Ich bin dann mal weg

Nein, Masataka Shimizu hat weder Selbstmord verübt noch ist er ins Ausland geflohen, er ist nur aus lauter Überarbeitung »vorübergehend ein wenig krank«. Das ließ das Unternehmen Tepco verlauten, das das havarierte Atomkraftwerk Fukushima I betreibt. Am 13. März, also zwei Tage nachdem die Nuklear-Katastrophe bekannt geworden war, hatte der Vorstandsvorsitzende des Energie-Unternehmens noch zur Presse gesprochen. Seither hat der Spitzenmanager, der einst die Kommunikationsabteilung des Konzerns leitete, öffentlich nichts mehr kommuniziert. Warum sich der Mann die Chance auf weltweiten Ruhm entgehen lässt? Immerhin dürfte er im Namen Tepcos vor internationalem Publikum viele beachtenswerte, geradezu magische Tatsachen verbreiten: etwa über Plutoniumfunde, die »nicht gesundheitsschädlich« sind. Oder über das Wunder einer »vorübergehenden Kernschmelze«. Warum nur wurde der Mann angesichts dieser ehrenwerten Aufgabe »vorübergehend krank«?
Vielleicht ist ihm bewusst, dass all die schönen Sätze für ihn wenig karrierefördernd wären. Shimizu rückte 2008 bei Tepco zum Vorstandsvorsitzenden auf, weil seine bisherigen Vorgesetzten nach etlichen Vertuschungsfällen ihre Posten räumen mussten. Nachdem das Tepco-Management jahrelang Unfälle verschwiegen und Sicherheitsberichte gefälscht hatte, trat er an, um für Sicherheit zu sorgen. Oder um zumindest »verlorenes Vertrauen wiederherzustellen«, wie man derartige Tätigkeiten branchenüblich nennt. Immerhin wollte er sicherstellen, dass die Reaktoren besser vor Natur­katastrophen geschützt werden. Seine Karriere verdankt der Mann, der bereits seit 23 Jahren für Tepco arbeitet, allerdings eher seinem Ruf, ein konsequenter Sparer zu sein. Stolz verkündete er einst, der Konzern habe es geschafft, die Inspektionskosten für die Kraftwerke zu senken, und das schlicht, indem die Inspektionen seltener angesetzt würden. Dass dem noch amtierenden Vorstandsvorsitzenden derzeit der Rücktritt nahegelegt wird, hat jedoch andere Gründe: Der Kurs von Tepco fiel im Handelsverlauf am Montag um 17,7 Prozent. Durch die Katastrophe hat sich der Börsenwert Tepcos um 26 Milliarden US-Dollar verringert. Doch abgesehen vom nuklearen und wirtschaftlichen Desaster, dass Shimizu zu verantworten hat, muss man dem 66jährigen immerhin eines lassen: Er redet nicht um den heißen Brei herum, der sich aus Fukushimas Reaktorblöcken gerade gen Grundwasser fressen dürfte.