»Die Linke« und die »Israelkritik«

Durchsichtiges Manöver

Der jüngste Beschluss der Linksfraktion im Bundestag zum Thema »Israelkritik« zeugt keineswegs von Einsicht – nicht einmal bei seinem Initiator selbst.

Schon der apodiktische Beginn der Erklärung ist überaus fragwürdig, sprachlich wie inhaltlich: »Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserer Partei heute und niemals einen Platz«, heißt es in einer Pressemitteilung, die die Bundestagsfraktion der »Linken« am Mittwoch vergangener Woche verbreitete. Dabei ist vor allem in der jüngeren Vergangenheit immer wieder deutlich geworden, dass die Judenfeindlichkeit in ihrer modernen Variante, der Dämonisierung und Delegitimierung Israels, auch und besonders in der Linkspartei ein festes Zuhause hat. Zu diesem Ergebnis kommt auch die kürzlich veröffentlichte Studie von Samuel Salzborn und Sebastian Voigt, durch welche die »Linke« unter erheblichen öffentlichen Druck geraten ist.
Deren Parlamentsfraktion versuchte nun unter Führung ihres Vorsitzenden Gregor Gysi einen Befreiungsschlag. »Wir werden uns weder an Initiativen zum Nahost-Konflikt, die eine Ein-Staaten-Lösung für Palästina und Israel fordern, noch an Boykottaufrufen gegen israelische Produkte, noch an der diesjährigen Fahrt einer ›Gaza-Flottille‹ beteiligen«, wurde versichert. Doch diese Beteuerungen sind in der Fraktion keineswegs so unumstritten, wie es das Statement glauben machen will. Dass es einstimmig verabschiedet wurde, lag ausschließlich daran, dass zehn Parlamentarier die Sitzung bereits vor der Abstimmung verlassen hatten und weitere fünf gar nicht erst erschienen waren.
Nicht wenige Fraktionsmitglieder äußerten denn auch ihren Unmut. »Dieser Beschluss wurde von vielen, auch von mir, nicht mitgetragen und kam nur durch großen psychologischen Druck zustande«, klagte beispielsweise Annette Groth. Ihr Kollege Andrej Hunko beschwerte sich in vollendetem Antiimp-Deutsch: »Der Beschluss zielt nicht auf eine Klärung in der Antisemitismusfrage oder der Nahostpolitik, sondern auf die Unterwerfung der Linken, insbesondere ihres linken Flügels, unter die Attacken der Kriegsparteien.« Und die Abgeordnete Ulla Jelpke ließ im Brustton der Überzeugung wissen, sie halte die drei von Gysi genannten Punkte – Ein-Staaten-Lösung, Boykottaufrufe, Gaza-Flottille – für »per se nicht antisemitisch«.
Von Einsicht kann also keine Rede sein – nicht einmal bei Gregor Gysi selbst. Schließlich hatte dieser die Antisemitismusvorwürfe noch vor kurzem rundweg als »Blödsinn« abgetan, und auch nach dem Beschluss machte er deutlich, dass er die Teilnahme von Abgeordneten der »Linken« an der Gaza-Flottille nicht deshalb ablehnt, weil diese einen antisemitischen Angriff auf den jüdischen Staat darstellt, sondern lediglich, weil »die Finanzierung der Aktion nicht klar« sei. Die eilig beschlossene Stellungnahme hatte also nicht den Zweck, den Antizionismus als solchen zu ächten – zumal die Nichtbeteiligung an israelfeindlichen Aktivitäten noch lange nicht bedeutet, dass man diese Aktivitäten auch bekämpft –, vielmehr sollten mit ihr jene Kritiker beschwichtigt werden, die an der Regierungsfähigkeit der Linkspartei zweifeln. Dabei bewegt diese sich mit ihrer »Israelkritik« vollkommen im deutschen Mainstream. Sie stellt sich nur etwas tapsiger an als andere.