Über die NPD in Bremen

Bürgernaher Nationalismus

Nach dem Scheitern bei den Bremer Landtagswahlen wird in der NPD wieder verstärkt über eine programmatische Neuausrichtung der Partei diskutiert.

»Dieses Ergebnis war wirklich eine große Enttäuschung«, sagte Matthias Faust. In Bremen wollte der stellvertretende Bundesvorsitzende und Spitzenkandidat der NPD am 22. Mai seinen Einzug in die Bürgerschaft feiern. Verbunden damit war die Hoffnung der Partei, nach Jahrzehnten erstmals wieder in ein westdeutsches Landesparlament einzuziehen. Die Bedingungen schienen ihr entgegenzukommen. Über Jahre hinweg hatte die DVU in Bremen bereits ein Potential an Stammwählern gewinnen können. Hinzu kam, dass ein Stimmenanteil von fünf Prozent in Bremen und Bremerhaven für den Einzug in die Bürgerschaft ausgereicht hätte. Am vergangenen Montag stand jedoch fest, dass die Partei in Bremen nur 1,4 Prozent und in Bremerhaven 2,3 Prozent erreicht hatte. Für den NPD-Bundesvorstand um den Bundesvorsitzenden Udo Voigt war das nicht die einzige schlechte Nachricht an diesem Tag. Fast zur selben Zeit entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dass die Partei wegen Fehlern in ihrem Rechenschaftsbericht 2007 rund 2,5 Millionen Euro Strafe zahlen muss. Eigentlich hatte die NPD das Jahr 2011 als »ihr Jahr« ausgerufen. Die Fusion mit der DVU sollte abgeschlossen und die Landtagswahlen sollten erfolgreich bestritten werden, der Rechtsstreit mit dem Deutschen Bundestag über die Rechenschaftsberichte der Partei wurde dagegen als unerheblich abgetan. Knapp vier Monate später ist keines dieser Ziele erreicht worden. Die NPD muss nun vor dem Bundesverwaltungsgericht versuchen, die Strafzahlung noch abzuwenden, um nicht finanziell handlungsunfähig zu werden. Außerdem sind die rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Fusionsgegnern der DVU noch nicht beendet. Keine Überraschung ist es also, dass Faust, der die Fusion in seiner Zeit als DVU-Chef vorantrieb, sich in Durchhalteparolen flüchtet. »Nach der Wahl ist vor der Wahl«, verkündete er. Dass der Bremer Parteivorsitzende Horst Görmann in Bremerhaven in die Stadtverordnetenversammlung einzog, erschien dabei nur als schwacher Trost. Mit Häme kommentiert wurde das Wahlergebnis der NPD von der DVU, deren Vorsitz Faust abgegeben hatte, um als NPD-Kandidat antreten zu können. »Nachdem die NPD nichts unversucht ließ, selbst zu den Wahlen anzutreten, und mit Pauken und Trompeten ankündigte, besser als die DVU zu sein, erwartete der DVU-Landesverband Bremen mit Spannung den Wahlabend«, schrieb Rudolf Bragmann auf der DVU-Website süffisant. Erst anlässlich seiner Erklärung dürfte den Medien überhaupt aufgefallen sein, dass die DVU in Bremen immer noch existiert. Seit Beginn der Fusionsbestrebungen gehörte der Bremer DVU-Vorsitzende Bragmann zu deren Kritikern, wenngleich er seine Meinung selten öffentlich äußerte. Auch im Zuge der Wahlen blieb die Bremer DVU im Hintergrund. Keine einzige Wahlaktion der NPD wurde von Bragmann kommentiert, weder die staatliche Beschlagnahmung von Werbemitteln wie Schülerzeitungen und CDs, noch das geringe Interesse innerhalb der Szene an den Aufmärschen und Infoständen der Partei. Nun betont Bragmann, dass es der DVU seit 1987 mit nur einer Ausnahme immer wieder gelungen sei, über Bremerhaven in die Bürgerschaft einzuziehen, und meint, seine Partei »hätte dieses Potential mit Sicherheit auch dieses Mal mobilisieren können«. Etliche Wähler hätten ihm versichert, »dass sie die DVU gerne gewählt hätten, die NPD jedoch als zu radikal ansehen«. Bragmann hält der NPD außerdem vor, dass ihr Wahlkampf viel zu »populistisch« gewesen sei. Zu wenig sei auf die »aktuellen politischen Ereignisse« im Stadtstaat eingegangen worden. Dass die DVU sich vielleicht auch nicht gegen die rechte Konkurrenz hätte durchsetzen können, blieb unerwähnt. Bragmann gratulierte der ebenfalls in Bremen angetretenen rechten Wählervereinigung »Bürger in Wut« um Jan Timke, die mit einem Sitz in die Bürgerschaft einziehen konnte, nur wortkarg und betonte, der aus der Schill-Partei kommende Timke sei »nicht gerade ein Freund der DVU«. In der NPD wird das jüngste Scheitern die gegenwärtige Debatte weiter befeuern. »In Bremen«, sagte Martin Langebach, Rechtsextremismus­experte von der Universität Düsseldorf, vor dem Wahltag, habe die NPD darauf gehofft, »mehr Stimmen aus der verunsicherten Mittelschicht zu gewinnen«. Schon länger werde in der Partei erwogen, die Strategien anderer rechter Parteien in Europa zu übernehmen und die Positionen etwa zur »Überfremdung« moderater zu formulieren. Statt Blut-und-Boden-Ideologie solle ein »populistischer Sozialrassismus« die Wähler ansprechen. Vor allem aus der sächsischen NPD-Landtagsfraktion wird ein solcher Politikwechsel hin zu einer »seriösen Radikalität« gefordert. Schon nach der Wahlniederlage der NPD in Sachsen-Anhalt am 20. März hatte das NPD-Präsidium das Ergebnis mit dem Slogan »Nach der Wahl ist vor der Wahl« schönzureden versucht. Es machte die »Großwetterlage« wegen des Reaktorunglücks in Japan und die »Schmutzkampagne« gegen den NPD-Spitzenkandidaten Matthias Heyder für das Scheitern verantwortlich. In einer internen E-Mail hatte der parlamentarische Berater der sächsischen NPD-Fraktion, Peter Schreiber, bereits im März betont, dass Heyders »Verbalradikalismus« zum Misserfolg der Partei beige­tragen habe. In der E-Mail, die der Landtagsfraktion der Grünen in Dresden zugespielt wurde, greift er eine Überlegung des saarländischen NPD-Vorsitzenden Frank Franz auf, beim Kampf gegen »Überfremdung« solle weniger »rigoros auf das Abstammungsprinzip« rekurriert werden. Stattdessen müsse man sich vor allem mit »kriminellen und arbeitslosen Ausländern beschäftigen«. Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel ging in der Deutschen Stimme nicht auf diese Position ein, sprach sich aber ebenfalls dafür aus, verstärkt diejenigen Bürger anzusprechen, »die wirtschaftlich noch etwas zu verlieren haben«. In der Deutschen Stimme griff der sächsische NPD-Fraktionsvorsitzende Holger Apfel Gansels Argumentation einen Monat später auf und plädierte für einen »bürgernahen, zukunftsorientierten Nationalismus«. Die Gesellschaftsschicht, die sich vom Sozialstaat alleingelassen fühlt und Thilo Sarrazin zustimmt, soll also künftig umworben werden. In Bremen gelang der NPD das noch nicht.