Die westlichen Regierungen wollen mit den Taliban verhandeln

Bin eingeladen

Die westlichen Regierungen bemühen sich verstärkt um Verhandlungen mit den Taliban. Doch die Jihadisten zögern noch.

Für die deutsche Außenpolitik sind Rainer Arnold, Karin Evers-Meyer, Walter Kolbow und Johannes Andreas Pflug eigentlich nicht zuständig, denn sie sind Mitglieder der SPD. Doch bei ihrem Besuch in Pakistan kündigten sie Mitte Juni an, zur nächsten Afghanistan-Konferenz im Dezember in Bonn sollten auch die Taliban eingeladen werden. »Wir müssen sicherstellen, dass sie an diesem Prozess teilnehmen«, sagte Kolbow der pakistanischen Tageszeitung Dawn.
Dies sei Konsens in der deutschen Politik, versicherten die vier Sozialdemokraten, und das dürfte den Tatsachen entsprechen. Kaum waren die inoffiziell geführten Verhandlungen im Jahr 2009 bekannt geworden, entdeckte der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, dass Afghanistan »sich nicht als Vorzeige-Demokratie nach unseren Maßstäben eignet«. Bei Verhandlungen mit »Aufständischen«, denen es nur »um afghanische Angelegenheiten« gehe, müssten die Menschenrechte »einbezogen werden, ohne die gewachsenen Kulturen in Afghanistan zu ignorieren«.
Die Deutschen hatten es besonders eilig, sich endlich von den lästigen Demokratisierungs­ideen loszusagen, doch ist das Ziel, die Taliban zu integrieren, mittlerweile auch in der »internationalen Gemeinschaft« Konsens. Mit dem von Barack Obama vorige Woche angekündigten Abzug von 33 000 Soldaten in den kommenden anderthalb Jahren fällt die US-Truppenstärke zwar nur auf den Stand von 2009. Ob am Ende des »Übergangsprozesses« im Jahr 2014 alle Soldaten das Land verlassen werden, ließ der US-Präsident offen. Doch auch andere Staaten werden ihre Truppenstärke reduzieren, und immer offener bekennt man sich dazu, dass der Kriegseinsatz nur noch dazu dient, die Jihadisten zu einem Kompromiss zu bewegen. »Amerika wird sich an Initiativen zur Versöhnung des afghanischen Volkes, einschließlich der Taliban, beteiligen«, sagte Obama.
Nur die Taliban zieren sich noch, sie verlangen weiterhin den vollständigen Abzug der ausländischen Truppen. Die Uno zählte im Mai, dem ersten Monat der Kampfsaison nach der Schneeschmelze, 368 getötete Zivilisten, mehr als je zuvor in den vier Jahren, seit die statistische Erhebung begann. 82 Prozent seien von den »Aufständischen« umgebracht worden. Es ist unklar, ob die Taliban an einen militärischen Sieg glauben oder den Preis für ihre Integration hochtreiben wollen. Ihnen dürfte nicht entgangen sein, dass das Interesse an Afghanistan sinkt. Man müsse sich nun auf den Aufbau der eigenen Nation konzentrieren, sagte Obama. Deutlicher noch wurde Antonio Villaraigosa, der Bürgermeister von Los Angeles, bei einer Konferenz mit 1 200 Kollegen, die einen schnelleren Rückzug forderten: »Dass wir in Bagdad und Kandahar Brücken bauen, nicht aber in Baltimore und Kansas City, ist absolut unverständlich.«
Seit dem Tod Ussama bin Ladens gelten bedeutende Anschläge im Westen als unwahrscheinlich, die Wirtschaftskrise verstärkt den Trend zum Isolationismus und zur Besinnung auf die »eigene Nation«. Zehn Jahre, nachdem bei der ersten Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn die Macht unter islamistischen Warlords und korrupten Politikern verteilt wurde, sollen nun die Taliban integriert werden, sofern sie versprechen, in Zukunft nur noch Afghanen umzubringen.