Polizei-Hooligans am 1. Mai in Berlin

Das richtige Nasenbein

Berliner Polizisten haben einige ihrer Kollegen wegen »Körperverletzungen im Amt« während des 1. Mai angezeigt. Das spricht für den Mut einzelner Beamter, ändert aber nichts an der Rolle der Polizei.
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»Du bist so humorresistent!« lautete die Diagnose, die mir ein Freund ausgestellt hat. Am Rande der diesjährigen »Revolutionären 1. Mai-Demonstration« in Berlin war mir wieder einmal nicht zum Lachen zumute. Wenn auf der Demonstration fast 1 000 Teilnehmer »Alle Bullen sind Schweine!« skandieren, dann ist das nicht lustig. Noch ärgerlicher ist der Krawall-Evergreen: »Hass wie noch nie! All Cops are Bastards – A.C.A.B!« Als Bastarde wurden früher uneheliche Kinder beschimpft. In der Biologie bedeutet der Begriff »mischerbig«. Warum ausgerechnet Linke Polizisten so titulieren, ist mir schlicht schleierhaft.
Völlig nachvollziehbar ist hingegen, warum die meisten Demonstranten eine ausgeprägte Abneigung gegen die Polizei verspüren. Insbesondere die Berliner Einsatzhundertschaften sind in der Linken ein wegen ihrer Brutalität berüchtigter Haufen. In manchen Uniformen mögen zuweilen überraschend sensible, aufrichtige und reflektierte Menschen stecken. Doch sobald sie in Hundertschaften zusammengefasst und kommandiert werden, bleibt davon nichts übrig. Im Widerstreit von Befehl, Gehorsam und Gewissen übernimmt der Korpsgeist die Führung, erst recht wenn Steine fliegen und es durch die Straßen hallt: »Ganz Berlin hasst die Polizei!« Wer dann keine Uniform trägt, ist ein »potentieller Störer« und wird entsprechend behandelt – gegebenenfalls auch mit Schlägen und Tritten.
Auch herumstromernde Zivilpolizisten fallen zuweilen ihren Kollegen zum Opfer. In der vergangenen Woche brachte ein Zivilpolizist per Anzeige seine Empörung darüber zum Ausdruck, dass ihm – und nicht irgendwelchen Demonstranten – auf der 1. Mai-Demonstration ins Gesicht geschlagen worden war. Zwei andere erstatteten Anzeige, weil sie gar dazu gezwungen wurden, »vom Dienst abzutreten« und nach Hause zu gehen, nachdem sie von ihren Kollegen grundlos mit Pfefferspray und Faustschlägen bedacht worden waren.
Dass sich Polizisten in Kreuzberger Frühlingsnächten gegenseitig verhauen, hat Tradition. Schon nach der ersten »Revolutionären Demonstration« 1988 wurden drei Polizeiführer von untergebenen Berufsschlägern verprügelt. Dass Polizisten das Vorgehen anderer Beamter nicht immer gutheißen, ist auch nicht neu: Am 1. Mai 2000 gingen die Personenschützer des Polizeipräsidenten zusammen mit ihren Kollegen von der »Arbeitsgruppe Hooligan« nach Feierabend einem unbezahlten Schlagstock-Training an Schaulustigen nach, wurden dabei aber von anderen Zivilpolizisten beobachtet und kritisiert. Die Polizei-Hooligans drohten den vermeintlichen Nestbeschmutzern damals: »Wenn ihr uns anzeigt, dann kriegen wir euch.«
Wenn Polizisten die eigenen Kollegen wegen »Körperverletzungen im Amt« anzeigen, dann spricht das für den Mut einzelner Beamter. Es ändert aber nichts an der Rolle der Polizei als Schild und Schwert der herrschenden Klasse und nichts daran, dass auch mal ein Nasenbein bricht, wenn die wehrhafte Demokratie handfest durchgreift. Amüsant ist es nur, wenn es einmal versehentlich das Nasenbein eines Polizisten erwischt. Humorresistenz schließt Schadenfreude nicht aus.