Das Autonome Zentrum in Köln wird doch nicht geräumt

Eine Bank für Besetzer

In Köln sollte das Autonome Zentrum geräumt werden. Die Sparkasse, der das Gebäude gehört, fand keinen Investor und verhandelte plötzlich doch noch mit den Besetzern.

Die Besetzung des »Autonomen Zentrums« (AZ) in Köln endet, wie sie begonnen hat – mit einem Plenum. Am Freitagabend gegen halb zehn versammeln sich die Besetzer noch einmal im Hof des alten Kantinengebäudes in Köln-Kalk. Gerade sind die Security-Leute, die das Haus bewacht hatten, mit Sprechchören verabschiedet worden: »Kein Tag ohne autonomes Zentrum!« Kurz darauf wird der vorläufige Mietvertrag vorgelesen: Bis Ende September dürfen die ehemaligen Besetzer das Gebäude mietfrei nutzen, nur für Reparaturen und Nebenkosten müssen sie aufkommen. »Wir haben ein AZ. Geile Scheiße«, jubelt eine Aktivistin. Spätestens da ist allen klar, dass sie gewonnen haben.
Dabei hätte alles ganz anders kommen können. Im April 2010 war die ehemalige Werkskantine des Maschinenbauunternehmens Klöckner-Humboldt-Deutz von der Gruppe »Pyranha« besetzt worden. Die Sparkasse Köln-Bonn, der das Gebäude gehört, reagierte mit einer Strafanzeige, drohte mit der Räumung und drehte im Sommer Wasser und Strom ab. Mit Besetzern werde nicht verhandelt, lautete die offizielle Linie. Anfang voriger Woche eskalierte die Situation, als bekannt wurde, dass das AZ bis zum 31. März geräumt werden solle. Das Datum war ein Stichtag für die Sparkasse. Nach einer Entscheidung der EU-Kommission muss sie Teile ihres Gebäudebesitzes, darunter die besetzte Kantine, veräußern. Vor der Besetzung hatte das Gebäude zehn Jahre leergestanden. Die Sparkasse sprach zwar von »einer Handvoll Interessenten«, nur einen Investor samt Plänen konnte sie nicht präsentieren. So bleibt eigentlich nur die Stadt Köln als Käufer übrig.

Dem Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) stünde dann ein Streit mit dem grünen Koalitionspartner bevor. Grüne und Linkspartei hatten sich immer für ein Kulturzentrum ausgesprochen und erhielten in der letzten Märzwoche ungewohnte Unterstützung. Der Polizeipräsident Klaus Steffenhagen warnte Roters in einem persönlichen Brief vor einer Eskalation und bat ihn um eine politische Lösung. Roters antwortete mit einer Presseerklärung barsch: »Die Polizei will offenbar die Verantwortung abschieben.«
Die Polizei an Ort und Stelle machte Dienst nach Vorschrift. Am Dienstag bemängelte man, dass eine Barrikade eine Feuerwehreinfahrt blockierte, ab Mittwochnachmittag durfte niemand mehr auf das Gelände. Trotzdem war kein Räumfahrzeug zu sehen. Donnerstag früh war das AZ schließlich umstellt. Nicht nur von einigen Hundertschaften der Polizei, sondern auch von gut 100 Unterstützern, die auf der Straße campiert hatten. Nur die Räumung blieb aus. Stattdessen meldete sich die Sparkasse: Man wolle verhandeln, falls die Besetzer freiwillig das Gebäude verließen. Es folgte Plenum auf Plenum und immer neue Vermittlungsversuche von Ratsmitgliedern der Grünen und der Linkspartei. Um 12.22 Uhr trafen ein Wasserwerfer und zwei Räumpanzer ein, gleichzeitig kam ein weiteres Angebot. Ein Plenum später war klar: Am Nachmittag wird verhandelt.
So endet die Besetzung mit der »kölschen Lösung«, bei der es nur Gewinner gibt. Köln hat zum ersten Mal seit den neunziger Jahren wieder ein AZ. Die Sparkasse durfte über die bürgerliche Eigentumsordnung wachen, Grüne und Linkspartei konnten Basisnähe demonstrieren. Nur für Roters ist die Rechnung nicht aufgegangen. Nicht nur hat sich sein Koalitionspartner durchgesetzt, auch Gesprächen mit den Neumietern des AZ wird er sich nicht mehr entziehen können.

Die Stimmung in der Stadt ist auf der Seite der ehemaligen Besetzer. Zwar fabulierte das Boulevardblatt Express Kosten von 500 000 Euro für den Polizeieinsatz herbei und sorgte damit im Internet für wütende Kommentare, aber als am Samstag 400 Demonstranten über die Kalker Hauptstraße zogen, applaudierten die Anwohner. Und auch der Bezirksbürgermeister Markus Thiele (SPD) meinte: »Die Gruppe ›Pyranha‹, die sind okay.« Viel Lob im Voraus für die Besetzer, die mit Workshops, Atelierplätzen und Nachbarschaftscafés den Stadtteil prägen wollen, dabei aber nicht verhindern können, dass ihre bloße Anwesenheit den alten Arbeiterstadtteil Kalk für Studierende und Künstler attraktiver macht.