Der Verkauf von deutschen Panzern nach Saudi-Arabien

Leoparden für den König

Die Bundesregierung soll den Verkauf von 200 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien genehmigt haben. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) bezeichnete das Land als »Stabilitätsanker« in der Region.

200 »Leopard 2A7+« für die saudische Armee? Mitten im »arabischen Frühling«? Nach Recherchen des Spiegel hat die Bundesregierung einen entsprechenden Deal zwischen dem Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann und dem saudischen Königshaus genehmigt. Das Königreich hat keine demokratischen Institutionen, das Rechtssystem basiert auf der Sharia. Als es Anfang des Jahres im Nachbarstaat Bahrain zu Protesten gegen die Herrscherfamilie kam, entsandte Saudi-Arabien Hilfstruppen, um die Aufstände nieder­zuschlagen. Einem solchen Land könne man keine Panzer verkaufen, kritisiert die Opposition. Die Bundesregierung verweigert derweil jede Stellungnahme. Damit handele die Regierung nach dem Motto »illegal scheißegal«, sagte die Grünen Vorsitzende Claudia Roth.

Geregelt ist der Handel mit Kriegswaffen im Kriegswaffenkontrollgesetz. Demnach benötigen Unternehmen für die Herstellung, den Verkauf und die Ausfuhr von Kriegswaffen eine Genehmigung der Bundesregierung. Zuständig ist normalerweise das Wirtschaftsministerium, in heiklen Fällen entscheidet der Bundessicherheitsrat. In diesem Kabinettsausschuss sitzen neben der Bundeskanzlerin und dem Leiter des Kanzleramts die Minister für Auswärtiges, Inneres, Justiz, Finanzen, Verteidigung und Entwicklung. Sie haben bei der Entscheidung grundsätzlich Spielraum, ein Anspruch der Unternehmen, solch eine Genehmigung zu erhalten, besteht nicht. Das Kriegswaffenkontrollgesetz gibt nur einen groben Rahmen vor, die Ausfuhr wird zumindest untersagt, wenn »die Gefahr besteht, dass die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg, verwendet werden«.
Konkretisiert wird diese Bestimmung durch politische Leitlinien. Der »Gemeinsame Standpunkt« des Europäischen Rats verlangt, dass alle EU-Mitgliedstaaten bei der Entscheidung über Rüstungsexporte auch die Menschenrechtslage im Empfängerland, die Beachtung des Völkerrechts und die Stabilität der Region berücksichtigen.
Im Jahr 2000 hat außerdem die damalige rot-grüne Bundesregierung »Politische Grundsätze« zum Rüstungsexport erlassen, die zumindest dem Wortlaut nach noch über den Europäischen Standpunkt hinausgehen. Für Staaten, die nicht Mitglieder der EU oder der Nato sind, sollen demnach restriktive Regeln gelten: »Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen- oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland unter Berücksichtigung der Bündnisinteressen für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen.«

In der Praxis sind diese Ausnahmen allerdings die Regel. Deutschland ist nach Angaben des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) nach den USA und Russland weltweit der drittgrößte Kriegswaffenlieferant. Der Anteil deutscher Rüstungsexporte am Weltmarkt hat sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt und liegt derzeit bei elf Prozent. Nach dem aktuellen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wurden im Jahr 2009 Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von rund fünf Milliarden Euro erteilt. Knapp die Hälfte davon entfiel auf sogenannte Drittländer, die weder der EU noch der Nato angehören. Zu den Ländern, die Deutschland belieferte, zählen unter anderem Ägypten, Bahrain, Jordanien, Kuwait, Libyen und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Auch mit Saudi-Arabien machen deutsche Unternehmen nicht zum ersten Mal Geschäfte. »Saudi-Arabien bezieht seit vielen Jahren Rüstungsgüter aus Deutschland«, sagte der Staatssekretär des Wirtschaftsministeriums, Hans-Joachim Otto (FDP), im Bundestag. »Leopard«-Panzer gehörten zwar bisher nicht dazu, die Empörung der Opposition wirkt dennoch scheinheilig. In ihrer Regierungszeit scheute sich auch die rot-grüne Regierung nicht vor dem Rüstungsgeschäft mit autoritären Staaten. Ebenso üblich wie solche Deals ist deren Geheimhaltung. Der Bundessicherheitsrat informiert über seine Sitzungen weder die Öffentlichkeit noch den Bundestag. Bekannt werden diese Geschäfte erst im Nachhinein, wenn die Bundesregierung ihren jährlichen Rüstungsexportbericht herausgibt. Der derzeitige Bericht bezieht sich auf das Jahr 2009, der Bericht für 2010 soll demnächst veröffentlicht werden. Zwar hindert Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nichts daran, mehr Informationen freizugeben – allerdings hat das auch keiner ihrer Vorgänger getan.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sieht darin einen Verstoß gegen das Grundgesetz und droht mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Geheimhaltung verletze das Recht des Bundestags, die Regierung zu kontrollieren. Ob eine solche Klage Erfolg haben könnte, ist offen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit das Informations- und Kontrollrecht des Bundestages gestärkt, die Verhandlungen über Rüstungsgeschäfte gelten aber als besonders sensibel. Zudem hat der Bundestag durchaus Möglichkeiten, eine entsprechende Kontrolle auszuüben. Schließlich könnte das Parlament das Kriegswaffenkontrollgesetz verschärfen, eine zeitnahe Berichterstattung vorschreiben oder Rüstungsexporte in Länder wie Saudi-Arabien verbieten. Für solche Vorhaben fehlt den Oppositionsparteien aber die Mehrheit. Und es ist fraglich, ob sie entsprechend handeln würden, wenn sie an der Regierung wären.
Solange darf weiter darüber spekuliert werden, was die Bundesregierung dazu bewegt haben könnte, einen solchen Deal zu genehmigen. In den Medien wird derzeit diskutiert, ob hinter dem Geschäft israelische Interessen ständen. Saudi-Ara­bien solle als Gegengewicht zum Iran aufgebaut werden. Diese Behauptung vertrat auch der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter am Freitag voriger Woche im Bundestag: »Was sagen Sie dazu, dass Israel diese Panzerlieferungen nicht nur wünscht, sondern ausdrücklich unterstützt?« Während die Frage, ob der Deal überhaupt stattgefunden hat, unkommentiert bleibt, wird nun also vorsorglich behauptet, man schütze damit die Interessen Israels. Dabei kann davon nicht die Rede sein. In einem Interview mit der Welt sagte der stellvertretende israelische Außenminister Daniel Ayalon, von einem bevorstehenden Panzergeschäft zwischen Deutschland und Saudi-Arabien sei ihm nichts bekannt. Die israelischen Medien interessieren sich ebenfalls nicht für das Thema. Die Jerusalem Post stellte lapidar fest: »Ökonomische Interessen in der Bundes­republik überwiegen normalerweise gegenüber Menschenrechten in der islamischen Welt, Israels Sicherheitsinteressen und der Stabilität im Nahen Osten.« Größere Sorgen macht man sich über die deutschen Beziehungen zum Iran.
Es scheint, als sei es Israel ziemlich egal, ob Deutschland einem Staat Panzer liefert, mit dem es keine Landgrenze teilt. Ohnehin würden Panzer den Saudis im Konflikt mit dem Iran wenig helfen: Zwischen beiden Staaten liegt der Irak. Solche sicherheitspolitischen Interessen muss die Bundesregierung allerdings herbeiargumentieren, um den Export zu rechtfertigen. Schließlich heißt es in den »Politischen Grundsätzen«: »Beschäftigungspolitische Gründe dürfen keine ausschlaggebende Rolle spielen.« Vermutlich ist aber das der Grund für das Geschäft.