Die schwedische Nazigruppe »Nordische Jugend«

Auch Nazis hören Reggae

Das Auftreten der »Nordischen Jugend« ­irritiert zwar die Traditionalisten in der schwedischen Naziszene, ihr Handeln stößt jedoch auf Wohlwollen.

In der extremen Rechten in Schweden herrscht derzeit Durcheinander. Die Sverigedemokraterna (»Schwedendemokraten«), denen in den achtziger Jahren auch Ulf Ekberg von der bekannten Popband Ace of Base angehörte, setzen zunehmend auf Rechtspopulismus, sind um Zuspruch aus bürgerlichen Kreisen bemüht und sitzen seit 2010 im schwedischen Reichstag. Um die Gunst und die Meinungshoheit in der rechtsextremen Szene konkurrieren zwei Parteien miteinander: die Svenskarnas Parti (»Partei der Schweden«), die aus der Nationalsocialistisk Front (»Nationalsozialistische Front«) hervorgegangen ist, und die National­demokraterna (»Nationaldemokraten«), eine Abspaltung der Schwedendemokraten. Keine der beiden Parteien erhielt jedoch bisher eine bedeutsame Zahl an Wählerstimmen, zusammen verfügen sie über nicht einmal eine Handvoll Mandate in Kommunalparlamenten.

Außerhalb der Parteien tut sich mehr. In den vergangenen zwei Jahren hat sich neben der Svenska Motståndsrörelsen (»Schwedische Widerstandsbewegung«) eine weitere Gruppe etabliert, die in ihrem Auftreten und ihrem Hang zum Aktionismus auffällig an die »Autonomen Nationalisten« in Deutschland oder Tschechien erinnert. Sie nennt sich Nordisk Ungdom (»Nordische Jugend«). In einer Selbstdarstellung nennt die Organisation sogar explizit die deutschen »Jungen Nationaldemokraten« als Vorbild. Auch das Logo der Nordischen Jugend ähnelt auffällig dem der Jugendorganisation der NPD. Vom Erscheinungsbild des traditionellen rechtsextremen Milieus in Schweden, das immer noch sehr großen Wert auf Uniformen, Aufmärsche im Gleichschritt und das Fahnenschwenken legt, unterscheidet sich das Auftreten der Gruppe deutlich. Dass die Nordische Jugend kurz nach ihrer Gründung auf ihrer Website einen offenbar selbstgemachten Reggae-Song postete, dürfte die schwedischen Traditionalisten sehr verwundert haben.
Die Aktionen der Gruppe stoßen hingegen auf breite Zustimmung innerhalb der Szene. Für gewöhnlich bevorzugen die Mitglieder der Nordischen Jugend symbolische Handlungen, bei denen es aber auch zu Sachbeschädigungen kommen kann. Sie besprühen im Stil der Adbusters Werbeplakate, holen EU-Fahnen vor öffentlichen Gebäuden ein und verbrennen sie, bewerfen Flüchtlingsunterkünfte mit Eiern oder bringen ein Transparent am Haus des Chefredakteurs der gewerkschaftsnahen Zeitung Aftonbladet an.

Eine Kamera ist immer dabei. Kurze Zeit später sind dann Videoaufnahmen der jeweiligen Aktionen, gerne unterlegt mit Technomusik, auf Youtube und auf der Website der Gruppe zu finden. Die meisten Taten der Nordischen Jugend erscheinen zunächst harmlos. Doch die Mitglieder der Gruppe handeln meist nachts und vermitteln durchaus eine Botschaft: Sie sind organisiert und handlungsfähig. Und ein Trupp schwarz gekleideter Neonazis, der jederzeit und überall auftauchen kann, dürfte auch zu Schlimmerem fähig sein, als Plakate zu beschmieren. Schließlich kommen die Mitglieder der Nordischen Jugend nicht gerade aus einem friedliebenden Umfeld. Die Gruppe scheint lediglich klug genug zu sein, sich keine körperlichen Angriffe oder schwerere Vergehen zuschreiben zu lassen.
Ideologisch gesehen unterscheidet sich die Nordische Jugend nicht besonders von der deutschen NPD. Wie diese gibt sie sich besorgt um soziale Belange und schimpft über supranationale Institutionen wie die Nato oder die EU. Sie hat aber den dumpfen Stammtischrassismus gegen die moderner wirkende Idee des Ethnopluralismus ausgetauscht. Auch zum Nahen Osten äußert sich die Gruppe: »Das Gerede von einer Zweistaatenlösung ist nichts als zionistische Propaganda, die den Widerstand brechen soll. Die Anerkennung eines israelischen Staates auf palästinensischem Boden steht in direktem Widerspruch zum Recht jedes Volkes auf Souveränität und Freiheit«, sagte ihr Sprecher Patrik Forsén 2010 in einem Interview.
»Viele Mitglieder der Nordischen Jugend sind von antisemitischen Verschwörungstheorien beeinflusst. Gerade neulich erst haben einige von ihnen eine Veranstaltung über den ›Holocaustmythos‹ besucht«, berichtet Johannes Jakobsson von der antifaschistischen Zeitschrift Expo. Auch Kontakte der Nordischen Jugend zu Islamisten wie etwa Mohamed Omar aus Uppsala sind dem Recherchemagazin bekannt, dem der Schriftsteller Stieg Larsson bis zu seinem Tod im Jahr 2004 vorstand. Praktisch wurde der Israel-Hass der Nordischen Jugend im Juni vergangenen Jahres. Ihre Anhänger beschmierten die Wohnungstür des liberalen Nachwuchspolitikers Niklas Wykman mit roter Farbe. Wykman hatte sich zuvor positiv über die Erstürmung der sogenannten Gaza-Flottille durch die israelische Armee geäußert.
Ihr Antisemitismus und ihre offene Feindschaft zu Israel unterscheidet die Nordische Jugend deutlich von den Schwedendemokraten. Tatsächlich herrscht eine gewisse Distanz zwischen beiden Organisationen. Eine unübersehbare Nähe besteht hingegen zu den Nationaldemokraten. Ein Blick auf das Personal der Nationaldemokraten und der Nordischen Jugend legt die Vermutung nahe, dass es nicht wirklich ein Zufall ist, dass beide die Farbe Orange als Vereinsfarbe auserkoren haben.

Forsén trat beispielsweise noch 2006 bei den Kommunalwahlen im Stockholmer Vorort Vallentuna für die Partei als Kandidat an. Auch ihr Querfrontstratege Andreas Johansson war sechs Jahre lang Mitglied der Partei. Die parteieigene Jugendorganisation Nationaldemokratisk Ungdom (»Nationaldemokratische Jugend«) ist dagegen nahezu bedeutungslos geworden. Das erweckt beinahe den Eindruck, es handele sich bei der Nordisk Ungdom um eine ausgelagerte Nachwuchsorganisation der Nationaldemokraten, die ohne direkte parteipolitsche Bindung größere Handlungsfreiheit hat. Aber vielleicht ist die Nordische Jugend auch einfach ein Zusammenschluss umtriebiger, junger Nazis, denen Parteipolitik schlicht zu dröge ist.