Verdirbt das Grillen den Appetit

Schmodder schmeckt nicht

Grillen macht Menschen zu misstrauischen, herrischen Zeitgenossen. Und die Matsche aus Hühnersalmonellen, Honigmarinade und Knochenresten, die man an Grillabenden zu sehen bekommt, verdirbt einem ohnehin den Appetit.

Gut, Gummibärchen kann man definitiv nicht grillen, und Rosenkohl wahrscheinlich auch nicht – aber sonst gibt es eigentlich kein leckeres Lebensmittel, das sich nicht auch höchst erfolgreich auf einen Rost über glühende Kohlen legen ließe.
Und so könnte für die Liebhaber von Essen, das weder in einem Topf noch in einer Pfanne zubereitet wird, auch alles gut sein – die meisten Restaurants bieten auf ihren Speisekarten Gegrilltes an, und für den Hausgebrauch gibt es praktische Tischgrills und nützliche Erfindungen wie den »Heißen Stein« –, wenn nicht selbst sehr sympathische, intelligente Menschen Jahr für Jahr stur darauf beharren würden, sogar zu grillen, bei schönem Sommerwetter, weil sie es mal wieder ganz gemütlich haben wollen. »Das wird bestimmt total toll«, heißt es dann.
Gar nicht wahr: Ein typischer »Heute abend ab acht wird gegrillt, kommt alle«-Tag beginnt mit viel Hunger, denn natürlich will man sich den Appetit nicht verderben und verzichtet schon Stunden vorher auf jedwede Nahrungsaufnahme. Schwerer Fehler, wie sich bei der Ankunft am Grillort herausstellen wird, denn selbst als notorisch unpünktliche Person wird man es niemals schaffen, so dermaßen verspätet zu erscheinen, dass es schon etwas zu essen gibt. Im Gegenteil, auch eine Stunde nach Beginn des großen Ereignisses lässt sich feststellen: Die Kohlen sind immer noch nicht durchgeglüht. Die zuständige Grill­person ist mittlerweile dazu übergegangen, alle ihr von den umstehenden Männern mit dem »So wird das aber nix«-Blick gereichten Hilfsmittel wie Brandbeschleuniger und Luftpumpen einzusetzen, um endlich, endlich Glut zu erzeugen.
Diese Grillperson ist übrigens selbst dann, wenn es sich um einen im normalen Leben sehr netten Menschen handelt, einfach durch das Herumstehen hinter dem Grill urplötzlich zum Diktator geworden und bestimmt ganz allein, was in welcher Reihenfolge, auf welche Art und in welcher Anordnung zubereitet wird. Einwände wie »Ich möchte mein Steak aber nicht mit diesem Honiggelumps eingepinselt haben« führen nur dazu, dass das Fleisch besonders lang in der suspekten Marinade liegen muss. Und wehe, man versucht, hinterrücks Tauschgeschäfte zu organisieren! Gegessen wird das, was man zugeteilt bekommt, basta!
In solchen Momenten – also dann, wenn man gar nicht genug Hände hat, um den labberigen Pappteller zu balancieren, dabei den gröbsten Honigschmodder vom Fleisch zu kratzen und die vielen kleinen, fiesen Gürkchenteile aus dem Kartoffelsalat zu entfernen – erscheint das Grillen nach dem Laissez-faire-Prinzip als eine ideale Alternative. Aber von wegen! Beim Freestyle-Grillen ohne Chef, wenn jeder selbst das Mitgebrachte zubereitet, lernt man nämlich zuallererst zu misstrauen. Und zwar nicht nur denjenigen, die mit den kleinsten und billigsten und vermutlich schon seit mehreren Tagen abgelaufenen Würstchen auftauchen und dann immer, wenn man sie sieht, Garnelenspieße und Filetsteaks auf dem Teller haben, während ein paar Meter weiter schwer gerätselt wird, wo denn die Meeresfrüchte plötzlich hin sind.

Nein, auch Menschen, die Hähnchenschenkel aus dem nächsten Supermarkt mitgebracht haben, muss man ständig überwachen. Das sind nämlich ausgerechnet immer diejenigen, die besonders viel trinken und dann sehr fröhlich und vor allem sehr nachlässig werden. Wogegen ja nichts zu sagen wäre, wären da nicht die Geflügelteile und die ihnen anhaftenden Salmonellen, die von ihren alkoholisierten Besitzern grundsätzlich derart schwungvoll auf den Grill gepackt werden, dass sich das ihnen anhaftende Blut, Tauwasser und was sonst noch so an Flüssigkeiten vorhanden sein mag großzügig über mindestens zehn fertige Würstchen, Steaks, Fische und Tomaten verteilt. Das bekommt im Halbdunkel aber natürlich kaum jemand mit, weswegen nur wenige Sekunden später alles auf Tellern landet und zügig verspeist wird.
Schön ist das nicht. Aber im Grunde ist es auch egal, denn mittlerweile sind keine sauberen Teller mehr da, weswegen die alten wiederbenutzt werden, so dass nach und nach alles Essbare in einer Matsche aus Hühnersalmonellen, Honigmarinade und Knochenresten landet, was aber immerhin gut zum Spiritus passt, den kurz zuvor jemand auf dem Tisch umgestoßen hat.