Will Potter im Gespräch über die »Green Scare« und die Repression gegen Öko-Gruppen in den USA

Grün ist das neue Rot

In den USA gelten Öko-Gruppen vielen Behörden als terroristisch – unabhängig von ihren tatsächlichen Aktionen. Der Journalist Will Potter widerspricht.

Will Potter ist freier Journalist und Autor in Washington, D.C. Er schreibt seit 2001 über die Hysterie ­gegenüber Öko- und Tierrechtsgruppen, die er in Anlehnung an antikommunistische Kampagnen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (»Red Scare«) »Green Scare« nennt – frei übersetzt: Grün(en)-Panikmache. 2006 sagte er zu dem Thema vor einem Ausschuss des US-Kongresses aus und gründete das Internetportal »Green is the New Red«. Unter dem gleichen Titel veröffentlicht er im April ein Buch in den USA. Der ebenfalls im April erscheinende Sammelband »Ökokrieger. Eine neue Generation kämpft für unseren Planeten« (Verlag S. Fischer) enthält ein Kapitel über sein persönliches Engagement.

Bitte erklären Sie den Begriff »Red Scare«, auf den Sie sich immer wieder beziehen.
Dieser Begriff bezeichnet Perioden von starkem Antikommunismus in der amerikanischen Geschichte. Er wird oft mit den politischen Hexenjagden von Joseph McCarthy verbunden.
Wer sind nun die Opfer der »Green Scare«? Und wird dabei zwischen ökologischen Bewegungen allgemein und konkret der Tierrechtsbewegung unterschieden?
Die Regierung zielt sowohl auf Aktivisten der Tierrechts- als auch der Umweltbewegung ab und nennt sie »öko-terroristisch«. Obwohl es zwischen diesen Bewegungen viele Unterschiede gibt, werden sie zu diesem Zweck zusammengeworfen.
Welche Parallelen stellen Sie zwischen »Red Scare« und »Green Scare« fest?
Ich sehe drei Hauptparallelen: Auf der Grundlage existierender Gesetze, gesetzgeberisch und auf nicht-juristischem Weg Panik zu verbreiten.
Und auf allen drei Ebenen wird der Aktivismus als terroristisch bezeichnet?
Ja. Auf der Ebene des Justizsystems dehnen Gerichtsverfahren die Grenzen existierender Terror-Gesetze aus. Bei der Gesetzgebung setzen sich Konzerne für neue Gesetze ein, die Bewegungsaktive als terroristisch etikettieren, wie das Animal Enterprise Terrorism Act (Gesetz zu Tierfirmenterrorismus). Und durch Panikmache in Form von Medienkampagnen und Anzeigen wird in der Öffentlichkeit Angst vor der Öko-Bewegung geschürt.
Worin besteht der sogenannte Terrorismus der Öko-Bewegten?
Darunter fällt ein weites Feld von Aktivismus. Es gab Fälle von Eigentumszerstörung und Brandstiftung. Aber es wurde nie ein Mensch verletzt. Es ist nichts darunter, was ein vernünftiger Mensch als Terrorismus ansehen würde. Mehr noch: Einige Aktive werden aufgrund der bloßen Wahrnehmung ihres Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit als terroristisch bezeichnet. Gemeinsam ist allen in der letzten Zeit so Etikettierten, dass sie effektiv waren. Das ist die wahre Bedrohung dieser Bewegungen für gesellschaftliche Gerechtigkeit: Je effektiver sie sind, desto größer ist das Risiko, dass sie als »terroristisch« gebrandmarkt werden.
Wie sieht in den USA die Gesetzgebung zu Tierbefreiungen aus?
Es gibt verschiedene neuere Gesetze. Auf Bundesebene gibt es das Animal Enterprise Terrorism Act und in vielen Bundesstaaten Gesetze gegen sogenannten Öko-Terrorismus. Diese ganze Gesetzgebung wird von Unternehmen vorangetrieben, die das Ziel des Aktivismus sind.
Wie sind solche Gesetze gestaltet?
Viele dieser »Öko-Terrorismus«-Gesetze basieren auf Entwürfen des American Legislative Exchange Council, hinter dem große Unternehmen stehen. Die Extremversionen gehen so weit, gewaltfreien zivilen Ungehorsam als Terrorismus zu etikettieren und eine Datenbank von Tierrechts- und Ökologie-Bewegten vorzusehen, also eine schwarze Liste. Auch alle, die sich ­öffentlich für solche Gruppen einsetzen, gelten demnach als terroristisch.
Der Kern des Ganzen scheint mir das zu sein, was Sie in Vorträgen als Angst vieler Organisationen, Firmen und Zeitungen vor einer kulturellen Bedrohung analysieren. Bitte erklären Sie das.
Während der »Red Scare« in den USA gab es zwei Arten von Bedrohungen: Die erste war direkt, etwa ausländische Spione, die die US-Regierung infiltrieren und Informationen stehlen. Die größere Bedrohung jedoch war kultureller Art: ein Glaubenssystem, das dominierende ameri­kanische Werte in Frage stellte, besonders kapitalistische. Zurzeit beobachten wir eine ähnliche Dynamik. Der Tierrechtsaktivismus stellt eine direkte Gefahr dar, da mit ihm manchmal illegale Aktivitäten wie Eigentumszerstörung einhergehen. Die wahre Bedrohung jedoch ist das Glaubenssystem dieser Bewegungen. Die Tierrechtsbewegung wirft die Fragen auf, was es heißt, ein Mensch zu sein, und wie wir in den einzelnen Aspekten unseres Lebens mit der natürlichen Umwelt umgehen.
In Ihrem Internet-Auftritt weisen Sie auf die »Green Scare Hotline« hin, wo Leute vertraulich anrufen können, die wegen ihres vermeintlichen Öko-Aktivismus Anfeindungen ausgesetzt sind. Was für Anrufe erhalten Sie da?
An der Hotline bin ich nicht beteiligt. Sie wird von der National Lawyers Guild angeboten. Das ist eine der führenden Gegenkräfte zur »Green Scare«, eine eminent wichtige Organisation, die breite Unterstützung verdient.
Wie kam es, dass Sie im US-Kongress über die »Green Scare« sprachen?
Ich wurde wegen meiner journalistischen Arbeit zu dem Thema eingeladen, eine Stellungnahme zum Animal Enterprise Terrorism Act abzugeben. Obwohl ich allgemein über diese Bewegungen sprechen und nur kleinere Bedenken anbringen sollte, entschied ich mich dafür, eine klare Gegenposition zu beziehen und die komplette Ablehnung des Gesetzentwurfs zu fordern, da er eine einschüchternde Wirkung auf die Wahrnehmung des Rechts auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit hätte.
Wie weit sind Sie selbst davon entfernt, von Behörden als Terrorismus-Unterstützer angesehen zu werden?
Das ist schwer zu sagen. Gewöhnlich habe ich keine Probleme, auch nicht bei Reisen. Mir ist aber bewusst geworden, dass mein Name und meine Arbeit in verschiedenen Regierungsdokumenten und -akten vorkommen, einfach weil ich über diese Themen schreibe und spreche. Das ist natürlich besorgniserregend, aber meine Arbeit nimmt ausschließlich die Implikationen dieser Politik für Bürgerrechte und die nationale Sicherheit in den Blick. Ernste negative Folgen seitens der Regierung scheinen da ziemlich unwahrscheinlich.
Wie sollte auf die »Green Scare« reagiert werden?
Die Repression, die wir jetzt beobachten, mag viele Taktiken der Red Scare nachahmen – unsere Antworten dürfen das nicht. Hexenjagden werden zum Prüfstein für das Rückgrat der heutigen sozialen Bewegungen, genau wie vor 60 Jahren. Es ist nicht genug, sich feige von den so genannten Öko-Terroristen zu distanzieren, wie es viele während der Red Scare bezüglich des Kommunismus taten.
Der einzige Weg, da durchzukommen, ist, hervorzutreten und es direkt anzugehen. Die Aktiven müssen den Kontakt zu anderen sozialen Bewegungen suchen, wie auch zur allgemeinen Öffentlichkeit, und ihnen sagen, dass diese »Terroristen«-Etikettierung wertvolle Anti-Terrorismus-Ressourcen verschwendet. Wir müssen starke aktivistische Gemeinschaften aufbauen, die ihre Rechte kennen und wissen, wie sie bedroht sind und was auf dem Spiel steht, wenn wir nachgeben.