Nicht ohne meinen Anreiz

Unternehmer werden meist nicht den bildungsfernen Schichte zugerechnet. Doch gewinnt man immer öfter den Eindruck, dass sie in der Schule nicht aufgepasst haben, als der Begriff »unternehmerisches Risiko« dran war. Erinnern wir uns: Unternehmer verdienen mehr Geld als andere Menschen, so erzählte man den Schülern, dafür tragen sie das Risiko, alles zu verlieren. Auch in früheren Zeiten stieß man selten auf Unternehmer, die nach einem Bankrott unter einer Brücke schliefen, aber es waren weniger häufig nicht endend wollendes Gejammer und Forderungen nach staatlicher Entschädigung zu hören, wenn das Geschäft mal nicht so gut lief. Der Großhandel hat weniger Gemüse verkauft? »Ich habe bei der Verbraucherministerin deutlich gemacht, dass der Handel auch gerne über Kompensationen sprechen möchte«, sagt Josef Sanktjohanser, der Präsident des Handelsverbands Deutschland. Die Laufzeit der längst amortisierten Atomreaktoren wird verkürzt? Da ist ein »faire Entschädigung« fällig, glaubt Øystein Løseth, CEO von Vattenfall. Die privaten Gläubiger sollen einen Beitrag zur sogenannten Griechenland-Hilfe leisten? Das geht nicht ohne »wirtschaftliche Anreize«, mahnt der deutsche Bankenverband.
Wo ist Adam Smiths unsichtbare Hand geblieben? Der Markt war schon immer eine staatliche Veranstaltung, doch seit der Zeit, in der Feudalherren sich den Schutz des Handels teuer bezahlen ließen, ist die Bourgeoisie immer anspruchsvoller geworden. Gab sie sich nach der bürgerlichen Revolution noch damit zufrieden, dass der Staat ihr Eigentum schützt, Maße und Gewichte vereinheitlicht und die Währung bereitstellt, soll er nun auch die Profite garantieren. Andererseits soll er immer schlanker werden und die Unternehmer keinesfalls mit Regulierungsmaßnahmen belästigen. So muss die griechische Regierung nach den Plänen der EU in den kommenden vier Jahren durchschnittlich alle zehn Tage einen Staatsbetrieb privatisieren. Man muss schon Betriebswirtschaftler, Finanzminister oder Welt-Kommentator sein, um nicht zu bemerken, dass eine solche Minderung der Staatseinnahmen auch dem Schuldendienst nicht zuträglich ist. Staatliche Betriebe haben den Vorzug, dass sie vornehmlich Waren und Dienstleistungen anbieten, die jeder braucht. Auch hier entfällt also das lästige unternehmerische Risiko. Erst recht gilt dies für »systemrelevante« Finanzinstitute. Die Banker haben aus der Finanzkrise gelernt: Wenn etwas schief geht, gibt es garantiert Staatsknete. Die europäischen Regierungen haben nun die Wahl, entweder Geld an Griechenland zu überweisen, das umgehend an die Gläubiger weitergeleitet wird, oder Griechenland bankrott gehen zu lassen und das Geld direkt an die Banken zu überweisen, die dann weiterer »Rettungspakete« bedürfen. Das aber genügt auch nicht mehr. Nun möchten die Banker dafür belohnt werden, dass sie sich retten lassen.