Protest in Hamburg gegen die geplante neue »Gaza-Flottille«

Die schrumpfende Flottille

Unter dem Motto »Träume versenken« wurde am Sonntag in Hamburg gegen die geplante zweite Gaza-Flottille demons­triert. Das deutsche Schiff der internationalen »Hilfsflottille« stach nicht in See.

»Nimm mich mit, Kapitän, in die Ferne«, singt Hans Albers im gleichnamigen Lied. Und die meisten der Touristen, die sich heute trotz sogenanntem Hamburger Schietwetter an den Landungsbrücken bei einer Kaffeefahrt im Bus vorbeikutschieren lassen, glauben wahrscheinlich immer noch an den Mythos der gefährlichen Abenteuer tapferer Seefahrer. Sie sind alle über sechzig. Und wenn das Klischee stimmt, dann dürften sie Henning Mankell nur von den Krimiabenden im »Kukident-Sender« ZDF kennen. Und nicht als tapferen Seefahrer, der sich für die vermeintlich gute Sache unerschrocken in Gefahr begibt – auch wenn Presseorgane vom Spiegel bis zur Jungen Welt das vor einem Jahr jedem mitteilen wollten, den es nicht interessierte. So verwundert es auch nicht, wie entsetzt die Damen und Herren schauen, als ihnen ausgerechnet bei einem Sonntagsausflug ein paar riesige Israel-Flaggen und Banner mit Aufschriften wie »Hate Your Heimat« die Aussicht auf das Hamburger Postkartenmotiv, die Landungsbrücken, versauen. Heftiger Regen, eisiger Wind, 40 Menschen, größtenteils in schwarz gekleidet, und Busfahrer, die den Kaffee in der Gepäckablage brauen: So stand das bestimmt nicht in der Reisebeschreibung.
Auch andere Menschen hatten etwas angekündigt, das dann doch nicht eintraf. »Ähm, wo ist denn das Schiff von der Gaza-Flottille, von dem im Flyer die Rede ist und das heute hier ablegen soll?« fragt ein dicker Mittvierziger mit Vollbart und Achtziger-Jahre-Fußballregenjacke, der seine Tochter im Schlepptau hat, einen der Veranstalter. »Das legt in Schottland ab.« – »Schottland? Das is’ aber schade«, fasst der Mann die Situation zusammen und verschwindet samt Nachwuchs.
Für die Enttäuschung können die Veranstalter der Demonstration unter dem Titel »Träume versenken! Demo anlässlich der zweiten Free-Gaza-Flotilla« nichts. Vielmehr liegt es an der politischen Lage und den Problemen des Initiators der »Hilfsflottille«, der Insani Yardım Vakfı (IHH), in der Türkei (siehe Kommentar Seite 5). Deren Regierung nämlich vergällt den Organisatoren und den im vergangenen Jahr so prominent in Szene gesetzten Aktivisten die Aktion. In Deutschland ist die Situation für die tapferen Seefahrer ebenfalls nicht rosig: Die Partei »Die Linke« hat gerade einen angeblichen »Maulkorberlass« (Junge Welt) erlassen, der der uneingeschränkten Unterstützung der Gaza-Hilfslieferungen ein wenig entgegenwirkt. Daraus ergibt sich, dass immer weniger verwegene Landratten »Nimm mich mit, Kapitän, in die Ferne« anstimmen und sich auf nach Gaza machen. Statt der angekündigten 15 Schiffe sind es offenbar nur noch acht.
Auch wenn das Motto der Veranstaltung als schiefe Metapher daherkommt, einige Träume sind im Streit um die Flottille zerplatzt. Denn am Ende lässt die Demonstration, als sie über die Uferpromade weiter in Richtung Baumwall zieht und an einer dank Regenströmen menschenleeren Kulisse vorbeiwandert, nur durchnässte Flyer und Demonstranten zurück, während den Unterstützern der sogenannten Hilfslieferung mittlerweile der Gegenwind härter ins Gesicht schlägt. Wie wäre es also, die vor kurzem geöffnete Route über Ägypten nach Gaza zu nehmen?