Westerwelle nach den Wahlen

Ein Herz für Kinder

Die Landtagswahlen waren für die FDP ein Debakel. Nur ihr Vorsitzender Guido Westerwelle hat das noch nicht verstanden.

Nein, reden wollte Guido Westerwelle lieber nicht. Schließlich hatte er ja, schon bevor die Ausmaße des Wahldebakels für die FDP in den Nachrichten bekanntgegeben und in den Talkshows debattiert wurden, eine SMS geschrieben, in der er mitteilte, dass er sich nicht mit Rücktrittsgedanken quäle. Dann stellte er sich noch einmal vor die Vertreter der Presse und sagte: »Wir haben verstanden.« Diese Formulierung wiederholte er mit der ihm eigenen Mischung aus Trotz und staatsmännischem Gestus. Was wer nun wie verstanden hat, wusste der Vizekanzler wohl auch nicht so genau. In solchen Momenten verhält er sich wie der pubertierende Schüler, der begriffen hat, wenn es unangenehm wird, und, dafür sind die »W-Fragen« ein untrügliches Indiz, wiederholt das eben Gesagte einfach mit möglichst unbeteiligt wirkender Miene. Eine SMS und eine Floskel – man muss es Westerwelle lassen, auch in schwierigen Situationen kann er sich auf seine geradezu kindlich anmutenden Bewältigungsstrategien verlassen.
In der Fernsehtalkshow »Beckmann« sagte der ehemalige FDP-Innenminister Gerhart Baum, angesichts der katastrophalen Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz sei es nun höchste Zeit, dass in der Partei endlich die Jüngeren das Kommando übernähmen. Gemeint waren damit Christian Lindner, Daniel Bahr und Philipp Rösler. Das Problem ist nur: Im direkten Vergleich mit ihrem Parteivorsitzenden wirkt die junge Riege der FDP alt. Niemand kann überzeugender den Eindruck ewiger Jugend vermitteln als Guido Westerwelle. Die Zeiten, als er das »Guidomobil« erfunden hat, zusammen mit den Bewohnern des Big-Brother-Containers kichernd auf dem Sofa abhing oder unaufgefordert jedem Kameraobjektiv seine Füße entgegenstreckte, weil er in Schönschrift »18 Prozent« auf die Sohlen seiner Schuhe geschrieben hatte, scheinen noch nicht allzu lange her zu sein. Und dass dieser Eindruck entsteht, ist vor allem der Eloquenz geschuldet, mit der Westerwelle Jugendlichkeit suggeriert.
Unvergessen sind die Bilder von Westerwelles ersten Reisen als Außenminister. Da stand er in Polen und Frankreich in prunkvollen Sälen, blickte mit glänzenden Augen auf Stuckverzierungen und sagte immer wieder, wie schön es doch sei, in so schönen Räumlichkeiten sein zu dürfen. Viel mehr sagte er nicht. Wollte er vielleicht nur Außenminister werden, weil der Posten ein glamouröses Image hat und beste Möglichkeiten zum Sightseeing bietet? Die Rolle des ewig 18jährigen liegt Westerwelle, auf Parteitagen bejubelten ihn die Mitglieder, wie es sonst nur die Teenager mit den Popstars tun.
Der staatsmännische Gestus, um den Westerwelle sich bemüht, seit er Vizekanzler und Außenminister ist, will ihm jedoch einfach nicht gelingen. Versuche in dieser Richtung führen regelmäßig zu katastrophalen Resultaten. Beispielsweise zu grotesken Formulierungen über »spätrömische Dekadenz« auf Hartz-IV-Niveau oder der Entscheidung, mit der Enthaltung bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat einen deutschen Sonderweg einzuschlagen.
Guido Westerwelle braucht einen Ort, an dem er ungestört und ohne größeren Schaden anzurichten den Berufsjugendlichen mimen kann. Deswegen sollte er Parteivorsitzender bleiben, wenigstens so lange, bis er ins Dschungelcamp eingeladen wird oder die FDP endgültig ruiniert hat.