Emanuel Matondo im Gespräch über die deutschen Wirtschaftsinteressen in Angola

»Es geht um die Korruption«

1990 floh Emanuel Matondo als Kriegsdienstverweigerer nach Deutschland. 2001 wurde sein Asylantrag anerkannt. Mit seiner Familie lebt mit er heute in Köln. Der Menschenrechts- und Friedensaktivist ist unter anderem einer der Gründer der Angolanischen Antimilitaristischen Menschenrechtsinitiative (IAADH e.V.) und Auslandskorrespondent der unabhängigen angolanischen Wochenzeitung »Folha 8«. Mit der Informationsstelle Südliches Afrika arbeitete er am aktuellen Dossier »Deutsche Wirtschaftsinteressen in Angola«.

Die Hauptaussage des Dossiers ist, dass die Wirtschaftskooperation der BRD mit Angola »so gut wie keine entwicklungsfördernden Wirkungen zeigt, sondern Strukturen der Korruption, Menschenrechtsverletzung und Diktatur in Angola fördert«. Inwiefern ist das der Fall?
Die Vergabe von Milliardenkrediten durch deutsche Großbanken ist schon seit über zehn Jahren gang und gäbe. Diese deutschen Banken haben manchmal in internationalen Konsortien eine leitende Rolle, aber dann wird auch nicht gefragt, ob Transparenzgebote eingehalten werden oder wie überhaupt mit dem Geld umgegangen wird. Obwohl bekannt ist, dass Vorwürfe wegen Korruption, Unterschlagung und Geldwäsche seit über 15 Jahren im Raum stehen. Das ist sehr fragwürdig. Zumal der Erdölbereich, der bevorzugt gefördert wird, nicht so viele Arbeitsplätze bringt. Ich glaube, es wurden nur 10 000 bis 15  000 Arbeitsplätze geschaffen in den letzten Jahren. Die meisten multinationalen Konzerne und Banken bringen ihre eigenen Arbeitskräfte mit. Seit mehreren Jahren fordern wir vergeblich eine Diver­sifizierung der Wirtschaft.
Geht es nur um die Zahl der Arbeitsplätze oder ist das Problem eher die Korruption?
Es geht um die Korruption und die daraus resultierende Ungerechtigkeit. 2002 hieß es, Angola würde eine internationale Geberkonferenz einberufen, damit es Zugang zu günstigeren Krediten erhält. Voraussetzung dafür war, dass die Regierung die Staatskassen transparenter macht, aber sich auch um die eigene Bevölkerung kümmert. Dass man nachvollziehen kann, wohin die Milliarden der Erdöleinnahmen fließen. Doch die angolanischen Herrscher wollten das nicht. Sie weigerten sich, ihre Finanzen offenzulegen. Dann kam es auch nicht zu der Geberkonferenz, weil sie wussten, dass Banken und bedenkenlose Finanziers auf dem Weltmarkt agieren, die auch ohne solche Vorbedingungen Milliardenkredite vergeben.
Die Forderung der Zivilgesellschaft Angolas war, dass man Vorbedingungen stellen muss, damit Gelder für notwendige Sachen verwendet und nicht unterschlagen werden. Das wurde einfach sabotiert durch das Agieren von privaten Banken wie auch manchen öffentlichen Banken sowie von despotenfreundlicheren Regierungen, und das ist auch der Grund, warum Angola sich keine Mühe gibt, die Sache wirklich transparent zu gestalten oder die Bevölkerung an den Erdöleinnahmen teilhaben zu lassen.
In der Entwicklungspolitik wird, auch von der Bundesregierung, Transparenz von den Kreditnehmern gefordert. Private Finanzinstitute arbeiten jedoch gewinnorientiert. Sollten die von Ihnen geforderten Regeln auch für solche Banken gelten?
Für alle Banken, zumal im Falle Deutschlands öffentliche Banken stark mitmischen. Bevor ich einen Kredit erhalte, muss ich meine gesamte Finanzsituation offenlegen und so ein Land auch wirtschaftlich gut führen. Aber weil es für die privaten Banken so profitabel ist, Kredite zu überhöhten Zinssätzen zu vergeben, scheren sie sich nicht darum. Ein anderer Vorteil für diese Banken ist, dass die angolanische Regierung für ihre Zahlungsverpflichtungen teilweise zukünftige Erdöllieferungen verpfändet. Für solche sogenannte oil backed loans wird auch künftiges, noch nicht entdecktes Erdöl als Sicherheit verwendet.
Es ist problematisch, wenn man die Gebote der Transparenz, der Einhaltung von Menschenrechten, guter Regierungsführung und der Umverteilung des Wohlstands nicht befolgt.
Wie kann man darauf hinwirken, dass diese Bedingungen eingehalten werden?
Manchmal ist auch die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen. Nehmen wir das Beispiel der Commerzbank. Der Bund besitzt 25 Prozent plus eine Aktie Anteile der Commerzbank über die Kreditanstalt für Wiederaufbau. Die BRD profitiert also von deren, ich sage mal, schmut­zigen Geschäften.
Die Regierungsvertreter tun so, als ob die Commerzbank eine reine Privatbank wäre. Aber der Bund muss auch dafür Sorge tragen, dass die deutschen Firmen ihre Verantwortung für die Einhaltung sozialer Standards wahrnehmen.
Die USA schreibt jetzt börsennotierten Firmen Transparenzrichtlinien vor, warum macht das Deutschland nicht? Es weigert sich sogar, die Konvention gegen Korruption zu ratifizieren.
Wie sind die Reaktionen in Angola auf die Geschäfte mit der BRD? Gibt es viel Kritik?
Es gab sofort diverse Reaktionen der Opposition. Man sagt, ich zitiere eine Oppositionelle: »Geschäfte machen ist nicht verboten. Jeder kann Geschäfte machen. Aber man sollte diese Geschäfte nicht auf Kosten der Angolaner machen.«
Weil Deutschland seinen Energiehunger befriedigen will und aufgrund der veränderten Weltlage unbedingt Angola als großes energieförderndes Land Afrikas braucht, muss Deutschland doch nicht mit dem Teufel tanzen.
Ist Angola immer noch eine Diktatur?
Merkel behauptet, Angola sei stabil. Wie definiert man denn Stabilität? In einem Land, in dem es so große soziale Spannungen gibt, dass manche Beobachter sagen, es kann jederzeit knallen.
Außerdem lässt Angola unter der Regierung José Eduardo dos Santos überall seine Muskeln spielen, regional wie auch überregional. Mit der Demokratischen Republik Kongo hat Angola ­einen Konflikt. Angola beansprucht illegal gewisse Territorien vor der Küste des Kongo und beutet dort schamlos Erdölvorkommen aus, ohne einen Cent zu bezahlen. Inzwischen hat der Kongo sogar eine Klage vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht. Den Konflikt gibt es schon seit zwei bis drei Jahren, weil Angola sich als regionale Großmacht aufspielt und sich auf keinen glaubwürdigen politischen Dialog mit der Demokratischen Republik Kongo einlässt.
Inwiefern hat die jüngste Waffenlieferung Deutschlands damit etwas zu tun? Angela Merkel meinte, die Patrouillenschiffe seien für die Grenzsicherung da, und das sei ja legitim …
Da hat sie die Sprache des Diktators übernommen.
Besteht die Gefahr, dass Angola die Schiffe im Konflikt mit dem Kongo verwendet?
Das will ich nicht unterstellen. Aber wir wissen, dass Angola danach strebt, die erdölreichen Plattformen der Westküste zu kontrollieren.
Von einigen deutschen Wirtschaftsvertretern hörten wir schon letztes Jahr, man müsse den Einsatz von Kriegsschiffen oder der Bundeswehr auch zur Sicherung von Handelswegen und Deutschlands Interessen befürworten. Nehmen wir mal die Küste von Südwestafrika, in der Re­gion um Angola, bis zum Golf von Guinea. Das ist eine sehr lange Strecke, die wir auch als Handelsweg bezeichnen dürfen. Künftig werden Schiffe mit noch mehr Flüssiggas und Erdöl aus Angola und Umgebung in Richtung Europa oder Deutschland steuern. Angola braucht Kriegsschiffe, um diese Handelswege militärisch zu sichern.
Also hat Merkel dafür gesorgt, dass diese Handelswege für Deutschland gesichert werden?
So wird das interpretiert, und so kann ich das auch interpretieren. Man braucht keine ausländischen Einsatzkräfte mehr, da man diese Aufgabe praktisch outsourct. Angola wäre ja der geeignete Partner, um diesen dreckigen Job zur Sicherung der westlichen Interessen auf diesem ausgebeuteten schwarzen Kontinent zu übernehmen.
Viele Afrikaner fragen, wozu Angola so viele Waffen braucht. In den Provinzen der Erdölförderung gibt es nicht mal ein vernünftiges Krankenhaus. Ist das wirklich der Boom, den man hier im Westen und Europa feiert? Warum hat Merkel nicht hinter die Fassade dieses Booms geschaut?
Man soll nicht einfach alles schönreden und die Augen verschließen. Die Ereignisse in Tunesien und Ägypten haben sehr viele Leute in Europa überrascht, und ich glaube, in Angola baut sich auch Unmut auf. Irgendwann kann es passieren, man wacht auf und dann geht’s los.
Denken Sie, in Angola wird es eine ebenso starke Protestbewegung geben?
Nein, aber es zeigt sich, dass der Unmut der Bevölkerung wächst.