Ihr liebstes Hobby

Eingekreist von hunderten Gegendemonstranten stehen um die 60 Nazis auf dem Mehringdamm in Berlin-Kreuzberg. Von weitem ist nur eine schmale Linie von Polizeihelmen erkennbar, die sich durch die Menschenmenge zieht. Erst am Vorabend ist durch Zufall bekannt geworden, dass es am Samstag diesen Naziaufmarsch mitten in Kreuzberg geben soll. Nicht nur der Anmelder, sondern auch die Polizei hat versucht, die Demonstration und deren Route geheimzuhalten, um »massive Blockadeaktionen« zu verhindern. Trotzdem werden die Nazis vor dem Finanzamt am Mehringdamm schnell von Gegendemonstranten umzingelt. Das wie eine Burgattrappe aussehende Gebäude ist nicht die schlechteste Kulisse für einen Naziaufmarsch. Und das ehrgeizige Ziel der Route, die einen Kilometer entfernt gelegene Polizeiwache, wäre der passende Ort für die Forderung der Nazis nach der »Erfassung der Nationalität bei Straftaten« gewesen, doch der Aufzug kommt nicht so weit. Die Polizei hat die brillante Idee, die Nazis durch den U-Bahnhof Mehringdamm unter der Blockade durchzuschleusen. Die Nazis überholen aber auf dem Bahnsteig die sie begleitenden Polizisten und nutzen die Bewegungsfreiheit für ihr liebstes Hobby: auf Migranten und Gegendemonstranten Losgehen. Mehrere Menschen werden verletzt. Das Motto ihrer Versammlung, »Wahrheit macht frei – die Herkunft der Täter beim Namen nennen«, gewinnt dadurch eine wohl unbeabsichtigte Bedeutung. Am anderen Ausgang des U-Bahnhofs werden die Nazis vor einer Currybude erneut umzingelt. Tomaten fliegen aus verschiedenen Richtungen, Böller knallen, wer auf wen wirft, ist unklar. Sprechchöre erschallen, dann gibt es Gerangel, Polizisten schieben Gegendemonstranten grob zur Seite und setzen Tränengas ein. Die Nazis verschwinden erneut unter Polizeischutz im U-Bahnhof. War’s das? Oben herrscht Verwirrung, Gegendemonstranten bewegen sich in Richtung des anderen Ausgangs. Doch dieses Mal bleiben die Nazis unten.