Waren die dick

In diesen Tagen dürfte in vielen Westberliner Haushalten wehmütig an früher gedacht werden – nein, nicht an ganz früher, als die Mauer noch stand und richtig echter Kalter Krieg herrschte, sondern an mittelfrüher, als es noch Telefonbücher gab.
Die dicken Bände waren nämlich bestens dazu geeignet, Besucher aus der Provinz zu beeindrucken. Klar, Telefonbücher hatte der selber, aber während das Branchenbuch daheim aus einem schmalen Band mit vielleicht 150 Seiten bestand, was aber auch nur daran lag, dass die örtlichen Futtermittelhersteller und Autohausbesitzer darin wetteiferten, größere Annoncen als die Konkurrenz zu schalten, bestand das Berliner Branchenbuch aus zwei fetten Bänden, die dem überraschten Gast mit den Worten »Hier, nimm mal, schwer, wa?« in die Hand gedrückt wurden.
Wie schwierig die Beschaffung der Nummernkataloge war, lernten die Besucher aus Westdeutschland erst, wenn sie selbst nach Berlin gezogen waren. Irgendwann im Spätfrühjahr landete nämlich eine Benachrichtigungkarte im Briefkasten, die man fortan unter allen Umständen wie seinen Augapfel zu hüten hatte. Ohne Karte keine Telefonbücher, aber weil der Abtransport ohne kräftige Begleitperson unmöglich war, konnte kaum jemand gleich nach Erhalt loslaufen und die kiloschweren Dinger in der Postfiliale abholen.
Aus, vorbei. Den handlichen CDs ist nicht mehr anzusehen, wie viele Daten sie enthalten, und auch die Beschaffung ist leicht geworden: Mittlerweile liegen die Dinger nicht nur in Postfilalen, sondern auch in Supermärkten herum, wo sie wahrscheinlich dann in ein, zwei Monaten wieder eingesammelt und anschließend verschrottet werden, braucht ja schließlich kein Mensch mehr sowas, wo es doch Internet gibt. Bleibt die Frage, womit stolze Hauptstadtbewohner heute ihren Besuch beeindrucken.