Fußball und Hormone

Jungs unter sich

Kurz vor dem Beginn der Frauenfußball-WM hat die Fifa ein »Geschlechtsprüfungsverfahren« eingeführt. Doch es drängt sich der Schluss auf, dass die Wahrung der Chancengleichheit nur eine vorgeschobene Begründung für die vorgesehenen Geschlechtstests ist. Die Vorschriften sichern vor allem die Geschlechtertrennung.

Nun ist es amtlich: Männer können besser Fußball spielen – und zwar aufgrund männlicher Hormone. Das sagt zumindest der Weltfußballverband Fifa. Deshalb müssen die benachteiligten Frauen auch geschützt werden. Vor wem genau ist leider nicht ganz klar. Aber der Reihe nach: Vor kurzem hat die Fifa neue Vorschriften für ein »Geschlechtsprüfungsverfahren« erlassen, also gerade noch rechtzeitig zur Fußball-WM der Frauen. Dabei geht es um eine Festlegung der Verfahren für den Nachweis des Geschlechts. Warum nun sollten Fußballspielerinnen und Fußballspieler ihr Geschlecht überprüfen lassen müssen? Wissen sie nicht selbst, welches Geschlecht sie haben?
Im Grunde genommen geht es bei diesen neuen Regeln weniger um das genaue Verfahren der Geschlechtsüberprüfung, die Fifa hat auch gar nicht erklärt, wie genau »das korrekte Geschlecht« nun festgestellt werden soll. Mit den neuen Bestimmungen schließt der Verband eine Lücke in seinem Regelwerk, die in den vergangenen Jahren immer wieder zu Unsicherheiten geführt hat. So ist an keiner Stelle des Fifa-Reglements festgelegt, dass Männer und Frauen weder gemeinsam noch gegeneinander Fußball spielen dürfen. Das wurde etwa zum Problem, als Birgit Prinz 2003 angeblich zum Herren-Drittligisten AC Perugia wechseln wollte, oder auch als die mexikanische Spitzenfußballerin Maríbel Dominguez 2004 einen Vertrag beim Herren-Zweitligisten Atletico Celaya abschloss. Tatsächlich verstößt derlei gegen kein explizites Verbot. Während sich der Wechsel von Prinz am Ende nur als Gerücht herausstellte, sah sich die Fifa jedoch im Fall von Dominguez zum Einschreiten genötigt und verbot den Wechsel im Dezember 2004. Zur Begründung verwies der Verband jedoch nur auf die Existenz geschlechtsspezifischer Wettkampfregeln. Im Klartext: Frauen und Männer dürften nicht miteinander spielen, weil es doch getrennte Ligen gebe.
Im neuen Regelwerk liefert die Fifa nun eine andere Erklärung. Demnach gebiete das Prinzip der Chancengleichheit die Geschlechtertrennung im Fußball. Männer verfügten über einen höheren Androgenspiegel, und die leistungsfördernde Wirkung des Hormons bringe ihnen beim Fußball Vorteile. Die Unterteilung in Alters- und Geschlechtsklassen wird als Voraussetzung für faire Spiele betrachtet, in denen dann auch jüngere Spieler oder eben Spielerinnen mit niedrigen Androgenwerten eine Chance bekommen, da sie nur gegen ihresgleichen antreten müssen. Daraus leitet die Fifa die Notwendigkeit ab, die Geschlechter eindeutig zu kategorisieren.
Nähme man die Argumentation der Fifa ernst – dass es also um die Chancengleichheit und die leistungsfördernde Wirkung bestimmter Hormone geht –, dann wäre die Geschlechtszugehörigkeit nur eine Art Indikator für eine gewisse Leistungsfähigkeit, ähnlich wie das Alter. Entsprechend gäbe es dann zwar eine Geschlechtersegregation, die jedoch, genau wie bei den Altersklassen, in begründeten Ausnahmefällen auch einmal aufgehoben werden könnte. So durfte Lukas Podolski beispielsweise schon im Alter von 19 Jahren in den Kader der A-Nationalmannschaft auf­rücken.
Eine derartige Ausnahmeerlaubnis für Frauen, die etwa wegen eines höheren Androgenanteils bei den Männern mithalten könnten, bleibt jedoch nach wie vor undenkbar. Stattdessen sollen leistungsstarke Spielerinnen, bei denen chromosomale Unregelmäßigkeiten auftreten, zum Schutz der Chancengleichheit ihrer Mitspielerinnen ausgeschlossen werden, und zwar unabhängig davon, ob sich die Unregelmäßigkeiten auch auf ihre Androgenwerte auswirken. Tatsächlich hat noch nie ein Mann versucht, freiwillig bei ­einer Frauenmannschaft mitzuspielen – weder heimlich noch offiziell.
So erweckt das neue Regelwerk der Fifa eher den Eindruck, dass die Wahrung der Chancengleichheit als Begründung nur vorgeschoben wird. Denn die kürzlich verabschiedeten Vorschriften sichern vor allem die bestehende Geschlechtertrennung im Fußball, die in einer modernen Gesellschaft mit geltenden Antidiskriminierungsgesetzen an sich bereits rechtfertigungsbedürftig ist. Mit dem Festhalten an der Trennung zwischen Frauen und Männern bestraft die Fifa irgendwie zu »männlich« geratene Spielerinnen. Und sie bestätigt nur noch einmal aufs Neue, was schon vorher klar war: Die Jungs mit dem Ball wollen am liebsten unter sich bleiben.