Über die Geschlechterpolitik von Kristina Schröder

Von der Rolle

Die Politik Kristina Schröders ist weder konservativ noch feministisch. Die Familienministerin will vor allem die Anpassung an die neuen Erfordernisse der kapitalistischen Verwertung sicherstellen.
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Kristina Schröder hat ihre hybride Identität unter Beweis gestellt. Ist sie nun konservativ oder vielleicht doch ein mainstream-feministisches Alphamädchen? Einerseits betont die Familienministerin immer wieder die angeblich natürliche Differenz zwischen Männern und Frauen und die Bedeutung der Familie »für den Zusammenhalt der Gesellschaft«. In einem jüngst in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschienenen Artikel vertritt Schröder jedoch Positionen, die durchaus auch aus anderen politischen Spektren stammen könnten. Von der »Freiheit bei der Gestaltung des individuellen Lebensentwurfs« ist da die Rede und von einer »Männerpolitik, die es Männern ermöglicht, ihre Rolle abseits von Rollenklischees selbst neu zu definieren.«
Dass, wie am Montag verkündet wurde, das Elterngeld wegen fehlender finanzieller Mittel nun doch nicht ausgebaut und es bei nur zwei »Vätermonaten« bleiben wird, ist zwar nicht unbedingt ein Fortschritt bei der Überwindung von Rollenklischees. Doch Hoffnung gibt es zumindest für den männlichen Nachwuchs. Am 14. April findet auf Initiative der Ministerin zum ersten Mal der »Boy’s Day« statt. Parallel zu dem seit 2001 existierenden »Girl’s Day«, bei dem Mädchen sich über technische Berufe informieren können, sollen Jungen Einblick in den sozialen Bereich bekommen.
Dass hinter Schröders Forderung nach mehr Männern in den Kitas nicht zuletzt die Sorge um die aus ihrer Sicht arg benachteiligten Jungen steht, ist klar. Trotzdem ist das politische Programm der Familienministerin nur dann als konservativ zu bezeichnen, wenn man sich ihre im November in dem berühmten Spiegel-Interview geäußerte Definition von Konservativismus vor Augen hält. Konservativ zu sein bedeute nämlich nicht mehr und nicht weniger als »die Realität zu akzeptieren«.
Damit ist nicht nur die Akzeptanz der Geschlechterdifferenz gemeint, an der Schröder sich so festklammert, sondern eben auch die Tatsache, dass die Doppelverdiener-Familie längst normal und zur ökonomischen Notwendigkeit geworden ist. Kristina Schröders Politik bewegt sich damit auf einer Linie mit einem »Feminismus«, wie er seit einigen Jahren von privilegierten jungen Frauen, den »Alphamädchen«, proklamiert wird, die darunter vor allem eines verstehen: die Verwirklichung der Gleichberechtigung innerhalb kapitalistischer Verhältnisse. Auch das ist eine Form von Akzeptanz der Realität. Dass die schlecht Verwertbaren egal welchen Geschlechts in diese schöne Gleichheit weiterhin nicht einbezogen sind, wird in Kauf genommen – konsequenterweise wurde bereits das Elterngeld für ALG-II-Empfänger gestrichen.
Wenn die Ministerin fordert, dass Männer und Frauen Karriere und Erziehungs- bzw. Pflegeaufgaben zu je gleichen Teilen übernehmen, dann wäre die logische Konsequenz daraus eigentlich das Ende der geschlechtsspezifischen Soziali­sation, die ihr doch so am Herzen liegt. Die moderne Frau und der moderne Mann müssen beide gleichermaßen fürsorglich und effizient, altruistisch und im Konkurrenzkampf auf den eigenen Vorteil bedacht sein – also ebenso wie die Minis­terin ein hybride Identität erwerben.