Die Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in Sachsen

Sachsen ist pseudotolerant

Seit zehn Jahren können homosexuelle Paare in Deutschland eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Die gesetz­liche Gleichstellung mit der Ehe wird von der sächsischen Landesregierung jedoch abgelehnt.

Die Benachteiligung von homosexuellen Partnerschaften gegenüber der Ehe zu beenden, war eine der zentralen Forderungen, die anlässlich des Christopher Street Day (CSD) in Dresden gestellt wurde. Sämtliche Bundesländer, in denen Unionsparteien an der Regierung beteiligt sind, haben ihre Landesgesetze mittlerweile der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichstellung zumindest weitgehend angepasst, nur in Sachsen ist das nicht der Fall.
Die sächsischen Landesregierungen brachten kaum Neuregelungen zustande. Zwar gelten auch in Sachsen für eingetragenen Lebenspartner dieselben gegenseitigen Unterhaltsverpflichtungen wie für Ehegatten. Eine sächsische Beamtin, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebt, erhält im Vergleich zu einer verheirateten Kollegin jedoch weniger Geld für diegleiche Arbeit, weil ihr der Familienzuschlag nicht gezahlt wird. In Straf- und Zivilprozessen gilt das Zeugnisverweigerungsrecht bisher nicht für eingetragene Lebenspartner, denn die sächsische Regierung ist nicht bereit, im entsprechenden Gesetzestext den Begriff des Ehegatten durch den des Lebens­partners zu ergänzen.
Die sächsische Initiative »2=2« kommt zu dem Ergebnis, dass Lebenspartnerschaften in mindestens 35 Landesgesetzen, die sämtliche Lebensbereiche betreffen, immer noch benachteiligt werden. Schikaniert werden homosexuelle Paare außerdem durch eine höhere Anmeldegebühr, die von den Ämtern für die Eintragung der Lebens­partnerschaft erhoben wird. Während eine Eheschließung 40 Euro kostet, werden bei gleichgeschlechtlichen Partnerschaften bis zu 70 Euro verlangt.

Da helfe nur klagen, riet Cornelia Ernst, eine Europaparlamentsabgeordnete der Linkspartei, bei der Veranstaltung »Gleichstellung? – Wir wollen das einfach nicht«, die im Rahmen des CSD in Dresden stattfand. Das Motto der Veranstaltung war einer Begründung entlehnt, mit der Vertreter der sächsische Landesregierung im vorigen Jahr einen Antrag der Opposition zur vollstän­digen rechtlichen Gleichstellung der Lebenspartnerschaften abgelehnt hatten. Ein Gesetz, das die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften beenden sollte, wurde schon im Jahr 2000 von der Europäischen Union auf den Weg gebracht. Im Jahr darauf verabschiedete die Bundesregierung das Lebenspartnerschaftsgesetz, dessen Ausgestaltung jedoch den Bundesländern überlassen wurde, weil man sich auf Bundesebene nicht einig wurde.
Bis heute blockieren CDU, CSU und FDP die vollständige rechtliche Gleichstellung von Lebens­partnerschaften mit der Ehe. Dementsprechend scheiterten im vorigen Jahr Initiativen, die eine Gleichstellung beziehungsweise eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare forderten, im Bundesrat und im Bundestag. Vor allem Vertreter der CDU berufen sich gerne auf ein »Abstandsgebot«, demzufolge es zwischen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften einen Unterschied geben müsse, weil nur die Ehe einen besonderen Schutz durch das Grundgesetz genießt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht diese Arguemntation schon 2009 verworfen.
Dennoch zeichnen sich Veränderungen ab, auch in Sachsen. Mittlerweile hat es das Bekenntnis zu Toleranz und Akzeptanz homosexueller Lebensweisen und gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in jedes sächsische Parteiprogramm geschafft, abgesehen von dem der NPD. Warum man sich in Sachsen mit der rechtlichen Gleichstellung so schwertut, erklärte Benjamin Karabinski, der innenpolitische Sprecher der sächsischen FDP: Es handele sich nur um eine Gleichstellung auf dem Papier, Gleichberechtigung müsse aber im Umgang mit den Menschen und in deren Köpfen stattfinden.

Die Menschen sind offenbar weiter als die schwarz-gelbe Landesregierung. 2010 befürworteten bei einer bundesweiten Umfrage des Meinungsforschunginstituts Emnid 66 Prozent der Befragten eine rechtliche Gleichstellung homo­sexueller Partnerschaften mit der Ehe.
Eine Vertreterin von »Gerede e.V.«, einer Initia­tive für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle in Dresden, bezeichnet die Argumentations­weise der Regierung als »pseudotolerant«. Denn eigentlich hatte die Landesregierung in Aussicht gestellt, die Gesetze sukzessive anzugleichen, wenn Novellierungen anstehen. Im Mai 2011 wurde in Sachsen das Beamtengesetz reformiert, doch entgegen jener Zusage werden gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nach wie vor benachteiligt.
Pünktlich zum Dresdener CSD hat die Initiative »2=2« zur Unterzeichnung einer Petition an den sächsischen Landtag aufgerufen, in der die sofortige und vollständige Gleichstellung gefordert wird (). Mittlerweile wurde sie schon von mehr als 2 300 Personen unterzeichnet. Christian Richter, der Sprecher der ­Initiative, rät allen Betroffenen, gleichzeitig ihre Rechte einzuklagen. »Das ist sicher nicht der Königsweg, denn Grundrechte sind eben keine, wenn sie nicht allen umstandslos zugestanden werden«, sagte er. Er gehe aber davon aus, dass sich so der Druck auf die Regierung erhöhe. Zeit, Nerven und Geld kostet eine Klage dennoch. Dass Interessenverbände die Prozesskostenbeihilfe organisieren und in Einzelfällen beraten, ist da nur ein kleiner Trost.
Cornelia Ernst kündigte zudem eine juristische Initiative der EU-Justizkommissarin Viviane Reding an, die alle Mitgliedsstaaten dazu verpflichten soll, Ehe und gleichgeschlechtliche Lebens­partnerschaften gleichzustellen. Wie erfolgreich dieses Anliegen unter der neuen polnischen EU-Ratspräsidentschaft sein wird, muss sich zeigen. Offenbar besteht das Problem ohnehin nicht darin, dass es zu wenige gesetzliche Vorschriften und richterliche Urteile gäbe. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs müssten nur erfüllt werden.