Sie nennen es Bundesregierung. Alle Minister im großen Jungle-Check

Sie nennen es Bundesregierung

In der Bundesregierung geht die Panik um – und damit das Stühlerücken los. Doch wer kann hier eigentlich was? Eine letzte Momentaufnahme, bevor das Chaos regiert.

Steinmeiers Mädchen
Angela Merkel. Erinnern Sie sich noch an den schneidig-soldatischen Schmidt? Oder an den feisten, selbstgerechten Kohl? Oder an den plumpdreisten Macker Schröder? Kurz: Seit Willy Brandt hat Deutschland keinen so sympathischen Kanzler mehr gehabt wie diese Kanzlerin. Aber beim Vergleich mit Brandt wird auch offensichtlich, was ihr alles fehlt. Zum Beispiel eine politische Einstellung. Oder ein Leben vor der Polit-Karriere. Obwohl: Sie war in der DDR mal Hausbesetzerin, aber selbst dies ganz unpolitisch, rein pragmatisch. Am Freitag wurde sie am Knie operiert. Meniskus-Riss. »Kein Sturz, kein Unfall. Einfach aufgetreten«, hieß es zur Ursache. Auch »einfach Auftreten« ist ihre Sache nicht. Aber dennoch ist sie eine gute Kanzlerin! Sie hat nur ein Problem: Ihre Partei, die SPD, ist nicht in der Regierung. Mit diesen komischen Gestalten von der CDU, diesen merkwürdigen Bayern und erst recht den Freaks von der FDP wird sie einfach nicht warm. Die Gelegenheit zur großen Kabinettsumbildung nach Guttenbergs Rücktritt hat sie verpasst, und damit die letzte Chance, diese Regierung zu retten. Aber vielleicht ist es ihr auch recht so: Vielleicht hat sie nur deshalb so viele Knallchargen ins Kabinett berufen, damit der Spuk schnell vorbeigeht und sie wieder mit den Sozis regieren darf.

Grünenfaktor: Hoch. Ist pragmatisch, postideologisch und war mal Umweltministerin
Haltbarkeit: Die Kapitänin geht zuletzt von Bord
Berufsempfehlung: Nichts mit Medien!
 
Bald-Ex-Vize auf Abruf
Guido Westerwelle. Er wurde »Vizekanzler« (Westerwelle), weil er Außenminister wurde, und er wurde Außenminister, weil er FDP-Vorsitzender war. Aus keinem anderen Grund. Nun geht seine Zeit als FDP-Vorsitzender zu Ende – aber Außenminister möchte er gerne bleiben. Was soll das? Außenpolitik ist für Westerwelle bekanntlich irgendwas da draußen, wo er nichts verloren hat – känn ju plies tolk german! Die Bundeswehr würde er lieber gegen Hartz-IV-Empfänger einsetzen als gegen Gaddafi. Guido Westerwelle ist ein von früheren Verletzungen und eigenen Eitelkeiten Getriebener wie Guttenberg – nur ohne so beliebt wie der zu sein. Er hat elf Jahre, also 22 lange Semester lang, studiert und anschließend drei Jahre an einer 176 Seiten dünnen Dissertation zum Popelthema »Das Parteienrecht und die politischen Jugendorganisationen« »gearbeitet«, um anschließend als vermeintlicher »Leistungsträger der Gesellschaft« stammtischmäßig über die angeblichen Drückeberger herzuziehen. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Zieht er jetzt die ganze Regierung mit in seinen Abgrund? Kaum. Merkel weiß: Was der kann, kann jeder andre auch, und zwar besser. Als Parteivorsitzender wurde er weggeputscht, als Außenminister wird er noch geduldet. Bald ist auch das vorbei.

Grünenfaktor: Bummelstudent, der nichts von spätrömischer Dekadenz hält – könnte passen
Haltbarkeit: Stürzt noch vor Gaddafi
Berufsempfehlung: Widerpart von Michel Friedman in einer Talk-Show
 

Hoppla, ich komme!
Hans-Peter Friedrich. Dass es der Kofferträger von Michael Glos selbst einmal ganz nach oben schaffen würde, hätte außerhalb Bayerns sicher niemand vermutet. »Ich bin kein Hoppla-jetzt-komm-ich-Typ«, hat der kleine fränkische Lockenkopf mal gesagt. Aber hoppla, da war er. Er wurde in Naila geboren, nahe dem Höllental. Auf dem Stadtwappen ist »ein wilder Mann mit grünem Blätterschurz, der mit der Rechten eine goldene Keule schwingt« zu sehen – ein wahrer Urgermane also. Deshalb weiß Friedrich auch sicher: Islam ist da nirgendwo zu sehen und hat in der Geschichte des Frankenwalds nie eine Rolle gespielt. Recht hat er. Trotzdem will man ihm einen Strick draus drehen. Die Vorratsdatenspeicherung lehnt er ab, er will lieber von Mindestdatenspeicherung sprechen: »Dieser Begriff ist besser, denn bei Vorratsdatenspeicherung wird man merkwürdig angeschaut.« Mindestens sechs Monate will er Verbindungsdaten verdachtsunabhängig speichern lassen, seine Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger will das nicht. Da sind wohl noch Koalitionsverhandlungen nötig. Oder auch nicht: Zu Friedrichs Glück nimmt ihn bisher kaum jemand ernst, dabei ist er genau genommen ja der Innenminister. Das war mal der wichtigste Ministerjob nach Außenminister. Aber Außenminister ist ja auch nichts mehr wert. Tststs.

Grünenfaktor: Nicht liberal genug für die Grünen
Haltbarkeit: Könnte sich so durchmogeln, solange ihn niemand kennt
Berufsempfehlung: Kofferträger von Glos
 

Die letzte Liberale
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Einmal hat sie eine richtig konsequente Entscheidung getroffen, also eine mit Konsequenzen – und das allein schon unterscheidet sie vom Rest ihrer ruchlosen Partei. Den Großen Lauschangriff wollte sie nicht mittragen und trat deshalb 1996 von ihrem Amt zurück. Der Große Lauschangriff ist seit 1998 Gesetz. Das Amt, vom dem sie zurücktrat, war übrigens jenes, welches sie heute auch wieder bekleidet, das der Bundesjustizministerin. Aber man sollte nun wirklich nicht Leutheusser-Schnarrenberger Prinzipienlosigkeit vorwerfen, nicht ihr! Seit Hildegard Hamm-Brücher aus der FDP ausgetreten ist, ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger definitiv die neue »Grande Dame der Liberalen«. Sie – und nur sie – ist das, was nicht gemeint ist, wenn vom »Wirtschaftsflügel« der FDP die Rede ist. Übrigens war ihr Onkel auch Bundesjustizminister, von 1961 bis 1962, und auch er trat von seinem Amt zurück, wegen der Spiegel-Affäre. Das mag ja alles irgendwie sympathisch sein, aber Liberalismus bringt der FDP keine Stimmen, drum wird auch nicht Leutheusser-Schnarrenberger die neue Westerwelle, sondern so ein jungscher Schnösel-Arzt aus Hannover.

Grünenfaktor: Perfekt. Bürgerrechte und Doppel-Name
Haltbarkeit: Unkraut vergeht nicht
Berufsempfehlung: Justizministerin unter Grün-Rot
 
Der Super-Schwabe
Wolfgang Schäuble. An ihm liegt es jedenfalls nicht, dass Schwarz-Gelb nichts geworden ist. An ihm wird das alles auch nicht scheitern. Er kann Innenminister, er kann Finanzminister, er hätte auch Außenminister gekonnt. Oder Verteidigungsminister. Er ist der einzige in dem ganzen Saftladen, dem man zutraut, dass er seine Doktorarbeit selbst geschrieben hat. Wolfgang Schäuble ist ein fleißiger schwäbischer Arbeiter im Weinberg des Herrn. Wenn man ihn ruft, erfüllt er brav und anständig und professionell seine Pflicht für Volk, Partei und/oder Vaterland. Das erwartet er zu recht auch von seinem Pressesprecher. Wer will ihm das verdenken! Und wenn man ihn, den braven Schäuble, ertappt, dann entschuldigt er sich ordentlich und korrekt dafür, »dass unter der Verantwortung der CDU Gesetze gebrochen wurden«, oder dass er nicht hundertprozentig so ganz die ganze Wahrheit über die Art seiner Beziehungen zum Waffenhändler Karlheinz Schreiber gesagt hat. Natürlich ist er ein Rechter, ein harter Hund, ein innenpolitischer Falke. Aber bei einem Schwaben im Rolli kommt das viel weniger nazimäßig rüber, als wenn ein aschgrauer Hesse mit dicker Unterlippe so daherredet. Deshalb: An Schäuble liegt es ganz sicher nicht!

Grünenfaktor: Rührt als Rollstuhlfahrer das Herz ehemaliger Zivildienstleistender
Haltbarkeit: Zäh wie Leder
Berufsempfehlung: Finanzminister ist eigentlich perfekt
 

Pfälzischer Wurstmaxe
Rainer Brüderle. Die FDP ist gar nicht die Partei der unfähigen kaltherzigen Karrieristen. Rainer Brüderle beweist das. Sein Antrieb ist die pure Leidenschaft. Darum will er jetzt noch nicht gehen. »Wenn man mich entsorgen will, muss man es blutig machen«, antwortete er den jungen FDPlern, die ihm gerade mit Putsch drohten. Und obwohl es ihm keiner glaubt: Kompetent ist er auch. Das zeigt schon seine überaus selbstkritische Analyse der Krisenbewältigungsversuche seiner Regierung. Die seien eben ein »Bauladen«, erklärte er: »Ein Teil des Bauladens ist gut, wie bei Wurstmaxe, ein Teil schmeckt nicht.« Brüderle redet nämlich so, dass man ihn auch versteht. Und, unverkrampft wie er ist, wägt er auch nicht jedes Wort ab. Bei »Maischberger« durfte er als Weinkenner über die »Volksdroge Alkohol« sprechen. Da erklärte der leicht untersetzte 66jährige der schlanken Moderatorin, dass Männer mehr Wein vertrügen als Frauen, »weil das, was den Reiz des weiblichen Körpers ausmacht, nämlich der höhere Fettanteil, den Alkohol speichert«. Bei einer Pressekonferenz mit dem im Rollstuhl sitzenden Finanzminister sagte er einmal: »Ich freu mich sehr, dass ich und Herr Schäuble ganz dicht beieinanderstehen, auch wenn ich jetzt stehen muss und er sitzen kann.« Brüderle sieht das eben positiv. Das Glas ist halb voll!

Grünenfaktor: Kernkraft ist Klimaschutz!
Haltbarkeit: Leider schon so gut wie weg
Berufsempfehlung: Weinkönigin von Rheinland-Pfalz
 

Muddi mit Biss
Ursula von der Leyen. Für sie ist die Welt ein großer Ponyhof – aber einer, auf dem die Pferdchen die Sporen zu spüren kriegen und nicht faul auf der Weide herumstehen! Ob Pony oder Ziege, Kinder oder Erwachsene, Alleinerziehende oder Rentner, in ihrer Welt zählen Leistung, Leistung, Leistung. Aus jedem traurigen Tropf wird noch das letzte bisschen Nutzen, das er dem Staat bringen könnte, herausgepresst. Sie selbst macht vor, wie es zu laufen hat: Im Ministerium feilt sie 24 Stunden an der Züchtigung der Bevölkerung, zu Hause fördert sie rund um die Uhr ihre kleine Horde künftiger Leistungsträger. Kinder in die Welt zu setzen, bekommen ihresgleichen großzügig entlohnt, und liegt das weibliche Humankapital nicht allzu lang brach, können die Kosten für Haushaltshilfen und Kinderbetreuung großzügig von der Steuer abgesetzt werden. Nur die armen Dummerle müssen sehen, wo sie bleiben. Als Arbeitsministerin sorgt sich von der Leyen nicht um sie, sondern um den schlechten Ruf von »Hartz IV«. Das Existenzminimum zu senken, motiviert für den ersten Arbeitsmarkt! Denn nur fünf Euro zu viel – und schon kaufen sich die Taugenichtse Kippen, Schnaps und Flachbildschirme. Wenn sie sagt, vorhandene Sanktionsmöglichkeiten müssten konsequent angewandt werden, hört man die Peitsche knallen!

Grünenfaktor: Hoch! Hier paart sich Leistungs­bereitschaft mit gesundem Kapitalismus
Haltbarkeit: Regiert, bis ihre Kinder übernehmen
Berufsempfehlung: Dressurreiterin
 

Die Dirndl-Ilse
Ilse Aigner. Ilse Aigner wird oft verspottet, weil sie sich mit den Falschen anlegt. Die Ministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz wollte etwa Facebook zu mehr Datenschutz zwingen, indem sie Mark Zuckerberg damit drohte, sein aktuell rund 645,3 Millionen Mitglieder zählendes Netzwerk zu verlassen. Leider misslang das. Der amerikanische Internet-Tycoon hörte nicht auf die gelernte Radio- und Fernsehtechnikerin aus Bad Aibling. Auch Google Street View konnte sie nicht verhindern – obwohl sie wirklich alles in ihrer Macht Stehende unternahm, um die Verbraucher davor zu schützen, dass das Unternehmen öffentliche Straßen abfilmt. Das könnte schließlich deren Privatsphäre verletzen – anders etwa als die Vorratsdatenspeicherung, gegen die Aigner nichts einzuwenden hat. Dass deshalb das ganze Internet über Aigner lacht, ist aber unangemessen. Die Dirndl-Ilse ist nicht ungefährlich. Jahrelang arbeitete sie als gestandene Elektrotechnikerin beim Unternehmen Eurocopter, das ein paar ganz ansehnliche Kampfhubschrauber im Angebot hat. Wohl deshalb saß sie bis Ende 2008 im Präsidium des »Förderkreises Deutsches Heer« im Herzen der deutschen Rüstungslobby. Ilse Aigner ist also mehr zuzutrauen, als Brauereien mit dem DLG-Bundesehrenpreis in Bronze auszuzeichnen.

Grünenfaktor: Khaki-Dirndl, kämpft gegen die Daten-Krake
Haltbarkeit: Siehe Deckelboden
Berufsempfehlung: Verteidigungsministerin
 

Der Golf-Krieger
Thomas de Maizière. Alle Politikbeobachter sind sich einig: Seit er die randlose Brille durch ein markantes Designermodell ersetzt hat, sieht der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière richtig schick aus. Auch sonst muss man ihn mögen. Immerhin war dieser ruhig und zivilisiert auftretende Herr bis vor kurzem Innenminister! So etwas wurden zuvor nur finster dreinblickende Bösewichter wie Zimmermann, Schäuble, Kanther oder Schily. Versetzt wurde er aber nicht wegen Verweichlichung, wie man meinen könnte, sondern weil er sich mit dem Establishment angelegt hatte. Golf sei eine »Randsportart«, äußerte er in einem Interview. Daraufhin brach ein regelrechter Golf-Krieg los! Die Golfer-Magazine liefen Sturm. Der Präsident den Deutschen Golf-Verbands wies die »dumme Aussage« des Ministers brüsk zurück. Bei 610 000 organisierten Golfern in Deutschland habe es man es mit einem echten Massensport zu tun. Das umstrittene Interview gab de Maizière dem Spiegel Anfang März, nur ein paar Tage später wurde er als Innen- und Sportminister abberufen. Das wird ja wohl kaum ein Zufall sein! Doch nach oben führen in der CDU viele Wege, zur Not könnt’s auch über das Verteidgungsministerium klappen.

Grünenfaktor: Hippies und linke Lehrer können auch nicht Golf spielen
Haltbarkeit: Wenn er nicht weiter den Bonzen ans Bein pinkelt, kann er’s noch zu was bringen
Berufsempfehlung: Fielmann-Werbung
 

Extrem anti-extrem
Kristina Schröder. In dem Alter, in dem andere Kinder die ersten verrückten Sachen machen, trat Kristina Schröder in die CDU ein. Während andere Jugendliche nicht werden wollen wie ihre Eltern, wollte sie nicht Feministin werden. Schröder ist anders als die anderen. Kein Wunder, dass sie ein Herz für benachteiligte und angefeindete Minderheiten hat. Seit sie Familien- und Frauenministerin ist, kümmert sie sich rührend um zwei besonders gebeutelte Gruppierungen: Männer und Deutsche. Linke, Feministinnen und andere Extremisten bekommen nur dann eine Chance, wenn sie am Aussteigertelefon ihre ex­tremistischen Umtriebe gestehen und Besserung geloben. Entsprechende Klauseln sind künftig von allen für alle und jede Eventualität zu unterschreiben. Organisationen haften für ihre Zuarbeiter, Eltern für ihre Kinder, Frauen für ihre Freundinnen. Vertrauen setzt sie allein in jene, die noch Unterschiede zwischen den Geschlechtern kennen, zumindest 23 Prozent: die Unternehmen. Wer zehn Jahre keine Germanistinnen in Führungspositionen geholt hat, darf das auch weiter so handhaben. Warum Bewährtes ändern? »Für mich bedeutet Konservatismus, die Realität zu akzeptieren.«

Grünenfaktor: Mittel. Konservatismus ohne Doppelspitze
Haltbarkeit: Hat durchaus noch Potential am rechten Rand
Berufsempfehlung: Zurück an den Herd!
 

Alle lieben Bambi
Philipp Rösler. Von allen denkbaren Voraussetzungen für das Amt des Gesundheitsministers hat Philipp Rösler die schlechtesten: Er ist Arzt und FDP-Mitglied – was in etwa so ist, als wäre der Vorstandsvorsitzende von RWE für den Strahlenschutz zuständig. Seine Amtszeit gleicht einer Dauersprechstunde für private Krankenkassen, Unternehmer und die nimmersatten Ärzteverbände. Nach seiner »Gesundheitreform«, die aus einem Katalog des Grauens vom »Einfrieren des Arbeitgeberbeitrags« bis hin zu »einkommens­unabhängigen Zusatzbeiträgen« bestand, droht Rösler nun unverhohlen mit »Verbesserungen in der Pflege«. Das freut die derzeit sehr kleine FDP-Klientel, verhilft der Partei aber keinesfalls zu höherem Ansehen. Auch als zukünftiger Parteivorsitzender und »Vizekanzler«, aber weiterhin amtierender Gesundheitsminister dürfte Rösler die Liberalen nicht davor bewahren, als erbarmungswürdige Splitterpartei zu enden. »Glanz und Gloria erwerben« (FAZ) kann er für sich und seine Partei nur in einem anderen Regierungsamt – beispielsweise als Wirtschaftsminister. Doch wer putscht den renitenten Brüderle weg? Den »Bambis aus dem FDP-Jugendzentrum« (Tagesspiegel) traut das bisher niemand zu.

Grünenfaktor: Rösler ist amtierender »Oldenburger Grünkohlkönig«
Haltbarkeit: Höchstens bis 2018 – will mit spätestens 45 Jahren seine politische Karriere beenden
Berufsempfehlung: Grünkohlkönig auf Lebenszeit
 

Der Vierbeiner
Peter Ramsauer. Der Mann mit dem »dritten Bein«. Jenes sei, so sagt er, die Musik. Was die beiden anderen Beine sind, verrät er nicht. Politik kann es jedenfalls nicht sein. Ramsauer hat definitiv keine Peilung von gar nichts und war deshalb genau der Richtige für den Job des Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Als Verkehrsminister erließ er dann für seine Untergebenen ein striktes Verbot von Anglizismen. »Ich will, dass im Haus wieder mehr Deutsch gesprochen wird.« Wie einst Heinrich Himmler gehört er der schlagenden Burschenschaft Franco-Bavaria an. Ramsauers viertes Bein ist der Transrapid, den er unermüdlich an den Mann zu bringen versucht. Als Thyssen-Krupps emsiger Hausierer tingelt er durch die Welt. Teneriffa, Brasilien, Katar – oder Iran? –, irgendwo wird er das Ding doch wohl noch verscherbelt bekommen, oder? Wenn er das schafft, hat er seine Mission erfüllt. Das mag ein sehr kleiner Schritt für die Menschheit sein, aber für eine Pfeife mit drei bis vier Beinen wär’s ein Mega-Erfolg. Und am Ende wäre es, wenn man eines Tages zurückblickt auf diese Zeiten, womöglich das einzige, was Schwarz-Gelb zustande gebracht hätte. Wäre, hätte: Konjunktiv!

Grünenfaktor: Problematisch. Grüne lehnen den Transrapid ab (Technik!)
Haltbarkeit: Er dürfte eigentlich gar nie da hin­gekommen sein, wo er jetzt ist.
Berufsempfehlung: Hausmusiker
 

Clooney vom Rhein
Norbert Röttgen. Deutschland im Jahr 2020: Die SPD hat sich aufgelöst. Die Partei »Die Linke« ist mit ihren letzten ostdeutschen Wählern ausgestorben. An die FDP erinnern sich nur noch zwei pensionierte Kieferchirurgen aus Bad Reichenhall. Denn Deutschland hat schon lange nur noch eine Partei: Die Schwarzgrüne Einheitspartei Deutschlands. Um das vorauszusehen, braucht man keine Kristallkugel. Dafür genügt ein Blick ins Antlitz des zukünftigen Kanzlers Norbert Röttgen. Was er einst in seinem großen Werk »Deutschlands beste Jahre kommen noch. Warum wir keine Angst vor der Zukunft haben müssen« niederschrieb, muss man nicht lesen, all das spiegelt sich schon in seinen braunen Augen. Röttgen polarisiert nicht, der Mappus’sche Eifer ist ihm fremd. Röttgen posiert nicht, Guttenbergsche Eitelkeit hat er nicht nötig. Röttgen laviert nicht, er weiß, was er will. Sein jungenhaftes Gesicht, von grauem Haar sanft umspielt, strahlt Zuversicht und Weisheit aus. Ohne Koalitionszwist, ohne Proteste der Opposition, ja ohne nennenswerte Kritik wird Röttgen Deutschland in die Zukunft führen – in Harmonie mit der Industrie, den Menschen und mit Gott. Um den geht es dem derzeitigen Umweltminister: »Lebensräume schützen, Leben ermöglichen, Ordnung schaffen, das ist göttliche Schöpfung und gleichzeitig Gottes Auftrag an uns Menschen.“

Grünenfaktor: Sowieso
Haltbarkeit: He just started
Berufsempfehlung: Lichtgestalt
 

Eule der Minerva
Annette Schavan. Die letzten linken Studenten können Annette Schavan nicht leiden. Aber eigentlich sollten sie ihr nicht böse sein. Sie ist schon eine strenge Patentante – aber eine, die es gut meint. Wenn Studierende mal wieder Hörsäle besetzen, mit Pappsärgen auf den Schultern vorm Landtag die Bildung zu Grabe tragen oder bunt, kreativ und laut sind, weil man ihnen die Bildung klaut, dann werden sie von Annette Schavan immer ein wenig geschimpft, aber das zeigt auch, dass sie sie ernst nimmt. »Ernst nehmen heißt widersprechen«, hat sie im Bundestag einmal gesagt und also widersprochen: Studiengebühren sind gar nicht ungerecht, weil arme Proleten mit 16 Jahren schon Steuern zahlen müssen. Aber Schavan hat sich auch selbst korrigiert: Es ist nicht alles gut an Bologna. Spät, aber immerhin irgendwann, sah sie das ein, und lud Studierendenvertreter zum Gespräch. Die letzten linken Studentinnen und Studenten sollten sie aber vor allem aus dem Grund mögen, dass sie selbst so gesellschaftlich marginalisierte Fächer wie Erziehungswissenschaft, katholische Theologie und Philosophie studiert hat und daher ihre Werte teilt: Auch Tante Annette findet, dass Bildung »vor allem Selbstzweck« ist.

Grünenfaktor: Plädiert für »Grüne Gentechnik«
Haltbarkeit: Lächelt sich bescheiden neben Merkel nach oben, ist aber nach Merkel auch weg vom Fenster
Berufsempfehlung: Religionslehrerin in Brandenburg
 

Der brave Soldat
Dirk Niebel. Menschen sind zu wundersamen Wandlungen fähig. Nehmen wir Dirk Niebel: Acht Jahre lang war er Zeitsoldat, unter anderem bei den Bluthunden der Luftlandebrigade 25 »Schwarzwald« – nun kommandiert der Minister den parlamentarischen Arm der Friedensbewegung. Er verteidigt die deutsche Libyen-Politik und findet es »bemerkenswert, dass gerade die Nationen munter in Libyen bomben, die noch Öl von Libyen beziehen«. Niebel, Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, gab sich auch stets als Freund Israels – bis dessen Behörden ihm im vergangenen Jahr den Zugang zu einer Klärwerksinspektion im Gaza-Streifen verweigerten. Prompt polterte er, es sei »für Israel fünf Minuten vor Zwölf«, und unterzeichnete die Gaza-Resolution des Bundestags. Während des Wahlkampfs 2009 forderte Niebel, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung aufzulösen – kurze Zeit später leitete er den Laden selbst. Bislang konnte seine Wankelmütigkeit wenig Schaden anrichten, weil es immer einen gab, der sich noch gekonnter blamierte. Doch nun ist Westerwelle abgemeldet. Wehe, die Öffentlichkeit bemerkt, dass es Niebel und sein Hinterbänkler-Ministerium tatsächlich gibt!

Grünenfaktor: »Die Grünen spielen bei keinem Thema mehr die erste Geige, höchstens noch hier und da den Triangel.« Dirk Niebel, Mai 2009
Haltbarkeit: Für ihn ist es fünf Minuten vor zwölf
Berufsempfehlung: Entwicklungshelfer im Gaza-Streifen
 

Der Pizza-Bäcker
Ronald Pofalla. In Merkels Kabinett hat er den Traumjob »Minister ohne Geschäftsbereich«, beziehungsweise nennt sich das auch »Bundes­minister für besondere Aufgaben«. Außerdem ist er »Chef des Bundeskanzleramtes«, abgekürzt »ChefBK«. Im Jahr 2008 war Ronald Pofalla noch Generalsekretär der CDU und verbreitete ein damals spektakuläres Gerücht über die Grünen. Er meinte, einen Sinneswandel bei den Grünen in Sachen Atompolitik beobachtet zu haben, weshalb die Ökos bald reif für Schwarz-Grün seien: »Wenn Sie sich mit Grünen unter vier Augen unterhalten, dann geben die mittlerweile sogar zu, dass dieser Ausstieg, so wie er damals von Rot-Grün vereinbart worden ist, unter den jetzigen Gegebenheiten falsch ist.« Nun, die »jetzigen Gegebenheiten« haben sich seitdem verändert, jedoch der Schwarz-Grün-Reife tut dies keinen Abbruch. Nur unter umgekehrten Vorzeichen. Um das zu beobachten, muss man sich gar nicht unter vier Augen mit den Christdemokraten unterhalten. Nur Pofalla selbst beharrt ausdrücklich auf der »friedlichen Nutzung der Kernenergie als Brückentechnologie«, aber deshalb ist er ja auch nur ChefBK und hat in Wirklichkeit nichts zu melden.

Grünenfaktor: Hoch! War Initiator der Pizza-Connection
Haltbarkeit: Wendig genug, um Wenden zu überleben
Berufsempfehlung: ChefBK unter Schwarz-Grün
 
Minister der Herzen
Elvis ist unsterblich, Knut ist unsterblich, Lady Di ist unsterblich und Gutti wird immer der Minister der Herzen bleiben. Nicht, weil er die Gel-Frisur von Elvis, die Knopfaugen von Knut und den Das-Goldene-Blatt-Glam von Diana hat, sondern weil man den guten Mann so elend aus dem Schloss gejagt hat wie einen räudigen Hund. Gemein! Karl-Theodor von und zu Guttenberg gehört einfach in Merkels Kabinett, zumindest als Ölgemälde. Oder als Malen-nach-Zahlen-Bild, was diesem großen Geist noch eher gerecht würde. Er verhalf als Einziger dieser schnöden Regierung zu Glanz, natürlich musste sie dann auch mit ihm hinein in den Schlamm. So ist das halt. Politik ist eben auch ein Geben und Nehmen.
Elvis soll am Nordpol in einem Nazi-Ufo leben, Knut wurde ermordet, Lady Di sowieso! Auch um Gutti ranken sich viele Verschwörungsgeschichten. Kein Mensch weiß, wo er steckt. Zuletzt wurde er am 22. März auf einem Video vor höchst winterlicher Kulisse in einem dicken Mantel gesehen. In einer 24 Sekunden langen Aufnahme – so lange dauerte auch Gaddafis Auftritt mit dem Regenschirm im Kleinlaster – bedankte er sich auf Facebook bei seinen Fans und versprach nebulös raunend wie der libysche Diktator: »Wir werden von einander hören, und ich werde mich melden!« Und das ist gewiss. Die Regierung wird eines Tages abtreten, aber Gutti kommt wieder, vielleicht sogar mit einem Hitler-Ufo vom Nordpol.
Bilder: www.guido-westerwelle.de, www.hans-peter-friedrich.de / © Henning Schacht, www.cdu.de / © CDU / Laurence Chaperon, www.leutheusser-schnarrenberger.de, www.bundesfinanzministerium.de, www.bmwi.de / BMWi / Chaperon, www.ursula-von-der-leyen.de, www.ilse-aigner.de / © Deutscher Bundestag / Thomas Trutschel / photothek.net, www.kristinaschroeder.de / L. Chaperon, www.bmg.bund.de / RegierungOnline / Chaperon, www.peter-ramsauer.de, www.bmu.de / Matthias Lüdecke, www.cducsu.de / Laurence Chaperon, www.liberale.de, www.ronald-pofalla.de / CDU / Josef Albert Slominski