Das Wirtschaftsprogramm des rechtsextremen Front National

Mit dem Franc war alles besser

Der rechtsextreme französische Front National möchte sich in der Wirtschaftspolitik profilieren.

Kahlrasierte Bomberjackenträger waren am 1. Mai als Teilnehmer des Aufmarsches des Front Na­tional (FN) offiziell unerwünscht. Die neue Parteivorsitzende Marine Le Pen wollte bei der Veranstaltung keine Personen sehen, deren Zugehörigkeit zur Neonazi-Szene allzu offensichtlich ist. In einem Schreiben an die Parteiverbände war angeordnet worden, dass Teilnehmer in »folkloristischem Look« – mit extremen Kurzhaarschnitten, Militärklamotten und Springerstiefeln – von der Anmeldung auszuschließen seien. In der Vergangenheit waren auch militante Neonazis häufig mit Reisebussen des FN am 1. Mai nach Paris gefahren.

Die neue Parteiführung möchte sich von dieser FN-Klientel distanzieren, zumindest offiziell. Denn auch in diesem Jahr marschierten Neonazis mit, allerdings hatten sie zu etwas dezenterer Kleidung gegriffen. Einige von ihnen waren auch für den von der Partei gestellten Ordnerdienst rekrutiert worden und konnten allein deshalb nicht hinter eigens angefertigten Transparenten herlaufen. Dafür, dass die Neonazi-Folklore in diesem Jahr etwas unauffälliger blieb, sorgte allerdings auch die größere Zahl an Teilnehmern. Die offensichtlich Rechtsextremen gingen optisch in der Menge der unauffälliger gekleideten Demonstranten unter. Nachdem im vorigen Jahrzehnt die Zahl der Teilnehmer gesunken war, ist die Beteiligung in den vergangenen Jahren wieder angestiegen. Vor zwei Jahren nahmen 1 500 Personen am 1.Mai-Aufmarsch des FN teil, im vorigen Jahr waren es schon 2 000, am Sonntag vor knapp zwei Wochen wurden mehr als 3 000 Teilnehmer gezählt.

Die Ansprache, die Marine Le Pen hielt, unterschied sich inhaltlich von den Reden, die ihr Vorgänger Jean-Marie Le Pen zum 1. Mai gehalten hatte. Seit 1988 veranstaltet die rechtsextreme Partei an diesem Tag einen Aufmarsch zum Gedenken an die »Nationalheilige« Jeanne d’Arc. Marine Le Pen nannte zwar mehrfach deren Namen, wesentlich häufiger fiel aber das Wort »Freiheit«. Mehr als siebzigmal verwendete sie es in ihrer Rede, dazu passend hatten schon während des Aufmarschs zahlreiche Teilnehmer Transparente hochgehalten, auf denen in marineblauer Schrift »Liberté« geschrieben stand. »Freiheit« wird von Le Pen und ihren Anhängern nationalistisch gedeutet. Sie verwenden diesen Begriff, um Stimmung gegen supranationale Institutionen oder die Einheitswährung Euro zu machen.

Als Kronzeugen für ihre nationalistisch gewendete Forderung nach Freiheit zitierte Le Pen Victor Schoelcher, jenen französischen Republikaner, der 1848 die Sklaverei gesetzlich abschaffen ließ, und Charles de Gaulle. Das sind für den FN eher unübliche Vorbilder. Vertrauter klang es da schon, als Le Pen gegen »Masseneinwanderung« agitierte, in diesen Momenten hörte sie sich ganz so an wie ihr Vater.
Vor allem, wenn es um sozial- und wirtschaftspolitische Themen ging, forderte die Rednerin »Freiheit«. So wünschte sich die Parteivorsitzende »freie« Gewerkschaften. Derzeit wehren sich Frankreichs etablierte Gewerkschaftsverbände nämlich mit Ausschlussverfahren gegen die Versuche des FN, sie zu unterwandern. Ginge es nach Le Pen, sollten den etablierten Gewerkschaften zukünftig »freie« Gewerkschaften gegenübergestellt werden, darüber hinaus drohte sie den Verbänden mit der Forderung nach »Transparenz hinsichtlich ihrer Finanzierungsquellen«. Vollmundig hatte der FN angekündigt, dass an der Demonstration am 1. Mai auch ein eigener Gewerkschaftsblock teilnehmen würde. »Für nationale Gewerkschaften« stand auf dem Transparent dieses »Blocks«, zu dem sich nur zwei Personen zusammengefunden hatten. Nicht nur den Gewerkschaften fehle es an »Freiheit«, Mittelständler und Kleinunternehmer würden in Frankreich durch die »Steuerlast« drangsaliert, klagte Le Pen.

Der FN bemüht sich derzeit um ein wirtschaftspolitisches Profil. Am 8. April stellte die Partei bei einer Pressekonferenz einen Entwurf ihres sozial- und wirtschaftspolitischen Programms vor. Erstmals seit etlichen Jahren versuchte der FN, dabei auch mit »Kompetenzen« auf ökonomischem Gebiet zu glänzen. Sehr zum Missfallen der anwesenden Journalisten blieb aber der Banker »François« auf der Pressekonferenz anonym. »François« zeigte eine Power-Point-Präsentation und nannte nur einen Vornamen, ebenso wie ein angeblich ebenfalls an der Erstellung des Programms beteiligter »hoher Beamter aus dem französischen Finanzministerium«, aus Furcht vor Repressalien, wie mitgeteilt wurde. Immerhin enthüllten David Masclé, ein neuer Parteiintellektueller mit Abschlüssen von Eliteuniver­sitäten, und der 84jährige frühere Rechnungsprüfer Jean Roux, der allerdings nicht persönlich auf der Pressekonferenz auftrat, ihre Identität. Roux war nach dem Zweiten Weltkrieg Kommunist gewesen, später hatte er den sozialdemokratischen Präsidenten François Mitterrand unterstützt. Derzeit präsentiert er sich vor allem als Gegner von Frankreichs EU-Mitgliedschaft.
Im Programm werden, im Unterschied zu früheren Positionen des FN, die Bedeutung der staat­lichen Rahmenplanung in der Wirtschaft betont und Eingriffe des Staats befürwortet. Als der FN in den achtziger Jahren Wirtschaftsprogramme vorlegte, richteten sich diese vor allem gegen die Steuerlast und den Sozialstaat. Derzeit beschäftigt sich die rechtsextreme Partei dagegen mit den Auswirkungen der internationalen Arbeitsteilung. Der FN fordert protektionistische Maßnahmen, als alleinige Ursache für das Ent­stehen sozialer Probleme sieht er die Auslagerung von industriellen Produktionsstätten, die er als Folge der zunehmenden Konkurrenz im internationalen Exporthandel wertet.
Mit seinem neuen Wirtschaftsprogramm möchte der FN den »Ausstieg aus dem Euro« verwirk­lichen. Für die nötige Finanzierung wartet die Partei mit einem eigenwilligen Vorschlag auf. Als in Frankreich die europäische Einheitswährung eingeführt wurde, wurden 6,5 Francs gegen einen Euro getauscht, nach der Vorstellung des FN soll beim Ausstieg aus der EU-Währung nun ein Euro dem Wert eines Francs entsprechen. Diese komfortable neue Nationalwährung sollte Frankreich dann allerdings »um 20 Prozent abwerten«, um seine Ausfuhren zu verbilligen und damit den Export zu stimulieren. Ginge es nach dem FN, sollte das Land also möglichst bald einen Wirtschaftskrieg gegen andere europäische Staaten beginnen.