Hier ist kein schönes Leben

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Der »Tag der Arbeitslosen« ist kein Feiertag. Das Jobcenter in Leipzig hat am 2. Mai bis mittags geöffnet, die Straßenbahnen entlassen im Zehn-Minuten-Takt Menschen, die zum Amt gehen. Der Himmel ist grau, an den Ständen links vom Eingang des Arbeitsamts gibt es Buletten und Verträge von Kabel Deutschland. Auf der anderen Seite, zwischen den Bäumen, hat eine kleine Gruppe linker Aktivisten zum Frühstück geladen. Unter dem Motto »Gegen die alltäglichen Schikanen! Her mit dem schönen Leben!« verteilen sie kleine Blumensträuße und Flyer an meist misstrauisch blickende Passanten. »Ich bin gar nicht arbeitslos, ich hab doch jetzt einen Ein-Euro-Job!« empört sich eine ältere Dame, als ihr zum »Tag der Arbeitslosen« gratuliert wird. Ein junger Mann antwortet auf die Frage, was er von dieser Aktion halte: »Ich bin nicht glücklich darüber, arbeitslos zu sein. Das muss man nicht auch noch feiern.« Aber es gehe doch um Solidarität und darum, die Schikanen vom Amt nicht hinzunehmen. Ja, das verstehe er, das finde er auch gut. »Die wollen mir schon wieder so ’nen Callcenter-Scheiß reindrücken. Das will ich nicht mehr, das hab ich schon zwei Jahre lang gemacht.« Er ist den Tränen nah. Einen Kaffee möchte er nicht. »Bin im Stress«, sagt er. »Tag der Arbeitslosen, was soll denn das sein?« brummt eine Frau, die mit einer dicken Mappe unter dem Arm an der Ecke steht und raucht. Viel halte sie nicht davon. Und wenn es darum gehe, sich nicht mehr schikanieren zu lassen, na, dann dürfe man da gar nicht mehr reingehen, sagt sie, und weist mit einer knappen Kopfbewegung in Richtung Jobcenter. »Da drin« passiert auch heute Unerfreuliches. »Geben Sie ihre Mist-Papiere her, sonst kriegen Sie nie wieder Geld von uns!« soll eine Bearbeiterin zu ihrer Klientin gesagt haben. »Wusstest du, dass die soziale Hängematte aus Stacheldraht geknüpft ist?« steht auf einem der Flyer zu lesen, die zumindest manche der zur Bahn Eilenden dankbar entgegennehmen. Das schöne Leben ist weit entfernt.