Titel schaffen Autorität

Der Titel, der Titel, der Preis, der Preis und der Absturz eines Adligen

Dr. Oetker, Dr. Sommer, Dr. Motte, Dr. Seltsam, Dr. Helmut Kohl – was ­wären wir Herrschaften ohne unsere Titel.

Vieles hängt vom Titel ab. Kann bei Zeitungs­artikeln, Filmen, Büchern, Schallplatten Fertiggerichten das, was groß daraufsteht, spontan überzeugen, kommen sie in den Warenkorb. Werden gelesen, bezahlt, aufgetaut und wegkonsumiert. Mitunter sogar ohne Blick aufs Kleingedruckte. Das gilt erst recht für Titel, die es bis in den Personalausweis geschafft haben. Die sorgen für natürliche Autorität.
Einen Grafen darf man nicht bestrafen. Selbst wenn dessen Vorfahren das Schloss, den Wald und die alten Weine versoffen haben, beim durchschnittlichen deutschen Untertan hat er erst einmal Kredit – an der Theke und bei der Polizeikontrolle sowieso.
Doktoren genießen noch größere Hochachtung. Haben sie doch mühevollste Kleinarbeit geleistet. Bis in die Nachtstunden hinein. Sind Experten bei Themen, die außerhalb des Büros ihres wissenschaftlichen Betreuers vulgo Doktorvaters nahezu unbekannt sind. Und wer will sich auch ernsthaft damit befassen? Zum Beispiel mit Fragen über »Das Parteienrecht und die politischen Jugendorganisationen«? Nein, einen Bestseller hat Dr. Guido Westerwelle damit gewiß nicht geschrieben. Sein bis vor kurzem größter Konkurrent an Dr. Merkels Kabinettstisch dagegen konnte sogar die erste Auflage seines Montagemachwerks ver­ticken. Und das trotz des spröden Titels: »Verfassung und Verfassungsvertrag: Konstituti­onelle Entwicklungsstufen in den USA und der EU«.
Als ich promoviert habe, träumte ich von Stapelwarenstatus in Bahnhofsbuchhandlungen. Meine Beschäftigung mit Hugo Ball und der literarischen Bühne hatte Potential – finde ich. Trotzdem warte ich noch immer auf die Antworten einschlägiger Publikumsverlage.
Dissertationen haben es nicht leicht auf dem Buchmarkt. Selbst das vielversprechend wirkende Werk »Der Hausfriedensbruch im Licht aktu­eller Probleme« von Dr. Edmund Stoiber ist längst vergriffen.
Obzwar oftmals gleich als Paperback publiziert, haben diese Arbeiten ihren Preis. Wer 80 Euro oder mehr dafür berappt, will auch was geboten bekommen. Dr. a.D. zu Guttenberg versuchte es mit einer beeindruckenden Vielstimmigkeit. Sein Amtsnachfolger Dr. Thomas de Maizière wartet im Untertitel seiner Doktorarbeit mit einer »rechtlichen Würdigung eines verborgenen Vorgehens« auf. Sein Werk wird jetzt gewiss neue Leserinnen und Leser gewinnen. Und das nicht, weil es sich um die »Praxis der informellen Verfahren beim Bundeskartellamt« dreht. Hier interessiert allein der Titel vor dem Namen des Verfassers.
Eine Promotion ist nicht nur für die Käufer teuer. Summa-cum-laude-Absolventen kriegen einen Druckkostenzuschuss. Alle anderen müssen Summen aufbringen, die dem Preis eines Kleinwagens nahekommen. Dafür wird man dann Milde im Straßenverkehr erwarten können. Ein mir bekannter Geschichtsprofessor durfte trotz Trunkenheit am Steuer nicht bloß seinen Titel, sondern auch den Führerschein behalten. Die kontrollierenden Beamten redeten einen Notfall herbei. »Fahren Sie mal, Herr Doktor, Ihr Patient wartet sicher schon!«
Die Promotion von Saif al-Islam Al Gaddafi soll sogar 350 000 Euro gekostet haben – vor ihrer Drucklegung. Sie heißt: »The Role of Civil Society in the Democratisation of Global Governance Institutions«. Erstaunlich, dass ihm sein Vater Muammar nicht geholfen hat, einen spritzigeren Titel zu finden. Der nicht in allen Lebenslagen stilsichere Despot nannte eins seiner Bücher schlicht und ergreifend: »Das Dorf, das Dorf, die Erde, die Erde und der Selbstmord des Astronauten«. Der Mann ist ja zwar vieles, etwa »Revolutionsführer«, »Oberst« und »König der Könige«. Promoviert aber ist er nicht.