»Nur um Kompressionsstrümpfe anzuziehen«

In Bayern hat man nichts zu lachen. Das legt zumindest ein Gutachten der AOK Bayern nahe. Den Angaben der Krankenkasse zufolge ist die Zahl der Tage, an denen Berufstätige wegen psychischer Probleme krank waren, seit dem Jahr 2000 um fast 54 Prozent gestiegen. Die zunehmende Stressbelastung am Arbeitsplatz sei dafür verantwortlich, gibt die AOK an. Besonders belastet sind neben Reinigungskräften, Lager- und Transportarbeitern Menschen, die in sozialen Berufen tätig sind. Ein Pflegehelfer aus Würzburg gibt der Jungle World Auskunft über seine Arbeitsbedingungen und seine Stressbelastung.

Haben Sie gerade großen Stress auf der Arbeit?

Gerade habe ich ein bisschen Stress. Ich bin auf dem Weg durch die Stadt, mitten im Berufsverkehr. Ich muss von Versbach nach Höchberg und wieder zurück, nur um Kompressionsstrümpfe anzuziehen. Und das um diese Uhrzeit!

Hat der Stress in den vergangenen Jahren denn zugenommen?

Eigentlich nicht. Zurzeit nervt nur die Entfernung zwischen den Patienten. Ich gurke die ganze Zeit mit dem Auto durch die Gegend.

Haben Sie sich in jüngster Zeit krankgemeldet?

Nein.

Wann waren Sie das letzte Mal krank?

Im Dezember 2009.

Und warum?

Wegen psychischer Probleme.

Ha, also doch.

Das hatte nichts mit der Arbeit zu tun. Das war was Privates.

Klagen Ihre Kollegen denn über zunehmenden Stress?

Da sind zum Teil heulende Wölfe dabei. Es kommt ja auch immer darauf an, welchen Stress man sich macht.

Wie vermeiden Sie allzu großen Stress auf der Arbeit?

Ich mache es mir gemütlich. Ich halte bei jedem zweiten Bäcker an und belohne mich mit Leckereien. Gerade habe ich ein Eis gegessen und trinke eine kühle Cola. Cola light – sonst nehme ich zu arg zu.
Aber Pfleger, die in einem Heim arbeiten, dürften weitaus mehr Stress haben als ich.

Sie würden also Ihre Arbeit empfehlen?

Ich fühle mich pudelwohl und bin weit entfernt vom Burnout-Syndrom. Ein bisschen Stress darf ja auch sein. Aber in meiner Firma geht es auch lockerer zu als in anderen Pflegestationen. Im letzten Jahr haben wir eine Gehaltserhöhung und zwei Mal Bonuszahlungen bekommen – ohne zu streiken!