Die Ausstellung »Über die Metapher des Wachstums« in Frankfurt

Zurück zur Natur oder lieber doch nicht?

Die Ausstellung »Über die Metapher des Wachstums« im Kunstverein Frankfurt.

Der Themenbereich, den die Kuratoren und Kuratorinnen im Katalogtext abstecken, ist weitläufig. Da wird der Begriff »Wachstum« etymologisch hergeleitet. Zwischen ökonomischem und organischem Wachstum wird unterschieden, wobei betont wird, dass das organische Wachstum im Unterschied zum ökonomischen eine natür­liche Grenze habe. Von Fortschrittsglaube, Anwachsen der Weltbevölkerung, Klimawandel und Nachhaltigkeit ist die Rede. Und schließlich wird mit Verweis auf die französischen »Wachstumsverweigerer« der décroissance und auf Ökonomen wie Joseph Stiglitz oder Amartya Sen, die Wohlstand und sozialen Fortschritt nicht länger an einer Einkommensgröße wie dem Bruttosozialprodukt messen wollen, Anschluss an aktuelle Debatten gesucht.
Es wird wieder mal über eine Ökonomie jenseits des Wachstums diskutiert, auch in Deutschland. Im Mai fand der vom globalisierungskri­tischen Netzwerk Attac organisierte Kongress »Jenseits des Wachstums« statt, auf dem überlegt wurde, wie ökonomisches Wachstum ökologisch und sozial gerecht gestaltet werden kann – und ob dies überhaupt möglich ist. Mehr als 2 500 Teilnehmende und etwa 150 Referierende waren zugegen, unter ihnen der Sozialpsychologe Harald Welzer, der in seinen Büchern »Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird« und »Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie« eine auf ökonomisches Wachstum fixierte Gesellschaft kritisiert. Wachstumskritik ist aber kein ausschließlich linkes Thema. Auch die politischen und ökonomischen Eliten sind angesichts beschränkter natürlicher Ressourcen gezwungen, ihre Politik zu revidieren und nach neuen Lösungen zu suchen. Nicht zuletzt die jüngsten Beschlüsse zum Atomausstieg in Deutschland und der Schweiz haben dies gezeigt.
Mit Werken von etwa 30 Künstlerinnen und Künstlern sondiert das Ausstellungsprojekt »Über die Metapher des Wachstums«, was die Kunst der Wachstumsideologie entgegen zu setzen hat. Ein schwieriges, wenn nicht gar unmögliches Unterfangen angesichts der Vielschichtigkeit des Themas. Zumal die Kuratoren und Kuratorinnen den Anspruch haben, die Auseinandersetzungen mit dem Begriff des Wachstums und dessen heutige Ambivalenz in wirtschaft­lichen, biologischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen umfassend darzustellen.
Der Frankfurter Kunstverein, der Kunstverein Hannover und das Kunsthaus Baselland haben gemeinsam eine Auswahl an künstlerischen Positionen zusammengestellt. Leider gleicht die Ausstellung bisweilen einem riesigen Themenpark des Skeptizimus, dessen einigendes Element ein Unbehagen gegenüber Ökonomie, Technik und Zivilisation ist. In vielen Arbeiten lässt sich eine unkritische, oft esoterisch inspirierte Hinwendung zur Natur beobachten, deren zyklische Kreisläufe von Entstehen, Wachsen, Entfalten und Absterben dem Modell des steten Wachstums positiv gegenübergestellt werden.
In der enzyklopädisch angelegten Fotoserie von Rachel Sussman, die bis Ende Juni im Kunstverein Hannover zu sehen war, wird die »Nachhaltigkeit« der Natur gefeiert. Die Künstlerin dokumentiert die ältesten Lebewesen der Erde und verweist so auf die Zeitdimensionen der Natur. Gemeinsam mit Biologen und Mykologen erstellt sie Dokumentationen über Pflanzen, Bakterien und Korallen, die 1 000 Jahre alt oder älter sind. Den ältesten Baum der Erde, eine 9 555 Jahre alte Fichte, fand sie in Fulufjället in Schweden, ein um die 3 000 Jahre altes Geflecht in der Atacama-Wüste in Chile. In der ebenfalls in Hannover gezeigten Installation »The Conference« des Schweizer Künstlerduos Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger wird der Natur ein gewisses widerständiges Potential zugeschrieben, wenn die Requisiten des postindustriellen Managers – Handy, Laptop und Kaffeetasse – von einer pink leuchtenden Kristallstruktur überwuchert werden.
Der Mensch kommt in der Ausstellung eher schlecht weg. Der in München lebende Künstler Ulrich Gebert zeigt den Menschen als ein Subjekt, das sich die Natur unterwirft und sie nach Gutdünken zurichtet. Für seine Fotoserie »Dr. Kobers Sorge um die Zuchtwahl«, zu sehen im Frankfurter Kunstverein, hat er Bilder von ungarischen Hirtenhunden, den Pulis, mit ihrer meist bodenlangen Schnüren-Behaarung digital bearbeitet und die ohnehin auffällige, an Rasta-Zöpfe erinnernde Struktur des Fells noch erheblich verstärkt. Die Bilder deformierter Pulis klagen eine Zuchtindustrie an, die auf den immer ausgefalleneren Geschmack der Kundschaft reagiert.
Um den alltäglichen gedankenlosen Umgang mit natürlichen Ressourcen geht es in der in Frankfurt gezeigten Installation »Verschwendung« der Gruppe Mindpirates. Sie rechnen vor, wie hoch die CO2-Emission ist, die ein Flug von Berlin nach München verursacht, wie viel Wasser zur Produktion von einem Kilo Rindfleisch benötigt wird und wie lange eine Plastiktüte durchschnittlich benutzt wird.
Nicht alle Arbeiten akzentuieren den Konflikt zwischen Natur und Kultur. So zeigt der wunderbar witzige Flash-Animationsfilm »Towards the World« (2010) von John Miller, Takuji Kogo und Aura Rosenberg, wie Produktwerbung und Liebeswerben einander überlagern. Eine elek­tro­nisch generierte Computerstimme singt Texte aus Kontaktanzeigen, die mit Bildern aus der Werbung kombiniert werden. Die Liebe wird hier mit dem Streben nach Status und Reichtum verbunden.
Interessant sind vor allem jene Arbeiten, die nach den Möglichkeiten fragen, sich den Sachzwängen zu widersetzen. Die Zweikanal-Video­installation »All that is solid melts into air« von Mark Boulos im Frankfurter Kunstverein stellt zwei gegenläufige Interessen im Kampf um die Kernressource der Weltwirtschaft, das Erdöl, gegenüber. Die eine Projektion zeigt die Arbeit der Börsenhändler im Chicago Mercantile Exchange. Auf der gegenüberliegenden Leinwand sieht man Bilder von der mit Stacheldraht gesicherten Ölförderanlagen der Royal Dutch Shell im Nigerdelta sowie von Kämpfern des Movement for the Emancipation of the Niger Delta, die sich mit Entführungen ausländischer Mitarbeiter und Anschlägen auf Pipelines gegen die Ausbeutung durch den Konzern wehren. Mit dem Medium der Zweikanal-Projektion rückt der Künstler zusammen, was Tausende Kilometer auseinanderliegt, aber direkt voneinander abhängt: die Ausbeutung von Bodenschätzen und die vir­tualisierten, von ihren Wirkungen losgelösten Transaktionen der Finanzindustrie. Etwas widersprüchlicher geht Armin Chodzinski vor, wenn er sich mit Sturmhaube maskiert in einer Baugrube des Softwareherstellers SAP in der Hafencity Hamburg fotografiert, wie er mit einer Holzlatte auf einen Erdhügel eindrischt. Dieses Foto entstand zu einer Zeit, als Armin Chodzinki für das Softwareunternehmen arbeitete, und vermittelt so die Ambivalenz zwischen aktivistischer Kritik und hilfloser Resignation und Anpassung.
Die Ausstellung »Über die Metapher des Wachstums« nimmt sich eines gesellschaftspolitischen Themas an. Der Schau gelingt es, Wachstumskritik als ein Thema der Kunst in den Blick zu bringen. Allerdings hätte eine inhaltliche Zuspitzung statt einer losen Bestandsaufnahme der Ausstellung gut getan und mehr Möglichkeiten geboten, sich aus der Perspek­tive der Kunst in die Debatte einzumischen.

»Über die Metapher des Wachstums«. Frankfurter Kunstverein, bis 31. Juli