Derber als alle anderen

Hört eigentlich noch jemand HipHop? Vor kurzem noch die global wirkmächtigste Jugendkultur, ist HipHop heute das, mit dem sich ein paar übriggebliebene Bushido-Fans beschäftigen. Doch alle paar Monate schafft es dieses Genre, einen dann doch noch einmal zu überraschen. Wenn der Dauerinnovator Kanye West eine neue Platte veröffentlicht beispielsweise. Oder jetzt Tyler the Creator und seine Odd Future Crew. Diese macht nichts, was es im HipHop vorher nicht schon einmal gegeben hätte. Sie haut tierisch auf die Kacke, in den Raps wird politisch unkorrekt vor sich hingebrabbelt (»Bitch, suck dick!«), eine Homophobie-Diskussion gibt es wegen bestimmter Textzeilen auch bereits und das musikalische Ergebnis klingt so aggressiv wie Public Enemy und so virtuos wie der Wu-Tang Clan gleichzeitig.
Die Crew kommt aus Los Angeles, ihre Mitglieder sind teilweise noch im Teenageralter, und doch scheinen sie schon alle genau zu wissen, dass das Genre HipHop sehnsüchtig auf sie gewartet hat. Man will in Tyler the Creator und seinen Jungs schon die Sex Pistols des HipHop sehen, was vielleicht ein wenig übertrieben ist, denn wahrscheinlich war NWA bereits die erste wirklich durchgeknallte Punkband des HipHop. Die Odd Future Crew sind dann aber mindestens die Nirvana des HipHop und Tyler the Creator dessen Kurt Cobain. Eine ähnlich überzeugende Hip-Hop-Platte wie »Goblin« wird es dieses Jahr jedenfalls nicht mehr geben.

Tyler the Creator: Goblin (XL)