Kommunalwahlen in Italien

Stalingrad in Mailand

Bei den Kommunalwahlen könnte die Partei von Silvio Berlusconi ihre wichtigste Stadt verlieren. Die Wahl in Mailand ist entscheidend für die politische Zukunft des italienischen Premierministers.

Nach dem schlechten Abschneiden seiner Partei bei den Kommunalwahlen Mitte Mai war Silvio Berlusconi nicht mehr nach Scherzen zumute. Ausgerechnet in Mailand, aber nicht nur dort, muss das Rechtsbündnis in die Stichwahl. Die amtierende Oberbürgermeisterin Letizia Moratti blieb im ersten Wahlgang weit hinter Giuliano Pisapia zurück, dem Kandidaten des Linksbündnisses.
»Unvorstellbar, dass diese Stadt nicht von uns regiert wird«, hatte Berlusconi noch bei der Stimmabgabe gesagt. Mailand ist sein Territorium. Hier wurde er zum reichsten Bau- und Medienunternehmer des Landes, hier gründete er seine Partei »Forza Italia« und hier gründete er mit den Separatisten der Lega Nord ein Rechtsbündnis, das seinen politischen Aufstieg ermöglichte.
Nun aber könnte ausgerechnet in Mailand das überfällige Ende von Berlusconis politischer Karriere eingeleitet werden. Seit Wochen laufen hier die Prozesse, in denen er sich wegen Korruption und Prostitution Minderjähriger verantworten muss. Wiederholt hatte Berlusconi im Wahlkampf die Staatsanwaltschaft als »Krebsgeschwür« der italienischen Volkssouveränität bezeichnet. Zuletzt hatte er die Kommunalwahlen zu einem »Test von nationaler Bedeutung«, zu einem Referendum über seine Person ausgerufen. Das Wahldebakel in Mailand ist deshalb vor allem seine persönliche Niederlage.
Erst zwei Tage nach der Wahl meldete sich Berlusconi mit einer als Interview getarnten Ansprache auf fünf Fernsehkanälen bei seinem Publikum zurück. In der Rolle des Ministerpräsidenten versicherte er, die Stichwahlen hätten keinerlei Auswirkungen auf die Stabilität der Regierung, als Wahlkämpfer griff er auf seine alte antikommunistische Propaganda zurück: Pisapia sei ein »Terrorist«, der aus Mailand »Stalingrad« machen wolle. Da sich der linke Politiker bei den Vorwahlen innerhalb des Linksbündnisses gegen die Kandidaten der Demokratischen Partei durchsetzen konnte und früher einige Jahre als unabhängiger Abgeordneter für die Partei der Rifondazione Comunista im Parlament saß, wird er von der Rechten seit Monaten als »Extremist« diffamiert. Er gilt ihr als Kandidat der linksradikalen Centri sociali. Die Lega Nord plakatiert, Mailand werde in eine »Zigeunerstadt« verwandelt, die Wertkonservativen warnen vor einem »Schwulen-Mekka«, einer Stadt, »in der es keinen Unterschied mehr gibt zwischen Männern und Frauen«. Doch über die Wahlkampftaktik herrscht innerhalb der Rechten Streit: Mailands Großbürgertum distanziert sich inzwischen von der ungebremsten Vulgarität des Berlusconi-Lagers und die Parteibasis der Lega Nord plädiert für mehr Autonomie. So zeugt Berlusconis Versprechen, den Sitz zweier Ministerien nach Mailand zu verlegen, ebenso wie die populistische Ankündigung, Strafzettel zu annullieren, eher von verzweifelter Ohnmacht denn von optimistischer Souveränität. Bei der Stichwahl am Wochenende ist es nicht auszuschließen, dass es den Rechten wider Erwarten noch einmal gelingt, Geschlossenheit zu demonstrieren. Die Stimmung in der Stadt deutet allerdings eher darauf hin, dass Pisapias Erfolg im ersten Wahlgang eine so starke symbolische Wirkung hatte, dass kommenden Montag in Mailand tatsächlich eine neue politische Ära beginnen kann.