Über den Wahlkampf der NPD in Sachsen-Anhalt 

Der Straßenkehrer will an die Macht

In Sachsen-Anhalt betreibt die NPD ihren Landtagswahlkampf nicht nur auf den Straßen, sondern auch im Internet mit einigem Aufwand. Dass ihre Kandidaten nicht so bürgerlich sind, wie sie sich geben, haben unter anderem die jüngsten Enthüllungen des parteiinternen E-Mail-Verkehrs gezeigt.

54 000 Euro – diese Summe ließen großzügige Spender der NPD in Sachsen-Anhalt für den Landtagswahlkampf bisher zukommen. Zumindest behauptet die Partei das auf ihrer Homepage. Wer eine Fahrt durch die Dörfer des Bundeslands unternimmt, erhält den Eindruck, dass die NPD sich den Wahlkampf tatsächlich einiges kosten lässt. Gerade in den ländlichen ­Regionen vermutet die Partei offensichtlich ihre Wähler. Dort wurden ganze Straßenzüge mit den inhaltlich wenig innovativen Plakaten versehen. Altbekannte Slogans sind auf ihnen zu lesen wie »Wehrt euch!« oder »Deutsche Kinder braucht das Land« und auch Drohungen gegen sogenannte Politbonzen. Programmatisch hat die NPD also nichts Neues zu bieten, um am 20. März in den Landtag einzuziehen. Sie versucht eher, sich durch das massenhafte Verbreiten von Wahlkampfmaterial ins Gespräch zu bringen: Es gibt einen Comic, die »Schulhof-CD«, Flugblätter, Aufkleber und etliches mehr.

Die Verwendung der neuen Medien hat sich die Partei mittlerweile bei ihren Konkurrenten abgeguckt. Bei einem Besuch auf der »Weltnetzseite« kann sich der geneigte Nazi eine schmalzige »Wahlkampfhymne« anhören, in der die »Heimat Sachsen-Anhalt« besungen wird: »Aufrecht streite ich für dich. Du schönes Sachsen-Anhalt lebst für mich.« Die NPD-Kandidaten haben Profile bei Facebook und Twitter. Die Möglichkeiten des Internet scheinen die Kreativität der rechtsextremen Wahlkämpfer besonders angestachelt zu haben. So kann man sich mit einem virtuellen »NPD- Kompass« richtig einnorden lassen und sogar ein Flash-Game spielen: Der Spieler steuert eine Comicfigur, die den Spitzenkandidaten Matthias Heyder darstellen soll und als Straßenkehrer die Vertreter der anderen Parteien aus dem Plenarsaal des Landtags fegt. Der Name des Spiels findet sich auch auf einigen Plakaten und soll wohl als Wahlversprechen und Slogan für die gesamte Kampagne stehen, die in einheitlichem Corporate Design gestaltet wurde: »Heyder räumt auf«.

Wofür Heyder und seine Mannschaft noch stehen, zeigt der offizielle Wahlwerbespot. Begleitet von theatralischer Musik und schwülstiger Provinzromantik stellt die Stimme aus dem Off Sachsen-Anhalt als Land der »Wanderarbeiter« vor und bedauert, dass Menschen »wegen der Arbeit in den Westen Deutschlands fahren« müssen. Frauen mit Kopftüchern sind auch zu sehen, es soll suggeriert werden, dass sie auf keinen Fall ins Dorfbild passen. Kurz vor Ende des Spots treten die Retter von der NPD auf, um zu erzählen, wie gut sie es doch mit den geknechteten und verfolgten Sachsen-Anhaltern meinen. Der Höhepunkt des Filmchens ist eine Szene, in der eine wenig talentierte Laienschauspielerin beherzt zum Mobiltelefon greift, um im schlimmsten Dialekt zu sagen: »Ich komme nach Hause.«

Interessantes Hintergrundwissen zu diesem Video konnte man den parteiinternen E-Mails entnehmen, die kürzlich verschiedenen Zeitungen zugespielt wurden und in denen es unter anderem auch um den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt ging. So forderte beispielsweise die Kandidatin Judith Rothe, dass mindestens drei Kinder im Film zu sehen sein müssten, sonst kaufe man der NPD die Familienfreundlichkeit womöglich nicht ab. Die Suche nach einem adäquaten Darsteller für die Rolle eines Familienvaters verlief anscheinend überaus schwierig. In einer Rundmail von Heyder heißt es, dass man noch dringend einen Darsteller benötige. Von Matthias Gärtner, einem NPD-Stadtrat aus Magdeburg, kam daraufhin allerdings nur die Antwort: »Vorzeigbare Protagonisten mit entsprechendem Alter gibt’s hier leider nicht.«

Gärtner, der sich in der Öffentlichkeit für gewöhnlich als harmloser Biedermann darzustellen versucht, bewies in einer anderen Mail, dass er auch den Nazi-Jargon beherrscht. In der Diskussion um die Gestaltung einer Postkarte, die mit dem Slogan »Kein deutsches Kind darf hungern« für ein kostenloses Schulessen werben sollte, schrieb er, dass er den Spruch unzeitgemäß finde und man nicht gleich das »Fettfüttern von Bimbos« mit »deutschen Steuergeldern« fordere, wenn man die Einschränkung auf »deutsche« Kinder weglasse. Doch Heyder sah das anders: »Also immer schön arisieren, die Karte. Sonst wird’s wirklich unglaubwürdig – wenn wir für Negerkinder belegte Brote fordern.«

Die NPD versucht jedoch im Wahlkampf weiterhin, sich bieder zu geben. Von einem solchen Auftreten hatten die Kameraden in Sachsen pro­fitiert und waren 2004 in den dortigen Landtag gelangt. In der vorigen Woche wollte Heyder eine Gelegenheit nutzen, sich öffentlich als bodenständigen Vertreter des »kleinen Mannes« in Szene zu setzen. Zu einer Podiumsdiskussion der Magdeburger Volksstimme und des MDR waren zunächst nur Vertreter der bürgerlichen Parteien eingeladen worden. Vor der Veranstaltung hatte die NPD versucht, eine Teilnahme einzuklagen. Sie scheiterte nach Informationen des MDR jedoch an der Entscheidung des sächsischen Oberverwaltungsgerichts, das zehn Minuten vor Beginn der Diskussion sein Urteil verkündete. Der bereits anwesende Heyder stand neben den Vertretern der anderen Parteien auf der Bühne und wurde dann vom Veranstalter mit dem Verweis auf das Hausrecht aufgefordert zu gehen. Heyders Gefolgschaft sprang sofort auf und pöbelte herum. Schließlich wurden die unliebsamen Gäste unter lauten »Nazis raus«-Rufen an die frische Luft befördert.

Dieser Vorfall dürfte die NPD jedoch nicht in ihrem Eifer bremsen. Sie hat die Hoffnung, an den Erfolg der DVU bei der sachsen-anhaltischen Landtagswahl von 1998 anzuknüpfen. Damals gewann die DVU knapp 13 Prozent der Stimmen. In aktuellen Umfragen ist die NPD allerdings weit entfernt von diesem Ziel. Eher stellt sich die Frage, ob die Partei überhaupt ins Parlament einziehen wird. Nur in einer Umfrage des Emnid-Instituts kommt die NPD derzeit auf die dafür notwendigen fünf Prozent.