Fremd im eigenen Körper

»Black Hole« von Charles Burns ist längst ein Klassiker der Comicgeschichte. Im Heftformat sind die einzelnen Folgen der Saga zwar bereits auf Deutsch erschienen, doch die Gesamtausgabe, die auf Englisch schon seit sechs Jahren vorliegt, wird erst jetzt in deutscher Übersetzung herausgebracht. Zeit wurde es. Denn »Black Hole« ist einer der verstörendsten und faszinierenden Comics, die je verfasst wurden. Perfekt verbindet Burns den Stil früher EC-Gruselcomics mit einer Coming-of-Age-Thematik, wie sie im jüngeren Comic äußerst populär geworden ist. Es geht um ein Virus, das sich unter Jugendlichen in Seattle verbreitet und zu seltsamen körperlichen Deformationen führt.
Eine gängige These lautet, Burns verhandle in seinen Schwarz-Weiß-Zeichnungen das Thema Aids. Allerdings vermeidet er jegliche Konkretisierung und bleibt stets kryptisch, was auch den Reiz seiner verschlungenen Geschichte ausmacht. Jugendliche, die ihren eigenen Körper als fremd erfahren. Sex als Horror, das ist das Sujet, um das »Black Hole« mit seinen Anleihen am Surrealismus kreist. Bis heute ist dieser Comic das Opus magnum des 1955 in Washington geborenen, heute in Philadelphia lebenden Künstlers, der auch Plattencover für das Label Sub Pop und für Iggy Pop gezeichnet hat, für Coca Cola als Produkt­designer tätig war, von Matt Groening geschätzt und zum Kreis der Comic-Avantgarde um Art Spiegelman gezählt wird.

Charles Burns: Black Hole. Reprodukt, Berlin 2011, 368 Seiten, 24 Euro