Die Royals heiraten

Plötzlich Prinzessin

Royalen Glam muss sich Deutschland weiterhin von den Briten ausborgen.

Wenn am 29. April der britische Prinz William und seine Freundin Kate heiraten, wird vielen deutschen Fernsehzuschauern wohl nicht ganz klar sein, dass die Bundesrepublik noch vor gar nicht allzu langer Zeit um Haaresbreite an der einführung der Monarchie vorbeigeschlittert ist.
Eigentlich war alles schon klar gewesen, die künftige Königin und der designierte Monarch hatten sich bereits huldvoll lächelnd auf dem Titelbild des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel ihren künftigen, noch ahnungslosen Untertanen präsentiert, und der kommende deutsche Kaiserkönig hatte sich auch schon ein bisschen die Welt angeguckt, die er demnächst mit einer Krone auf dem Kopf bereisen würde – als der große Traum vom Regieren und vom Schloss in Berlin plötzlich platzte, und zwar durch … Aber lassen wir das jetzt erst einmal beiseite.
Und kommen zum eigentlichen Thema, der royalen Hochzeit. Die eigentlich eine Art Auftakt zu einer Fortbildungsshow für Frauen ist, die an Prinzen statt an eine solide Berufsausbildung glauben. Denn am Beispiel von Kate – die nach allem, was man hört, akribisch daran gearbeitet hat, Frau Windsor zu werden – wird man in den kommenden Jahren prima sehen können, was mit Leuten passiert, die lieber gut bezahltes Anhängsel als selber erfolgreich werden wollen. Prinzessin? Pfff. Der Arbeitsplatz als Prinzessin gehört zu den überschätztesten der Neuzeit, denn eigentlich bedeutet er nichts anderes, als ein Leben wie Lady Gaga oder Paris Hilton zu führen, nur vollkommen ohne Spaß, Selbstbestimmung und Eigenverantwortung. Heißt: Als Prinzessin wird man zwar ähnlich häufig geknipst und gefilmt wie die Popstars, aber man darf exakt gar nichts, was zu einem ordentlichen glamourösen Promi-Lifestyle gehört. Man darf keine wilden Partys feiern, sich niemals mit Champagner betrinken, nicht auf richtig ordentliche Konzerte gehen, nicht nackig am Strand liegen, sondern bloß in ziemlich unhippe Klamotten gehüllt und blöde Hüte auf dem Kopf tragend irgendwo herumstehen. Und, machen wir uns nix vor, als Prinzessin wird man mittelfristig selbst für den gutwilligsten König uninteressant, kennt man ja aus älteren Romanen, diese Beziehungen, in denen die Frauen den ganzen Tag über nichts erlebt haben außer alltäglichen Pflichten. Wie lange es William aushalten wird, nach einem langen aufregenden Tag als König nach Hause zu kommen und auf seine Frage »Na, wie war’s denn heute bei dir, Schatz?« zu hören: »Oh, ich war da und da und bin total oft fotografiert worden, das war vielleicht spannend«, wird sich jedenfalls ziemlich schnell herausstellen.
Warum es auch heutzutage für ein Land noch ganz hübsch sein kann, sich eine Monarchie zu leisten, ist schnell erklärt: Prinzen und Prinzessinnen sind meist recht putzig anzusehen, vor allem, wenn sie noch klein sind – gut, das trifft auf praktisch jedes Baby zu, außer auf die ganz hässlichen, aber Königsfamilien haben meist recht ansehnlichen Nachwuchs, oder vielleicht ziehen sie die Kleinen auch nur derartig raffiniert an, dass es nicht auffällt, dass diese eigentlich ziemlich unangenehm aussehen, das nö­tige Geld haben sie ja immerhin.
Und außerdem sind Könige und Prinzessinnen und ihre Verwandten dazu verpflichtet, zu feier­lichen Einweihungen, Grundsteinlegungen. Eröffnungen und sonstigem Zeug zu kommen, und das auch noch pünktlich, sich dann an Ort und Stelle ausgiebig knipsen zu lassen sowie klaglos Kinderchöre und Laienspieltheatergruppen zu erdulden und selbst sehr langen Reden mit wohlwollendem Nicken zu lauschen, also im Grunde genau das zu tun, wofür dieser Wiener Unternehmer, dessen Namen ich grad vergessen hab’, jedes Jahr anlässlich des Opernballs Promis sehr teuer bezahlen und dazu auch noch bei Laune halten muss – Royals machen sowas alles umsonst, und außerdem essen sie anschließend nicht das Buffet leer, weil sich sowas nicht gehören würde (Tipp für Länder auf Königs­suche: Man sollte ausschließlich gut erzogene Leute als künftige Monarchen einstellen, wer diesem Punkt bei den Bewerbungsgesprächen nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkt, wird ziemlich schnell große Enttäuschungen erleben und sollte darauf hoffen, dass sich in irgendeinem staatlichen Museum noch eine wenigstens leidlich funktionierende Guillotine findet, denn sonst wird man das royale Personal nur ganz schwer wieder los).
Insgesamt gilt: Sich ein paar Leute zu leisten, die – zugegeben großzügig – dafür bezahlt werden, jeden Blödsinn klaglos mitzumachen, und die man ständig beim Hütespazierentragen, Autobahnabschnitteeinweihen und Redenanhören beobachten darf, kann grundsätzlich eine attraktive Option für ein Land sein, dessen Einwohner finden, dass sie ein Grundrecht auf Unterhaltung haben.
Womit wir zur nur knapp verhinderten Monarchisierung Deutschlands kommen. Und dazu, wie anders die Vorberichterstattung über die Hochzeit am englischen Königshaus hätte ausfallen können, wenn man Kaiserkönig Karl-Theodor und Gemahlin Stefanie schon im, sagen wir, März dieses Jahres im Rahmen einer schönen Feier mit vielen Kinderchören, Reden und einem rund zweistündigen abschließenden Laienspiel des Freizeittheaters Kamen-Süd inthronisiert hätte.
Natürlich wäre der deutsche Monarch unter denen gewesen, die als allererste eine Einladung zu Williams und Kates großem Tag erhalten hätten. Was bei den Untertanen natürlich viel Aufregung hervorgerufen hätte, denn im Gegensatz zu früher, als immer bloß Kanzler und Außenminister zu solchen Events geschickt wurden, würde man diesmal personalmäßig ordentlich mithalten können. Schon Wochen vor dem großen Ereignis wäre der Hofschneider des deutschen Monarchen – vielleicht Bruno Banani – von Kamerateams und Journalisten derart umlagert worden, dass nur ein Dekret von König KT1, wie das Staatsoberhaupt von der deutschen Presse seit seiner Krönung im Aachener Dom liebevoll genannt würde, hätte bewirken können, dass der Schneider in Ruhe an den streng geheimen kaiserköniglichen Roben für die Hochzeit von William und Kate arbeiten kann.
Es hätte blaubluttechnisch also alles richtig schön werden können, und die Geschichte wäre so weitergegangen:
Dass infolge des Hofschneider-Belästigungsverbots der Fernsehsender N-TV geschlossen worden war, war immerhin zunächst nicht weiter aufgefallen, weil ein Techniker kurz vor der Verhaftung aller Mitarbeiter noch ein Band mit einer Sendung über die Geschichte der Flugzeugträger eingelegt hatte, die in einer Endlosschleife wochenlang vor sich hin lief, was nach späteren Aussagen von ausgewiesenen Branchenkennern im Prinzip dem normalen Sendeablauf des Senders entsprach.
Erst als N-TV plötzlich ganz abgeschaltet und durch KT1-TV ersetzt worden war, regte sich plötzlich Unmut in der Bevölkerung, jedenfalls bei dem Teil, der das Flugzeugträger-Programm sehr schätzte. Aber auch diese Untertanen beruhigten sich schnell wieder, denn der neue Sender bot ausgesprochene Highlights, wie zum Beispiel die täglich live übertragene Pressekonferenz des Hofschneiders über den Stand der königlichen Garderobe und ausgiebige Interviews mit dem Chefpiloten, der Karl-Theodor und Stefanie nach London fliegen würde und der den besorgten Journalisten versicherte, dass die Sitze in der Maschine wirklich außerordentlich bequem und keinesfalls zu hart seien und, ja doch, die Geschichte von der Prinzessin auf der Erbse auch zu kennen, aber sein Ehrenwort geben könne, dass keine einzige Hülsenfrucht in finsterer Absicht ins Flugzeug geschmuggelt werden könne.
In den live übertragenen abendlichen Diskussionsrunden über die Sitzordnung beim Hochzeitsbankett von William und Kate lieferten sich Protokollexperten knallharte Rededuelle über die Frage, ob der den deutschen Monarchen zugedachte Platz links hinten eine Beleidigung oder doch eine Ehre sei, wobei das gekrönte Oberhaupt aller Deutschen dem aufgeregten Disput schließlich ein Ende machte, indem er erklärte, er nehme dort Platz, wo er hingesetzt werde, und das gelte selbstverständlich auch für sein ihm angetrautes Eheweib. Die deutschen Soldaten am Hindukusch würden schließlich auch klaglos immer genau da sein, wo man sie hinbeordere, und genau so wolle er das auch halten, denn so sei sie, die neue transparente Monarchie, in der Ehrlichkeit und Demut wichtiger seien als Tischkarten, die man ja im Übrigen auch einfach austauschen könne, wenn einem der Platz nicht passe, den Briten wolle er sehen, der dem deutschen Königkaiser das verbiete.
Und dann war er endlich da, der große Tag. Um es vorwegzunehmen: Es war eine traumhafte Hochzeit, alle waren schön angezogen und benahmen sich ordentlich, das Brautpaar guckte so, als werde es sich wirklich für alle Zeiten lieben, es gab ausreichend viele Geschenke und niemand machte schlimme Sachen mit Erbsen.
Bloß dass N-TV die Flugzeugträger-Reportage nicht sendete, war ein bisschen ärgerlich.