Die chinesische Regierung verschärft die Kontrolle der Medien

Die Revolution ist kein Spaziergang

In China haben die Aufrufe zu einer ­»Jasmin-Revolution« nach tunesischem Vorbild bisher keine Massenproteste ­hervorgebracht. Doch die Regierung verschärft die Kontrolle der Medien.

Die staatlichen Medien feiern die gelungene Rettungsaktion. Mit der größten Luftbrücke in der Geschichte der Volksrepublik wurden 35 000 Ingenieure und Wanderarbeiter aus Libyen zurück nach China gebracht. Wie bereits während der Revolte der Rothemden in Thailand im Jahr 2009 zeigen die chinesischen Medien gerne Bilder vom »Chaos« im Ausland, um den Segen der »Stabilität« im eigenen Land hervorzuheben.
Damit niemand diese »Stabilität« gefährden kann, reagierte die Regierung auf die im Internet verbreiteten Aufrufe zu »Jasmin-Spaziergängen« in chinesischen Städten mit der Entsendung eines großen Polizeiaufgebots und Verhaftungen. In einem offenen Brief an den Volkskongress begründeten anonyme Dissidenten den Aufruf mit der sozialen Spaltung der Gesellschaft. Sie fordern Arbeit, bezahlbare Wohnungen, medizinische Versorgung sowie Lebensmittel. Von der Privatisierung des Staatseigentums und dem Wirtschaftsaufschwung profitiere nur eine korrupte Oberschicht, die Bevölkerung wolle nicht ewig auf die Teilhabe am Wohlstand warten. Einen Sturz des Einparteienregimes fordern die Dissidenten nicht, sie verlangen aber von der Regierung, gegen Korruption effektiv vorzugehen und die Kontrolle »von unten« zu akzeptieren.

Wie auch bei anderen Protesten haben die Kader den Auftrag, Unruhen im Keim zu ersticken. Neben der Wirtschaftsentwicklung gilt die Sicherung der »Stabilität« als wichtigstes Kriterium bei der staatlichen Evaluierung ihrer Leistungen. Kommt es zu Massenprotesten, so droht dem verantwortlichen Funktionär die sofortige Absetzung. Auch die »Führung« der Medien durch die Partei ist in den vergangenen Wochen strenger gehandhabt worden. Hinsichtlich der Unruhen im Nahen Osten dürfen nur Meldungen der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua übernommen werden. Privatpersonen ist es verboten, Satellitenschüsseln zu installieren, eine alternative Informationsquelle wie der Fernsehsender al-Jazeera fehlt. Der Staatsrat warnte kürzlich, dass die Nutzung des Internet für die »Verbreitung von Gerüchten« oder Aufrufen zur »Störung der öffentlichen Ordnung« bestraft werde.
Dass die Aufrufe zur »Jasmin-Revolution« in China wenig Wirkung zeigen, liegt aber nicht nur an der Repression. Im Unterschied zu den Gerontokratien im Nahen Osten hat die KPCh die personelle Erneuerung institutionalisiert. Nach zwei Amtsperioden sollen im Jahr 2012 Generalsekretär Hu Jintao und Premierminister Wen Jiabao abgelöst werden.

Überdies hält sich die KPCh an Maos Grundsatz »Die Partei kommandiert die Gewehre«. Die Volksbefreiungsarmee steht unter dem Oberbefehl der Militärkommission des Zentralkomitees und wird überdies von Politkommissaren kontrolliert. Es ist in den vergangenen zehn Jahren gelungen, das Wirtschaftsimperium des Militärs aufzulösen. Auch in den schwersten Krisen der Jahre 1968 und 1989 hielt die Armee der Partei die Treue und ließ sich gegen die Bevölkerung einsetzen. Dass sich Offiziere gegen die Regierung wenden, erscheint äußerst unwahrscheinlich.
Das Wirtschaftswachstum hat den Lebensstandard großer Teile der Bevölkerung verbessert. Die KPCh hat besonders die städtischen Mittelschichten und Akademiker mit Privilegien ausgestattet. An Korruption und Unterschlagung bereichern sich nicht nur hohe Kader, sondern auch Ärzte, Professoren, Richter und kleine Beamte. Überdies haben lokale Regierungen vor allem in der Wirtschaftspolitik große Entscheidungsspielräume. Unmut und Proteste richten sich daher in erster Linie gegen die Funktionäre in den Provinzen. Die Zentralregierung kann dann die Rolle des großzügigen Schiedsrichters spielen, der die Konflikte beilegt und lokalen Kadern die Schuld zuschiebt. Derzeit müssen die Machthaber nicht befürchten, dass die »tunesische Welle« sie erreicht.