Neonazis feiern den »Tag der deutschen Zukunft«

Mit halber Kraft voraus

Am 4. Juni wollen Neonazis den »Tag der deutschen Zukunft« begehen und durch die Braunschweiger Innenstadt marschieren. Die Stadt hat ein einstweiliges Verbot der Veranstaltung erwirkt.

»Wenn wir es geschafft haben, wirklich alle in der nationalen Opposition zu vereinigen, unter welchen Vorzeichen auch immer, dann wird es wie einst einen Sternmarsch nach Berlin geben, und dann wird uns keiner dieser Hochverräter mehr entkommen. Dann wird jede Ausfallstraße gesperrt sein, Barrikaden werden stehen. Dann ist Deutschland wieder erwacht. Was gut ist, kommt wieder, und wir sind schon da!« Dieter Riefling, ehemaliger Kader der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und Anmelder des geplanten Braunschweiger Naziaufmarsches zum »Tag der deutschen Zukunft«, hob schon 2004 gegenüber dem ZDF die Bedeutung des »Rückgewinns der Straße« hervor, der dazu dienen solle, die zerstrittene Szene zu einen. Das Mobilisierungsvideo auf Youtube zeigt, dass die »Freien Kräfte«, statt mit der »sozialen Frage« Anhänger gewinnen zu wollen, ihren Aufmarsch diesmal explizit unter das Motto stellen: »Unser Signal gegen Überfremdung«, also an die Diskussionen um Thilo Sarrazin anzuknüpfen versuchen: Es geht darum, rassistische Ressentiments in der Mitte der Gesellschaft aufzugreifen, aber auch bisher unorganisierte Sympathisanten anzusprechen.

Der »Tag der deutschen Zukunft« soll jedes Jahr in einer anderen Stadt stattfinden, zunächst nur in Norddeutschland, um die lokalen Szenen zu stärken und gegen »Überfremdung« zu demonstrieren. Es kursieren offenbar auch Überlegungen, den Aufmarsch alljährlich in Braunschweig stattfinden zu lassen. Als Organisatorin vor Ort fungiert eine Braunschweiger Kameradschaft, die sich »Burschenschaft Thormania« nennt, in der Vergangenheit jedoch überwiegend auf Schützenfesten und bei Osterfeuern statt an Universitäten Präsenz zeigte. Ihre Mitglieder sind auch auf nahezu jedem Naziaufmarsch in Norddeutschland zu sehen. Im Jahre 2009 stellten sie den Saalschutz, als der NPD-Rechtsanwalt Jürgen Rieger in Wolfsburg einen Verein zur Gründung eines KdF-Museums ins Leben rufen wollte.

Der mehrfach einschlägig vorbestrafte Dieter Riefling, der schon in den Achtzigern Mitglied der FAP war, engagierte sich später im Umfeld der verbotenen Organisation »Blood & Honour« und gründete 2006 die rechte »Bürgerinitiative für Zivilcourage« (BFZ). Als führender Vertreter des sogenannten Hildesheimer Widerstandes hat er wichtige Funktionen bei der Koordinierung der Kameradschaftsszene inne. Seine Frau Ricarda Riefling ist beim »Tag der deutschen Zukunft« Versammlungsleiterin. Sie ist Mitglied in der NPD sowie im »Ring nationaler Frauen« und hat vor einigen Wochen in Hildesheim ein »Spargelessen gegen Überfremdung« organisiert.
Der Braunschweiger Aufmarsch wäre bereits der dritte seiner Art: 2009 kamen nur 200 Nazis nach Pinneberg, aber 4 000 Gegendemonstranten, weshalb die Polizei in Absprache mit dem Anmelder den Aufmarsch verschob und in einen anderen Stadtteil verlegte, so dass die Blockaden keinerlei Wirkung hatten. 2010 in Hildesheim war die Teilnehmerzahl bereits auf 800 gestiegen. Die Polizei erwartete aber nur 300 Nazis. Schon am frühen Morgen hatte sie die Route abgeriegelt, so dass auch dieser Aufmarsch nicht verhindert werden konnte. Der »Tag der deutschen Zukunft« hat sich damit neben dem geschichtsrevisionistischen »Trauermarsch« in Bad Nenndorf und dem »Antikriegstag« in Dortmund zu einem der wichtigsten Aktionstage der Naziszene in Norddeutschland entwickelt und durch den Misserfolg in Dresden bundesweit an Bedeutung gewonnen. Für den 4. Juni haben die Veranstalter 750 Teilnehmer angemeldet, die Braunschweiger Antifa geht von mindestens 1 000 aus.
Längst haben auch die Nazis das Internet als Medium für sich entdeckt: Sie betreiben eine aufwendig gestaltete Internetseite, auf der bei jedem Artikel die Lesedauer angegeben ist, damit der geneigte Nationalist weiß, wie viel Zeit er für die Lektüre aufzubringen hat. In dem erwähnten Youtube-Video zeigen Riefling und sein Gefolge, dass sie sich sogar tief in das traditionell linke westliche Ringgebiet vorwagen. Sogar Twitter wird von ihnen immer häufiger genutzt, und ihre Facebook-Gruppe hat bereits mehr als 600 Anhänger.

Gegen den Aufmarsch hat sich das »Bündnis gegen Rechts«, das die Proteste koordiniert. Radikale linke Gruppen haben sich in der Initiative »Keine Zukunft der Vergangenheit« zusammengeschlossen, die zu Blockaden und zur Verhinderung des Aufmarsches aufruft. Aus einem von Oberbürgermeister Gert Hoffmann, einem früheren NPD- und derzeitigen CDU-Mitglied, angeregten Gesprächskreis, dem Vertreter kirchlicher Gruppen, der Stadtverwaltung sowie des Arbeitsausschusses Innenstadt (AAI) angehören, ist das Bündnis »Bunt stoppt Braun« hervorgegangen. Dieses organisiert ein Fest und ein Konzert in der Innenstadt sowie – mit Hilfe des Deutschen Gewerkschaftsbundes – eine Kundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz.
Zur gleichen Zeit findet auf dem zentral gelegenen Kohlmarkt »Braunschweig International« statt, ein von Migranten und Kulturvereinen organisiertes Fest, das »Interkulturalität erlebbar« machen soll. Die Stadt Braunschweig hat nun ihrerseits dieses Fest genutzt, um den Naziaufmarsch zu verbieten. Dieses Verbot wurde vom Verwaltungsgericht Braunschweig bestätigt, da die fremdenfeindliche Demonstration den Ablauf des am gleichen Tag stattfindenden Kulturfestes verhindern oder massiv beeinträchtigen würde. Die Veranstalter der Demonstration haben angekündigt, Rechtsmittel gegen das Verbot einzulegen. Erfahrungsgemäß besteht tatsächlich wenig Hoffnung, dass das Verbot bestehen bleibt. Die Organisatoren der Gegenveranstaltungen rechnen aber damit, dass den Rechtsextremisten zumindest eine kürzere Ausweichroute verordnet wird – wenn es ihnen überhaupt gelingt, den Bahnhofsvorplatz zu verlassen.