Zur Debatte über die Frauenquote

Frauen führen inspirierter

In Deutschland wird über die Einführung einer Frauenquote debattiert. Nun trafen sich Vertreter aus Politik und Wirtschaft zum sogenannten Quotengipfel.

Ein historischer Tag sollte es werden. Familienministerin Kristina Schröder (CDU), Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU), Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hatten am 30. März zu einem Treffen geladen. Mit Vertretern der 30 Dax-Unternehmen diskutierten sie die Einführung einer Frauenquote für Aufsichtsräte und Vorstände.
Schon im Dezember hatten die Grünen einen Gesetzentwurf zur Quote vorgelegt. Seither ist wenig passiert. An der damaligen Debatte hatte die zuständige Ministerin Kristina Schröder nicht teilgenommen, sie war gegen eine Frauenquote. Inzwischen scheint sie ihre Meinung geändert zu haben – mit der »Flexiquote« stand nun ein Vorschlag Schröders zur Debatte. Der werbeaffine Name sagt alles: Die »Flexiquote« ist ein derart flexibles Modell, dass sie den Unternehmen kaum eine anstrengung abverlangt. In mehreren Stufen sollen sie ihren Frauenanteil erhöhen. Der erste Schritt betrifft die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Frauen in Führungspositionen. Zwecks Veränderung des Frauenanteils soll sich bis 2013 der Prozentsatz von Frauen in Vorständen und Aufsichtsräten verdreifachen. Diese Zielvorgabe ist bescheiden, es geht um ganze neun Prozent, derzeit sitzen 3,2 Prozent Frauen in den Vorständen. Nicht viel besser sieht es in den Aufsichtsräten aus. Einer Studie der Europäischen Kommission zufolge sind dort 13 Prozent Frauen vertreten – in Norwegen sind es 42, in Schweden 27 und in Bulgarien 17 Prozent.

Der nächste Schritt des Schröder-Modells setzt spät ein. Am noch festzulegenden Stichtag, irgendwann im Jahr 2013, müssen sich diejenigen Unternehmen, deren Frauenanteil unter 30 Prozent liegt, selbst eine Quote setzen. »Durch die Flexiquote tritt an die Stelle der bisherigen freiwilligen Selbstverpflichtungen eine gesetzliche Pflicht zur Selbstverpflichtung«, kommentiert das Familienministerium die eigene gewagte Zielsetzung. Welche Sanktionen Unternehmen drohen, die die Quote nicht erfüllen, blieb ebenso offen wie der Stichtag, an dem die Erfolge überprüft werden sollen. Selbstverpflichtungen wie die freiwillige »Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Privatwirtschaft« gibt es seit 2001 – als der damalige Kanzler Gerhard Schröder das Gleichstellungsgesetz verhinderte. Große Erfolge haben sie bisher nicht verzeichnet, als einziges Unternehmen hat sich die Deutsche Telekom im vorigen Jahr eine 30-Prozent-Quote auferlegt.
Obwohl die Unternehmensvertreter Mitte voriger Woche sogar die vorsichtige Vorgabe der Ministerin ablehnten, verkündete ihr Ministerium einen Erfolg: »Der von Kristina Schröder vorgestellte Stufenplan wird von den Unternehmen aufgegriffen und unterstützt.« Das stimmt nicht ganz – weder die beteiligten Wirtschaftsvertreter noch Schröders Kabinettskollegen stehen wirklich hinter ihr. Ursula von der Leyen hatte mit einer Quote von 30 Prozent weitaus mehr gefordert. Brüderle und Leutheusser-Schnarrenberger lehnten jede Vorgabe ab. Dass sie gegen die Wirtschaft mehr benötigt als eine Bitte um Verständnis, schien Schröder erst im Nachhinein bemerkt zu haben. »Die Wirtschaft muss meinem Stufenplan nicht zustimmen«, sagte sie im Gespräch mit Spiegel online eher trotzig als überzeugend. Denn Gesetze mache der Bundestag, nicht die Wirtschaft. Ein Gesetz braucht Schröder schon deshalb, weil die EU Druck ausübt. In einem Brief an Schröder droht EU-Justizkommissarin Viviane Reding: »Die Europäische Kommission steht ab März 2012 bereit, erforderlichenfalls mit rechtlichen Instrumenten einzugreifen, falls sich die Lage bis dahin nicht wesentlich verbessert.« Reding möchte bis 2015 in ganz Europa eine Quote von 30 Prozent erreichen.
Kritik an den Ergebnissen des Treffens gibt es auch von anderer Seite, etwa vom Deutschen Frauenrat. Ein »Kaffeekränzchen« sei das gewesen, befand dessen Vorsitzende Marlies Brouwers: »Wenn die Dax-30-Unternehmen nicht mehr in Aussicht stellen, als ihre Ziele zur Förderung von Frauen noch in diesem Jahr öffentlich zu machen, dann sind wir keinen Schritt weiter als vor zehn Jahren.« Der Frauenrat fordert eine Quote von 40 Prozent, die innerhalb von fünf Jahren erreicht werden soll.
In einem hat Schröder recht: Eine wie auch immer geartete Quote ist kein Allheilmittel gegen männliche Dominanzkultur. Sie habe »denselben Effekt, den man Kortison als Patentmittel gegen Hautausschlag nachsagt: Die Symptome verschwinden – die Ursachen bleiben«, schreibt Schröder auf der Seite des Ministeriums. Wenn sie allerdings dazu dient, Männern wie dem früheren BDI-Vorsitzenden Michael Rogowski eine Frau an die Seite zu stellen, ist auch die Symptombekämpfung zu begrüßen. Er hatte in der Talkshow »Hart aber fair« gesagt, er wolle keine Frau als Chefin. Auch andere Argumente gegen die Quote sind leicht zu widerlegen. Von der Einschränkung der freien Marktwirtschaft über Männerdiskriminierung bis zur Behauptung, es gebe einfach nicht genug qualifizierte Frauen, reichen diese wenig überzeugenden Einwände.

Problematischer ist die ökonomische Argumentation der Befürworter. Betriebe mit Frauen an der Spitze arbeiteten wirtschaftlicher, Frauen trügen mit ihrer höheren Kommunikationsfähigkeit zudem zur Verbesserung des Betriebsklimas bei, heißt es da. So wirbt etwa das Netzwerk »Frauen in die Aufsichtsräte« mit dem Diversity-Konzept: »Wissenschaftliche Studien belegen, dass Diversität in den Aufsichtsgremien, d.h. insbesondere die sichtbare Präsenz einer kritischen Masse von Frauen, ein wichtiger Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg ist.« Es geht also nicht um die Aufhebung von Diskriminierung, um gesellschaftliche Gleichberechtigung. Stattdessen werden Argumente gesucht, die der Wirtschaft die Beteiligung von Frauen schmackhaft machen sollen und zugleich von essentialistisch begründeten Unterschieden zwischen Männern und Frauen ausgehen. Bei der Telekom beruft man sich auf die Unternehmensberatung McKinsey und spricht von »weiblichen Führungsstilen«: Frauen vertrauten häufiger als Männer auf Führungseigenschaften wie »Inspiration« und »partizipative Entscheidungsfindung«.

Die EU-Kommissarin fürchtet ein »Verschenken wirtschaftlichen Potentials«, was die EU sich »nicht leisten« könne. Diese Argumentationsführung hat Tradition, ganz ähnlich klingen die Formulierungen, wenn über Zuwanderung diskutiert wird. Was in der Debatte jedoch kaum Erwähnung findet, ist die geringe Reichweite der derzeitigen Diskussion. Es geht keineswegs um eine bahnbrechende Veränderung – die Struktur von Aufsichtsräten und Vorständen betrifft nur einen verschwindend geringen Teil der weißen, deutschen, gebildeten Bevölkerung. Feministisches Befreiungspotential hat der Kampf um mehr Frauen in Führungspositionen deshalb nur in Maßen. Denn die Idee, dass mit der Besetzung von Führungspositionen durch Frauen auch die Benachteiligung auf anderen gesellschaftlichen Ebenen ein Ende findet, setzt eine Solidarität unter Frauen voraus, die in der Realität nicht gegeben ist. Und dass allein die Beteiligung von Frauen zu frauenfreundlicher Politik führt, widerlegt schon die Kanzlerinnenschaft von Angela Merkel.
Warum der Gehaltsunterschied in den östlichen Bundesländern bei nur sechs Prozent liegt, im Westen aber bei 25 Prozent, wird in der Debatte um die Frauenquote beispielsweise nicht diskutiert. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt auch, dass Frauen in Ostdeutschland bessere Aussichten auf eine Führungsposition haben als im Westen. Woran das liegt, interessiert genauso wenig wie die Lage von Frauen, die sich nicht als »wirtschaftliches Potential« ausbeuten lassen wollen.