Die Berliner Nazi-Kneipe »Zum Henker« feierte ihren zweiten Geburtstag

Party für 88 Cent

Kürzlich feierte die Berliner Kneipe »Zum Henker« ihr zweijähriges Bestehen. Dort treffen sich Nazis nicht nur zur Happy Hour, sondern auch zu politischen Veranstaltungen. In dem Lokal und seiner Um­gebung geht es gewalttätig zu.

»Brückenstraße 14, 12429 Berlin, 2 Jahre!« Mehr steht nicht auf der Internetseite des Lokals »Zum Henker«. Im Frühjahr 2009 eröffnete Berlins derzeit wichtigster Treffpunkt für Nazis. Die Gaststätte befindet sich in Berlin-Schöneweide. Der Ortsteil, der umgangssprachlich auch »Schweineöde« genannt wird, ist ein Altbaugebiet im Bezirk Treptow-Köpenick.

Die NPD sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung. Anders als in Stadtteilen wie Berlin-Lichtenberg, wo es ebenfalls eine beachtliche Zahl an Nazis gibt, zeigen sie sich in Treptow-Köpenick ohne Scheu auf der Straße. In dem Bezirk wurde auch die inzwischen verbotene Kameradschaft Frontbann 24 gegründet (Jungle World 31/09). Sie hatte sich vom örtlichen NPD-Kreisverband abgespalten, da selbst diesem die Vorliebe der Truppe für NS-Uniformen als schädigend für sein öffentliches Ansehen erschien. Seit Jahren kommt es immer wieder zu Angriffen auf Migranten und linke Jugendliche in der Umgebung des Bahnhofs Schöneweide – genau der richtige Ort also, um eine »nationale Kneipe« zu eröffnen.
Das dürfte sich der 1969 in London geborene Paul Stuart Barrington auch gedacht haben. Er ist in der Berliner Naziszene bestens bekannt. Er betrieb die Internetseite www.ss88.de, auf der ein Polizist persönlich mit den Worten bedroht wurde: »Die Kugel ist für dich.« Der Berliner Tagesspiegel zitierte Barrington in einem Artikel über den Prozess um die Homepage mit den Worten: »Ich bin rechts orientiert. Was ich getan habe, war gerechtfertigt«. Neben dem Briten gehören nach Angaben von Mitgliedern der örtlichen Antifa Danny Leszinski, Cindy Prause und Ines Wegener zu den Betreibern des »Henker«, die drei betätigen sich seit Jahren in den einschlägigen Kreisen im Bezirk.
Die Räume für das Lokal werden von einer Immobiliengesellschaft vermietet, die in der Nähe von Erlangen ihren Sitz hat. Anders als etwa bei den Hausverwaltungen, in deren Gebäuden in Berlin sich Filialen von Thor Steinar befanden, gibt es bei der Firma F&M Finanzierungs- und Mietgesellschaft mbH anscheinend kein Interesse daran, die Mieter loszuwerden. Und so halten die Betreiber des »Henker« und ihre Gäste nach wie vor viele Veranstaltungen in diesen Räumen ab. Bei entsprechenden Temperaturen kann zudem noch der angrenzende Biergarten genutzt werden.
Vatertags-, Silvester- und Geburtstagsfeiern, »88-Cent-Partys«, ein Oktoberfest des Frontbann 24, die »Henker Happy Hour« und eine »Halloweenparty« – bisweilen kommen über 100 Besucher zu solchen Feierlichkeiten. Die Räume werden aber auch immer wieder für politische Veranstaltungen genutzt. Eine Solidaritätsfeier für die Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene (Jungle World 11/11) mit einem Liedermacher der Naziband »Frontalkraft« und Informationsveranstaltungen zum Aufmarsch am 1. Mai 2010 in Berlin sowie für andere Demonstrationen im gesamten Bundesgebiet konnten ungestört ausgerichtet werden. Zuletzt fand in dem Lokal im Februar eine »Demoschulung« für den Aufmarsch in Dresden statt.

Nach Beobachtungen von Anwohnern steuerte ein Bus mit Teilnehmern des verhinderten »Trauermarsches« in Dresden am 19. Februar die Kneipe an. Während die meisten Insassen im »Henker« verschwanden, musste eine Person vor der Tür Wache halten. Trotz des nicht allzu lange zurückliegenden Besucheransturms hält die Leiterin des Berliner Verfassungsschutzes, Claudia Schmidt, die Kneipe nicht mehr für so bedeutsam. Sie führt dies auf die abschreckende Wirkung des Verbots des Frontbann 24 Ende 2009 zurück. Ehemalige Mitglieder und Sympathisanten der verbotenen Organisation verkehren nach wie vor regelmäßig im »Henker«. Aber die Anzahl der Angriffe und Belästigungen in der Umgebung des Lokals ging 2010 im Vergleich zum Vorjahr zurück. Vielleicht hielten die Betreiber ihre Gäste dazu an, sich vor der Tür zu benehmen.
2009 sah das anders aus. Bei einer rassistischen Attacke im Oktober des Jahres, die sich in unmittelbarer Nähe der Gaststätte ereignete, erblindete das 23jähriger Opfer auf einem Auge, nachdem es einen Schlag mit einer Flasche abbekommen hatte. Auch in der Kneipe ging es ordentlich zur Sache. Wegen einer Schlägerei unter Gästen beim halbjährigen Geburtstag des »Henker« musste die Polizei eingreifen. Zum Höhepunkt der Gewalt kam es aber anlässlich des Oktoberfests 2009. Vier Personen wurde der Zutritt gewaltsam verwehrt, sie trugen Verletzungen davon. Eine Woche später nahm die Gruppe Rache. Sie fuhr mit einem Auto vor und warf mehrere Molotow-Cocktails in Richtung der Kneipe. Besucher des Lokals stürmten auf die Straße und attackierten den Wagen. Der Fahrer gab Gas und überfuhr das NPD-Mitglied Enrico S., der in der Szene als »Pumpi« bekannte Mann wurde schwer verletzt. Schnell war die Rede von einem »Mordanschlag« und »linkem Terror«. Aus Solidarität mit »Pumpi« und der Kneipe demonstrierten kurz darauf 800 Nazis. Auf der Demonstration wurden über einen Lautsprecher Antifaschisten mehrfach namentlich genannt und bedroht.

Vor allem der ehemalige Anführer des Frontbann 24, Uwe Dreisch, gibt sich als Schutzpatron des »Henker«. Als Mitte März im Zentrum für Demokratie Treptow-Köpenick, das nicht weit von der Kneipe entfernt ist, eine Veranstaltung zur »Extremismus-Klausel« stattfand, hielt Dreisch vor der Tür eine Kundgebung ab. Auf einem Transparent war zu lesen: »Deutsche Farbenlehre: Auch braun ist ein Teil von bunt«. Das Zentrum für Demokratie wurde wie ein in derselben Straße wie der »Henker« gelegenes Büro der Linkspartei in den vergangenen Wochen immer wieder beschädigt. Als Polizisten kürzlich Nazis fassten, die an die Wände des Zentrums und der Geschäftsstelle der Linkspartei Hakenkreuze gesprüht hatten, beschwerten sich Gäste des »Henker« lautstark über die Verhaftung. So gehen von der Kneipe Gewalt­taten, Einschüchterungen und Bedrohungen aus, die Schöneweide äußerst ungemütlich machen. Dass es in dem Ortsteil ohne das Lokal anders zuginge, ist jedoch zu bezweifeln. Schließlich gibt es den »Henker« aus guten Gründen genau dort.