Brutal und beliebt

Am 5. Mai 1968 kam sie in Paris auf die Welt, doch abgesehen vom Geburtsdatum und -ort hat sie nichts mit den Ideen des Pariser Mai gemein. Ihren Namen erhielt sie vom Vater, der als Waisensohn eines bretonischen Fischermeisters aufwuchs, der bei einem Unfall mit einer Seemine im Zweiten Weltkrieg gestorben war. Jean-Marie Le Pen, der Vater von Marine, war schon immer von Schifffahrt, von Handels- und Kriegsmarine fasziniert. Im Januar löste die Tochter ihn als Vorsitzende des rechtsextremen Front National (FN) ab. Ihr Vater hatte die Partei 1972 gegründet.
Ihre Anhänger nennen sie oft »die nationale Marine«. Den Begriff hat die Parteivorsitzende selbst aufgegriffen, als sie in der vergangenen Woche nach »der nationalen Marine Frankreichs« rief, die endlich eingreifen solle. Das klingt amüsant, ihr Anliegen war allerdings überhaupt nicht witzig. Französische Truppen sollten Boote mit Flüchtlingen aus Tunesien oder Libyen an der Ankunft hindern und »in internationale Gewässer«, also auf hohe See, »zurückschicken«. Damit forderte Le Pen nichts anderes, als die Flüchtlinge ertrinken zu lassen. Um die Gefahren der sonst drohenden »Invasion« zu unterstreichen, hält sie sich derzeit in Italien auf. Am Montag traf sie in Rom ein, sie plant auch, auf die Insel Lampedusa zu reisen, also dorthin, wo die Boote aus Nordafrika ankommen.
Ihrer Popularität haben ihre mörderischen Forderungen bislang offenbar nicht geschadet. Am Samstag wurde eine Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstituts Louis Harris veröffentlicht, in der die 42jährige derzeit als bestplatzierte Kandidatin für die in 13 Monaten stattfindende Präsidentschaftswahl firmiert. 23 Prozent der Stimmen könnte die neue Vorsitzende des FN der Umfrage zufolge erreichen. Das sind jeweils zwei Prozent mehr als für den Amtsinhaber Nicolas Sarkozy und die sozialdemokratische Kandidatin Martine Aubry.
Die Umfrage blieb umstritten, auch weil die Teilnehmer mit Geld motiviert worden sein sollen. Beanstandet wurde auch, dass die als dröge geltende Aubry als Konkurrentin geführt wurde und nicht der angeblich charismatische IWF-Direktor Dominique Strauss-Kahn, der ebenfalls erwägt, im kommenden Jahr zu kandidieren. Am Montag wurde die Umfrage wiederholt, mit Le Pen, Strauss-Kahn und Sarkozy als gewichtigste Kandidaten. Marine Le Pen schnitt mit 24 Prozent noch besser ab.