Bin Laden wurde festgenommen

Free Ussama!

Was wäre, wenn man Ussama bin Laden festgenommen hätte?
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Die USA haben die pakistanische Regierung überredet, die Polizei loszuschicken, um Ussama bin Laden festzunehmen. Als die beiden Polizeibeamten an der Tür klingeln, öffnet ihm die jüngste Ehefrau, die nach hinten ruft: »Schatz, da möchte dich jemand von der Polizei sprechen.« Ussama fragt, ob er noch ein paar Sachen, Zahnbürste und so, zusammenpacken dürfe. Darf er, klar.
In Deutschland erklärt Katrin Göring-Eckardt: »Als Christin ist es für mich ein Grund zum Feiern, dass Ussama bei der Festnahme kein Haar gekrümmt wurde.« Günther Beckstein und Renate Kü­nast beanstanden, dass die pakistanische Polizei keinen Durchsuchungsbefehl hatte. In seiner ersten Videobotschaft aus dem Gefängnis in Islamabad bedankt sich bin Laden für die internationale Unterstützung und erklärt gerührt: »Ich liebe euch alle!«
Jürgen Elsässer bloggt, bin Laden könne gar nicht festgenommen worden sein, weil er nur eine Erfindung der CIA sei. In seiner zweiten Videobotschaft geht bin Laden auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ein: Er sei nie Mitglied der al-Qaida gewesen, nicht wissentlich zumindest, jedenfalls habe er nichts unterschrieben. Und für 9/11 könne ihm seine zweite Ehefrau ein Alibi geben. Als Ussama ein paar Wochen später an die USA ausgeliefert wird, übernehmen zwölf Kachelmann-Anwälte das Mandat.
Nordkorea, Weißrussland und Venezuela bieten an, Ussama Exil zu gewähren. Er kommt dann aber doch nach Kuba – allerdings nach Guantánamo. Immerhin: Den Koran gibt’s gratis. Bin Laden hat eine wöchentliche Kolumne in der Jungen Welt. Er tritt in regen Briefverkehr mit Hugo Chávez, der ihn als »großen Revolutionär für die bolivarische Sache« würdigt und ihn zum Ehrendoktor einer Universität in Caracas ernennt. Ahmadinejad würdigt bin Laden als »Kämpfer gegen den zionistischen Feind« und verleiht ihm drei Ehrendoktorwürden. Claus Peymann bietet ihm ein Praktikum am Berliner Ensemble an.
Günter Grass, Rolf Becker und Jakob Augstein formulieren zusammen mit 30 US-amerikanischen Professoren einen Appell, in dem sie ein »Ende der Politik von Rache und Vergeltung« und die Schließung von Guantánamo fordern. Helmut Schmidt und Inge Viett kritisieren die »Iso-Haft« für bin Laden und fordern die Zusammenlegung mit Carlos. Heiner Geißler bietet sich als Vermittler an. Ussama wird Ehrenbürger der Stadt Paris.
Als immer mehr Menschen in den USA fordern, man solle bin Laden zum Tode verurteilen, steuert eine Flottille mit Desmond Tutu, Noam Chomsky, Henning Mankell und Norman Peach Guantánomo entgegen, auf dem Frauendeck befinden sich Inge Höger und Hedy Epstein, auf dem Queer-Deck Judith Butler. Konstantin Wecker schreibt seinen »Willy«-Song um: »Sakrament, Ussama! Warst gestern bloß aufm Mond gwesen oder aufm Amazonas in am Einbaum oder ganz alloa aufm Gipfel, drei Schritt vom Himme weg, überall, bloß ned in dera unselign Boazn in Abbottabad!«
Als Fotos auftauchen, auf denen zu sehen ist, wie Guantánamo-Wärter auf bin Ladens Micky-Maus-Hefte pinkeln, geht ein Aufschrei durch die Welt. In Stuttgart verbrennen Wutbürger US-Flaggen. Pax Christi und die Duisburger »Linken« halten Mahnwachen ab und boykottieren alles mögliche. Obama wird der Friedensnobelpreis aberkannt. Serdar Akar verfilmt das Leben bin Ladens, Titel: »Tal der Wölfe – Pakistan«.
Es kommt zum Prozess. Das Alibi seiner zweiten Ehefrau erweist sich als stichhaltig: Ussama war am 11. September 2001 tatsächlich den ganzen Tag im Garten mit den Blumenrabatten beschäftigt. Er wird freigesprochen. Bin Laden erhält den Friedensnobelpreis. Er zieht nach Deutschland und wird Intendant des Berliner Ensembles, Peymann darf als Praktikant weitermachen.