Subbotnik für den Wettbewerb

Der »Pakt für den Euro Plus« trage eine »deutsche Handschrift«, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Damit wollte sie wohl nicht nur auf ihre persönliche Unterschrift hinweisen. Bei den EU-Gipfeltreffen zur Finanz- und Wirtschaftspolitk, deren bislang letztes am Freitag voriger Woche stattfand, hat Merkel die Vorstellungen ihrer Regierung weitgehend durchgesetzt. Ob der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM), der verschuldete Staaten vor dem Bankrott bewahren soll, wirklich funktioniert, ist fraglich. Die Experten der Großbanken äußern Zweifel, obwohl sie einmal mehr sehr schonend behandelt werden. Eine Mithaftung privater Gläubiger ist nämlich nur für Kredite vorgesehen, die nach dem Sommer 2013 vergeben werden. Griechenland aber werde seine Schulden wohl nicht bezahlen können, meint Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. »Deshalb ist eine Umstrukturierung der Altschuld in der näheren Zukunft nötig, wenn nicht die ganze Last den Steuerzahlern in Euroland aufgebürdet werden soll.« Offenbar sind sogar die Banker bereit, Verluste hinzunehmen, um einen finanziellen Zusammenbruch zu vermeiden, doch Merkel will davon nichts wissen. Plansoll übererfüllt, hätte man in der DDR gesagt. Dort wurden die Löhne vom Staat festgelegt. Es war eben nicht alles schlecht damals, mag sich Merkel gesagt haben, als die »Überprüfung der Lohnbildungsregelungen« beschlossen wurde. Im freien Westen geschieht das »unter gleichzeitiger Wahrung der Autonomie der Sozialpartner bei den Tarifverhandlungen«. Was das in der Praxis heißen soll, wissen die EU-Politiker wohl selbst noch nicht, denn ohne den Bruch diverser Gesetze und Verfassungsnormen wird eine »Überprüfung der Lohnbildungsregelungen« kaum möglich sein.
In London demonstrierten am Samstag etwa 500 000 Menschen gegen die Sparmaßnahmen, in Portugal musste vorige Woche Ministerpräsident José Sócrates zurücktreten, weil die Mehrheit der Abgeordneten seine Sparpläne ablehnte. Sócrates war von der EU zu Sparmaßnahmen verpflichtet worden, in Zukunft sollen die Regierungschefs im Europäischen Rat eine freiwillige Selbstverpflichtung ablegen. Ob die Idee zu einem Euro-Subotnik auf Merkels FDJ-Vergangenheit zurückgeht, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass sie mit der bürgerlichen Demokratie nicht harmoniert. Da eine Abschaffung der Parlamente vorerst nicht geplant ist, bleiben nur finanzielle Drohungen als Druckmittel. Doch das portugiesische Parlament ließ sich davon nicht beeindrucken. Somit hat die EU zwar beschlossen, dass die Lohnabhängigen einer Steigerung der »Wettbewerbsfähigkeit« dienen sollen. Dass solche Forderungen unerwünschte Reaktionen auslösen können, erwies sich jedoch bereits in der DDR, wo die Parole 1953 »Entfaltet den Massenwettbewerb für die Steigerung der Arbeitsproduktivität« lautete.