Christen protestieren gegen eine Ausstellung in Avignon

Jesus unterm Hammer

Im französischen Avignon gipfelten die Proteste fundamentalistischer Christen gegen eine Ausstellung mit Werken des New Yorker Fotokünstlers Anders Serrano in einem Anschlag auf dessen berühmtes Bild »Piss Christ«.

Die Kunstsammlung Yves Lambert im südfranzösischen Avignon: Drei junge Männer zwischen 18 und 25 Jahren bezahlen ihren Eintritt und verschwinden in den Gewölben des historischen Gebäudes. »Ich glaube an Wunder« lautet der Titel der Ausstellung, die dort seit einigen Wochen gezeigt wird. Allerdings handelt es sich bei den Männern nicht um Kunstinteressierte im üblichen Sinne, sondern, wie sich später herausstellt, mutmaßlich um katholische Fundamentalisten. Sie packen ihr Werkzeug aus und zerstören zwei Exponate, von denen insbesondere eines ihr heftiges Missfallen erregt hat.
»Piss Christ« heißt das Bild, das von dem US-amerikanischen Fotokünstler Anders Serrano stammt und jetzt unter den Hammer der Fundamentalisten geraten ist. Der in New York lebende 60jährige Künstler mit afro-kubanischen und honduranischen Wurzeln hat die Arbeit 1987 gefertigt, und seitdem kommt es immer wieder zu Protesten und Beschädigungen durch christliche Fundamentalisten, die ihre Religion durch das Werk verunglimpft sehen. Sie stören sich an dem Titel des Bildes und dem Umstand, dass der Künstler nach eigener Aussage das gezeigte Kruzifix mit seinem Urin bedeckt hat.
Zwar war das Bild bereits vor zwei Jahren in Avignon ausgestellt worden, ohne dass es größere Proteste gegeben hätte, doch als die Arbeit nun im Rahmen der seit Januar laufenden Ausstellung »Ich glaube an Wunder« abermals in der Stadt gezeigt wurde, nahm sich der Erzbischof von Vaucluse, Jean-Pierre Cattenoz, der Sache an. Er kritisierte das Bild als »gotteslästerlich« und initiierte eine Internetkampagne zur »Ehrenrettung des Kruzifixes« und fand damit insbesondere bei den Anhängern des erstarkenden Front National Zuspruch.
Christliche Fundamentalisten haben sich immer wieder an den Arbeiten des New Yorker Fotografen gestoßen. Eine Reaktion, die der Künstler keineswegs bezweckt, wie er stets beteuert. Serrano definiert sich selbst »als christlichen Künstler, der mit religiöser Ikonografie arbeitet«, wie er jüngst in einer Stellungnahme zu der Zerstörung seiner Arbeit mitteilte. Im Interview mit dem in Berlin erscheinenden Kunstmagazin Monopol bekennt er sich zu einem erstaunlich traditionellen Kunstverständnis. Auf die Frage nach dem Verhältnis von Religion und Gegenwartskunst antwortete er: »Ich kann nicht für andere sprechen, aber ich weiß, dass mir der Glaube wichtig ist, dass ich nie an meinem Glauben gezweifelt habe und dass ich deshalb so viele religiöse Bilder mache, etwa eine Serie mit Nonnen und Priestern in Europa.«
Blut, Urin und Sperma sind für ihn Materialien, die das »Leben symbolisieren«. In den Augen seiner fundamentalistischen Gegner sind die Arbeiten Serranos allerdings lediglich der letzte Beweis dafür, dass die Verhöhnung der christlichen Religion folgenlos bleibt. In den USA, wo das Foto »Piss Christ« bei seiner Veröffentlichung in den achtziger Jahren zunächst keine Empörung erregte – es wurde 1999 in London für 162 000 Dollar versteigert –, fanden später Kampagnen evangelikaler Christen gegen Serrano statt. Im schwedischen Lund wurden im Oktober 2007 mehrere seiner Werke in einer Galerie von Neonazis beschädigt und zerstört. Die Rechtsextremen berufen sich dabei sowohl auf eine christlich-abendländische als auch auf eine naturalistische Ästhetik, die von dem Künstler verletzt werde.
Aus Rechtsextremen und fanatischen Katholiken bestand auch jene kleine Menschenmenge, die in den vergangenen Wochen gegen Serranos Werke in Avignon aufgehetzt werden konnte. Nur einen Tag vor dem Bildersturm demonstrierte eine Gruppe von rund 800 Menschen. Zur Demonstration aufgerufen hatte eine Gruppe mit dem Namen »Institut Civitas«. Der Name bezeichnet ein Institut, das der katholisch-fundamentalistischen Strömung des 1988 von Rom abgefallenen und inzwischen verstorbenen Bischofs Marcel Lefebvre nahe steht. Die Lefebvristen, zu denen auch die durch die Holocaust-Leugnung ihres »Bischofs« Richard Williamson in die Schlagzeilen geratenen Piusbrüder zählen, warfen der katholischen Amtskirche jahrelang »marxistischen und subversiven Einfluss« vor. Sie stießen sich an der Abschaffung des Lateinischen als Kirchensprache ebenso wie an Modernisierungsbestrebungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und der seitdem proklamierten theologischen Aussöhnung mit dem Judentum. Seit 2006 hat der neue Papst Benedikt XVI. ihre Anhänger wieder an die Amtskirche gebunden, und in Bordeaux eröffnete der Kirchenapparat ein neues kircheneigenes »Institut des Guten Hirten«, das als Auffangbecken für die Anhänger dient.
80 000 Menschen haben inzwischen eine Petition des Instituts Civitas unterzeichnet, die anlässlich der angeblich blasphemischen Ausstellung in Avignon eine »Re-Christianisierung Frankreichs« fordert. Die Kuratoren der Ausstellung erhielten über 30 000 Protest-Mails, darunter auch etliche Morddrohungen. In einem Falle wurden Bilder eines brennenden Scheiterhaufens verschickt.
Die Kuratoren lassen sich jedoch nicht einschüchtern. Die beiden durch Hammerschläge beschädigten Kunstwerke werden bis zum Ende der Ausstellung gezeigt.