Mode und Burnout auf der »Bread & Butter«

Mode für die Generation Burnout

Auf der Bread & Butter wird Selbstdarstellung bis zur Erschöpfung zelebriert.

In einem schmalen Swimmingpool aus Plexiglas tanzen zwei Frauen im Bikini. Ein junger Mann hat sich lässig am Rand des Pools platziert, sein Kopf nickt im Rhythmus der Beats. Die meiste Zeit hält er die Arme verschränkt, die Augen sind hinter einer Pornobrille verborgen, das Mienenspiel seiner Mundwinkel scheint von Billy Idol inspiriert zu sein. Die drei Protagonisten wirken erschöpft, beinahe so, als wäre das Ende eines langen Drehtages für ein HipHop-Video erreicht. Die Szenerie am Pool ist Teil der Streetwear-Messe »Bread & Butter« auf dem Areal des Flughafens Tempelhof. Neben der Präsentation von Mode geht es außerhalb der Shops, die in den Hangars untergebracht sind, um die Inszenierung eines Lifestyles, der zur ausgestellten Mode passt.
»Are you ready for this?« fragt eine Mitarbeiterin an einem Ausstellerstand, während sie den Scanner über das Eintrittsticket gleiten lässt. Ob sie damit die Mode meint oder die Events, die auf dem Gelände stattfinden, lässt sie offen. Ihr Arbeitgeber hat sich offensichtlich vom US-amerikanischen Traum der fünfziger Jahre anregen lassen, zumindest ist das Mobiliar der Hauskulisse, in der hier Jeans präsentiert werden, entsprechend ausgewählt. Hinter dem Haus befindet sich ein kleiner Sandstrand, dekoriert mit Palmen, Strandliegen und einer Bar. Der Schritt durch eine Lücke im Bastzaun katapultiert einen unsanft hinaus aus dieser hawaiianisch anmutenden Idylle, dahinter beginnt eine Welt, die an Berlin kurz nach dem Fall der Mauer erinnert.
Überall auf dem Gelände entdeckt man zusammengeschweißte Schrott-Kunstwerke, es sieht aus, als habe man sämtliche Bestände des Tacheles aufgekauft, um eine Atmosphäre wie beim Burning-Man-Festival in Nevada zu kreieren. Plötzlich befindet man sich in einer Prozession morbider Gestalten, die sich auf rostigen Vehikeln fortbewegen. Ihre aus Schrott gebauten Treträder erinnern an die leicht versiffte Kreativität, die man vor 20 Jahren häufig in Berlin antreffen konnte. Die Teilnehmer tragen schwarze, staubige Anzüge und Zylinder, ihre Performance sieht aus wie ein Tribute-to-Tim-Burton. Ein paar Meter entfernt scheinen die Gestalter einem weiteren Idol der neunziger Jahre ein Denkmal setzen zu wollen: Chris Cunningham. Berühmt wurde er mit Musikvideos, 1999 drehte er zu Björks »All is full of love« einen Clip mit zwei lesbischen Robotern. Die Bread & Butter zeigt auf einer Bühne Roboter mit weiblichen Rundungen, die sich an einer Gogo-Stange abmühen, sehr zur Freude des Publikums. Cunningham-Fans dürfte diese Neuauflage hingegen kaum gefallen. Kurz vor dem Ausgang des »Luna Parks« trifft man dann auf etwas, das es in den Neunzigern noch nicht gab. Der Stand, der mit einem Greenscreen ausgestattet ist, wirbt mit dem Slogan »Your best burnout picture«. In der Warteschlange proben junge Menschen den fotogenen psychischen Zusammenbruch. Vielleicht war früher doch einiges besser.