Über die Ermordung eines pakistanischen Ministers

Verletzte Gefühle

In Pakistan wurde der letzte prominente Politiker ermordet, der sich gegen das Blasphemiegesetz ausgesprochen hatte.

Die »tunesische Welle« hat sogar in China Sympathisanten gefunden, doch leider hat sie auf dem Weg ein Land ausgespart, das sie besonders nötig gehabt hätte. Während anderswo für Freiheit und Demokratie gekämpft wird, wurde in Pakistan am Mittwoch vergangener Woche Shahbaz Bhatti, der Minister für religiöse Minderheiten, erschossen. Zu dem Anschlag bekannte sich die Tehrik-i-Taliban Pakistan. Bhatti war der einzige Christ im pakistanischen Kabinett, seit der Ermordung Salmaan Taseers, des Gouverneurs der Provinz Punjab (Jungle World, 3/11), hatte er es als einziger prominenter Politiker noch gewagt, das Blasphemiegesetz zu kritisieren. Dieses Gesetz untersagt die »Verletzung religiöser Gefühle«, die »Schändung« des Koran und die Beleidigung des Propheten Mohammed, für solche Vergehen kann die Todesstrafe verhängt werden. Hinrichtungen wurden nie vollzogen, es gab jedoch Dutzende Lynchmorde. Das Blasphemiegesetz ist eine ständige Bedrohung für die Angehörigen religiöser Minderheiten, schließlich kann ein sensibler Muslim bereits die Aussage, dass der Islam nicht die einzig wahre Religion sei, als »Beleidigung des Propheten« werten. Doch das Gesetz wird auch gegen Muslime angewendet.
Im Januar wurden Mohammed Shafi und sein Sohn zu lebenslanger Haft verurteilt, weil sie ein Plakat, auf dem Koranverse standen, heruntergerissen und darauf herumgetrampelt haben sollen. Shafi ist Imam, erst kurz vor der Tat war er von der Pilgerfahrt nach Mekka zurückgekehrt. Das Plakat hatte ihn offenbar verärgert, weil es für eine Veranstaltung einer konkurrierenden islamischen Bruderschaft warb, deren Anhänger ihn prompt verklagten.
Dass persönliche Intrigen unter Berufung auf das Blasphemiegesetz ausgetragen werden, nehmen dessen Befürworter in Kauf. Denn das Gesetz erfüllt einen wichtigen Zweck, es schüchtert Dissidenten ein und definiert den Rahmen der politischen Debatte in einem Land, das wie der Iran den Titel »Islamische Republik« führt. Nicht zuletzt die Kritik am Blasphemiegesetz gilt als Blasphemie, jeder Versuch, es aufzuheben oder auch nur geringfügig einzuschränken, führt zu Protesten und oft auch zu Gewalttaten.
Der »Druck der Straße« ist in Pakistan der Druck einer extremistischen Minderheit. Bei den Wahlen gewinnen islamistische Parteien kaum mehr als zehn Prozent der Stimmen, doch sie haben einflussreiche Verbündete. Reaktionäre Geistliche und Politiker unterstützen viele ihrer Forderungen, der Mörder Taseers wurde nach seiner Festnahme bejubelt und mit Blumen beworfen. Vor allem aber bedienen sich Militärführung und zivile Oligarchie islamistischer Terrorgruppen, um innen- und außenpolitische Ziele zu verfolgen. Obwohl angesichts zahlreicher Anschläge auf staat­liche Einrichtungen und Personal der Regierung nun auch im Establishment Zweifel an dieser Po­litik aufkommen, genießen die Jihadisten weiterhin Protektion. Dass die Mörder Bhattis gefasst werden, ist unwahrscheinlich.
Auch in Pakistan gab es Proteste gegen die autoritären Verhältnisse, sie trugen in den Jahren 2007 und 2008 maßgeblich zum Ende der offenen Militärherrschaft unter Pervez Musharraf bei. Doch es blieb bei dem, was westliche Politiker wohl einen »geordneten Übergang« nennen würden. Die Oligarchie kontrolliert das Parteiensystem, verhindert mit repressiven Gesetzen eine offene Diskussion über den politischen Islam und duldet den jihadistischen Terror gegen jene, die es noch wagen, für eine gesellschaftliche Demokratisierung zu kämpfen.