Allein gegen die Armee

Er hatte es geahnt: »Ich bin in Gefahr«, sagte Maikel Nabil Sanad in einem Interview, kurz nachdem die Revolutionäre in Ägypten Hosni Mubarak gestürzt hatten und die Armee die Macht übernahm. Am frühen Dienstagmorgen voriger Woche stürmte die Militärpolizei Sanads Wohnung und verhaftete den 25jährigen. Ihm wird vorgeworfen, er habe in einem Beitrag auf seinem Blog die Armee beleidigt. Nun steht Sanad vor einem Militärgericht, ihm drohen bis zu drei Jahre Haft.
Das Verhältnis zwischen der Armee und Sanad war noch nie gut: Sanad, der schon unter Mubarak viele Jahre politisch aktiv war, ist Ägyptens einziger Kriegsdienstverweigerer. Er tritt für eine Aussöhnung mit Israel ein und ist einer der wenigen, die es wagen, die ägyptische Armee offen zu kritisieren. In Ägypten ist das ungewöhnlich: Die Armee hat in der Bevölkerung von jeher großen Rückhalt und einen guten Ruf. Was kein Zufall ist, glaubt man Sanads Analysen. Er nimmt an, dass sie über ihr Department für psychologische Kriegsführung gezielt daran arbeite, ihre Reputation zu erhalten und kritische Stimmen im Keim zu ersticken. Selbst nach der Revolution ist Kritik an der Armee in Ägypten noch immer ein Tabu, Zeitungen schreiben nicht oder nur in ihren englischen Ausgaben darüber oder löschen Artikel, wie Sanad nachweist, nach wenigen Tagen wieder aus dem Archiv.
Sanad ist in Assiut geboren und hat dort studiert. Seit er 2009 sein Studium der Veterinärmedizin abgeschlossen hat, wohnt er in Kairo. Schon 2005 begann er, in verschiedenen oppositionellen Parteien mitzuarbeiten, und organisierte Jugend- und Vernetzungstreffen. 2006 schrieb er seinen ersten Blog-Eintrag, mittlerweile sind es über 1 000. Sein wichtigstes politisches Thema wurde die Armee. Im April 2009 gründete er die Kampagne »Nein zum verpflichtenden Wehrdienst«, wenige Monate später begann er den Kampf gegen die eigene Einberufung. Der bescherte ihm mehrere Verhaftungen und dauerte bis zum November 2010: Dann wurde Sanad offiziell vom Wehrdienst befreit, aus medizinischen Gründen. Den Erfolg scheint ihm die Armee erst recht übelgenommen zu haben: Während der Revolution, an der er von Beginn an beteiligt war, nahm sie ihn für zwei Tage fest und folterte ihn. Anders als viele in Ägypten hat Sanad auch nie geglaubt, dass die Armee hinter der Revolution stand: »Wir sind den Diktator losgeworden, aber nicht die Diktatur.«