorben bin, wird dies in Nachrufen, falls es die geben sollte, stehen. Die einstige Alibi-Frau. Bitte erschießt dann alle, die so schreiben.
Doch die aktuellen Debatten drehen sich in der Hauptsache nicht um mich, sondern darum, in Vorständen eine sogenannte kritische Menge zu erreichen, die den Einfluss von Frauen auf Entscheidungen gewährleistet. Eine Frau in der Unternehmungsführung ändert nichts, viele Frauen ändern etwas. Vorausgesetzt, diese Frauen wollen auch alle das Gleiche. So weit, so schön und richtig.
In der vergangenen Woche war die Nachricht, dass Daimler erstmals in der 125jährigen Unternehmensgeschichte eine Frau in den Vorstand berufen hat, den Zeitungen jeweils einen Artikel wert. Damit sind nun fünf Frauen in den Vorständen im Dax notierter Unternehmen tätig. Natürlich sind das wenig, sehr wenig. Bascha Mika vertritt in ihrem aktuellen Buch die These, die Frauen seien selbst schuld daran. Weil sie, kurz zusammengefasst, einfach zu feige seien. Gut ausgebildetete und aufstiegswillige Frauen gibt es genug, daran kann es also nicht liegen. Aber seit wann geht es bei Spitzenpositionen um Eignung und Leistung? Was hier zählt, ist Netzwerk und Klüngel. Von mir aus sind diese Frauen halt zu blöd, um ihre Machtfantasien richtig ausleben zu können. Gibt Schlimmeres, denn auch mächtige Frauen machen die Welt nicht schöner oder besser, dass wissen wir spätestens seit Maggie Thatcher.
Ein Argument für die Quote, das immer wieder genannt wird, ist, dass Firmen mit vielen Frauen in den Führungsetagen mehr Umsatz machen, sich besser »am Markt positionieren« als rein männlich geführte Unternehmen. Frauen sind also wirtschaftlich von Vorteil. So wie auch Shampoo sich besser verkaufen lässt, wenn in der Werbung eine langhaarige Schönheit gezeigt wird. Gesellschaftlich relevant ist das nicht wirklich, oder? Dass für diese alphawilligen Frauen Unterstützung von uns gefordert wird, erscheint mir absurd. Ich will damit nicht belästigt werden.
Wer ganz nach oben will, muss unangenehme Charaktereigenschaften vorweisen: Ignoranz, Egoismus, Gier. Er (oder sie) muss bereit sein, sein Leben ganz dem Leistungsstreben unterzuordnen, auf ein Privatleben weitgehend zu verzichten und moralische Maßstäbe sehr, sehr weit hinten anzustellen. Empathie ist nicht gefragt, außer es geht darum, sich in andere einzufühlen, um diese zu manipulieren. Man muss verdrängen können, über wessen Rücken man bereits gestiegen ist, um weiter voranzukommen. Es ist ein sehr einfaches Bild, das ich hier zeichne, aber Wirtschaft ist, aus der menschlichen Perspektive gesehen, auch nicht eben diffizil gestrickt. Warum sollte dieses Verhalten gesellschaftlich noch mehr gefördert werden als sowieso schon? Ich sehe da überhaupt keinen Grund und bin davon überzeugt, dass sich an der Grundschlechtigkeit durch mehr Frauen überhaupt nichts ändern wird. Es ist nur ein moralisches Deckmäntelchen. Seht her, wir haben sogar Frauen bei uns. Na, dann kann es alles doch nicht so übel sein.
Zwei Aspekte, warum es Frauen vielleicht nicht so zahlreich wie Männer dazu drängt, ein solches Leben zu führen, fehlen in den Diskussionen. Erstens: der Neid. Ich stelle mir mal eben den Smalltalk in einer x-beliebigen Vorstandsetage vor, also das so wichtige Networking. Da stehen sie in ihren Anzügen zusammen und versuchen, sich gegenseitig neidisch zu machen. Neid ist einer der Erfolgsmotoren überhaupt, denn ab einer gewissen Einkommensgrenze geht es um nichts anderes. Man fällt dann praktisch in ein Kindergartengebaren zurück. Damals machte man die anderen mit neuem Spielzeug oder tollen Turnschuhen neidisch, heute zeigen sich diese Männer, was sie – ganz alleine! – so erworben haben. Schau mal, ich habe meiner Frau einen neuen Pelz gekauft. Und sie wollte doch so gerne ein Haus in der Toskana, das bekommt sie zum Hochzeitstag. Und was sollen Frauen dazu sagen? Guckt mal, was ich meinem Mann für einen hübschen Anzug gekauft habe? Das bringt es nicht wirklich, oder?
Und daran schließt gleich der zweite Gedanke an: Wer Erfolg wirklich will, braucht auf lange Sicht jemanden, der ihm (oder ihr) dabei hilft, der den ganzen menschlichen Kram erledigt. In der Regel sind das die Frauen von »Entscheidungsträgern«. Teil dieses Arrangements ist, dass der Erfolgreiche einen Teil seines Einkommen für den Helfer ausgibt. Funktioniert sonst einfach nicht. Die Frauen im Hintergrund wollen – und das vollkommen zu Recht – zumindest genug Geld haben. Nun sind Alphafrauen aber kaum dazu bereit, ihren Mann finanziell zu unterstützen, das erscheint ihnen unattraktiv. Und das fängt nicht erst da an, wo die Luft angeblich so dünn ist, das sieht man auch in der Mittelschicht. Wie viele Frauen leben langfristig mit einem finanziell schlechtergestellten Mann zusammen? In meinem Bekanntenkreis sind es genau zwei. Also in etwa umgerechnet der Prozentsatz, der auch in Aufsichtsräten sitzt. Frauen haben kaum Interesse an ärmeren Männern, und darum fehlt ihnen ein vielleicht entscheidener Baustein zum absoluten Erfolg.